7.5. - 10.5.00
Tagebuch Seite 59
Singapur

Der Zug fährt auf die Minute ein - immer noch ein Novum für uns - und wir besteigen unseren Wagen. Genau das gleiche Modell wie in Thailand, die Betten sind parallel zur Fahrtrichtung, fehlt es in der malaysischen Version des "Sleepers" doch an etwas ungemein Wichtigem: Gepäckablageflächen! Aufgrund der Konstruktion des Wagens ist es kaum möglich, das Gepäck auf den Boden (sprich: in den Gang) zu stellen, denn auch die kleinste Reisetasche wird sofort zum Hindernis. Sind die bei der "Thai"-Version des Wagens vorhandenen, äusserst durchdachten Gepäckablagen an der Decke irgendwelchen obskuren Budgetkürzungen zum Opfer gefallen, oder trägt die Tatsache, dass nun jeder seine Taschen und Sonstiges zu sich in die Koje nehmen und irgendwie den Schlaf zwischen seinem Gepäck suchen muss zur Verminderung der Diebstähle auf Malaysischen Zügen bei und so ein äusserst cleveres und durchdachtes System darstellt? Wir werden es wahrscheinlich nie herausfinden. Auf jeden Fall scheinen die Malayen mit dieser kleinen Unannehmlichkeit keinerlei Probleme zu haben. Wie so oft seit unseren Reisen in China sind wir wiederum den Malayen sehr dankbar, dass ziemlich bald der Lärmpegel im Wagen auf Null fällt und bis zum Morgen so bleibt.

Recht früh am nächsten Morgen werden wir mit den nötigen Zolleinreisepapieren versorgt - im Voraus (!) - damit auch der Langsamste im Zug die Formulare bis zur Ankunft fertig hat. Leider können wir diese Art von Formular bereits im Schlaf ausfüllen und müssen nicht mal mehr den Pass für die benötigten Informationen bemühen und sind so etwa 45 Minuten zu früh fertig mit den Singapur-Einreisepapieren. Das ist auch wiederum nicht so schlimm, denn draussen präsentiert sich eine ziemlich andersaussehende Landschaft - Hochhäuser, Fabriken, Wohnburgen etc. Es sieht richtig entwickelt aus hier! 

Bald darauf fährt der Zug beim Grenzbahnhof ein. Wir müssen nicht mal mehr aus dem Zug heraus, nein, die Zöllner kommen in den Zug herein! Ziemlich uninteressiert - ist ja schliesslich auch noch früh am Morgen - können sie sich nicht mal dazu überwinden in unseren Pass einen Exit-Stempel zu geben, sondern schreiben mit einem roten Filzer über den Eintrittstempel "Singap" und geben den Pass zurück. Das sonst äusserst wichtige "exit"-Dokument und die Devisendeklaration wird gar nicht verlangt. Kurz darauf fährt der Zug - ohne dass da irgendwelche Wechsler oder sonstige Händler in den Zug gestiegen wären - auf die "Causeway", der Brücke zwischen Malaysia und Singapur. Eigentlich sind wir soeben von der Eurasischen Landmasse weggefahren und somit geographisch den weitesten Punkt überschritten, den man von Europa aus erreichen kann, aber wir sehen das mal nicht so eng und rechnen die Insel von Singapur einfach mal dazu...

Langsam und bedächtig rollt der Zug über die Brücke, die offensichtlich gut gegen etwaige ungewollt passierenden Immigranten geschützt sein will: Kilometerlang und meterhoch sind die mit Stacheldraht abgeschlossenen Zäune. Auf der anderen Seite der Brücke sehen wir bereits die glitzernde Spiegelglas/Hochhaus-Architektur Singapurs.

Der Zug fährt in den Grenzbahnhof auf der anderen Seite ein. Alles ist sehr modern, in gutem Englisch angeschrieben und effizient eingerichtet. Diesmal geht es jedoch nicht ohne Aussteigen. Es ist wieder einmal sehr schwer, die Zöllner davon zu überzeugen, dass es für einen 1.5 cm²-Stempel nicht einer neuen Seite bedarf... Zumindest ist das Englisch der Beamten fast besser als unser eigenes und lässt ein Plädoyer zugunsten halbverstempelter Seiten zu. Durch die Kontrolle gekommen, müssen wir anstehen, um unser Gepäck durchleuchten zu lassen und wie beim Flughafen durch einen Metalldetektor zu gehen. Während wir da so stehen, wandert unser Blick über die beträchtlich lange Liste von Dingen, mit denen Singapur nichts zu tun haben will und deren Einfuhr Strafen zwischen 5000 Sing$ (exakt 5000 CHF) und der Todesstrafe nach sich ziehen. (Ob man gleich am Bahnhof an die Mauer gestellt wird, konnten wir nicht herausfinden) Auf dieser Liste sind die offensichtlicheren Dinge wie Nervengas, Gewehre, Pornographie und "recreational chemicals" (LOL!!) genauso zu finden, wie etwas ungewöhnlichere Artikel wie Kaugummi, Spielgeld, Waffen & Mobiltelefon - Imitationen...

Wir steigen wieder in den Zug, der während unserer Abwesenheit ziemlich gründlich untersucht wurde und fahren langsam aus dem Grenzbahnhof heraus.

Es besteht ein frappanter Unterschied zwischen der Gegend, die wir hier aus dem Fenster sehen und der, die knapp vor einer Viertelstunde zu sehen war. Alles ist sauber, kein Abfall, keine Schuppen, keine Slumbauten - nichts. Alle Rasen sind geschnitten, Wasserläufe sind gefasst und das Wasser darin ist sogar transparent - nicht schwarz und dieselartig, wie sonstwo in Asien. Die Häuser sehen alle ziemlich neu und gut unterhalten aus und dem Verkehr fehlen die sonst so interessanten Exemplare von "knapp noch rollend, aber bis zum Maximum beladen". Je näher wir zum Zentrum kommen, desto mehr sind Hochhäuser von multinationalen Konzernen zu sehen und desto weniger Wohnbauten sind da.

Der Endbahnhof in Singapur ist eindeutig von den Engländern erbaut worden - interessanterweise gehört die gesamte Strecke und das Gebäude jedoch der Malayischen Eisenbahngesellschaft. Wir schnappen uns, nachdem wir ein wenig Geld gewechselt haben (1 CHF = 1.01 Singapur$), ein Taxi und fahren in den Stadtteil, welcher sich "little India" nennt. 

Während der Fahrt sehen wir Singapur und verstehen, warum unsere Eltern hier besonders gerne herkommen: Es ist wie eine kosmopolite Schweiz mit asiatischen Temperaturen. Alles ist geregelt, sauber und funktioniert. Lediglich eine Sache fehlt noch in Zürich: das ERP. ERP steht für "Electronic Road Pricing" und ist eine auf Transponder basierende Strassentaxierungslösung. Jedes Auto und Motorrad hat das Gegenstück, ein kleiner Kreditkartenleser, mit welchem die Strassengebühren automatisch auf der Karte abgebucht wird. (Bei unserem Taxi werden die Gebühren selbstverständlich vom Kartenleser gleichzeitig aufs Taximeter übertragen und dort auf den Fahrtpreis aufaddiert... Dieses System verhindert mit ihren recht hohen Preisen, dass nicht zu viele Fahrzeuge in die Innenstadt von Singapur kommen und dass die Leute die öffentlichen Verkehrsmittel benutzen -> es funktioniert!

Klein Indien verspricht, die günstigsten Unterkunftspreise in Singapur zu haben. Ein Zimmer ohne Nichts gibt's da ab 40 Sing$. Günstig? Naja. Wir mieten uns in einem kleinen, netten Guesthouse ein, dessen Adresse wir in Kota Bharu gefunden hatten und gehen auf Entdeckungsreise in die Stadt.

Was uns als Erstes auffällt, ist die Tatsache, dass die Häuser unterhalten werden. Dies ist ein in Asien fremdes Konzept. Häuser werden gebaut, zerfallen und werden wieder abgebrochen, um neuen Gebäuden Platz zu machen. Das wars. Hier gibt's - wie in der Schweiz - zu viele Regelungen, die einen Neubau erschweren. Zudem ist es ruhig hier. Kein Lärm, sogar die Autos sind lärmmässig die leisesten seit wir in Asien sind.

Was uns aber am meisten auffällt, ist das Fehlen von Kindern. Kinder sind sonstwo in Asien omnipräsent und lockern den Tag mit ihrem Lachen, Lärmen und Spielen auf. Hier: Totenstille...

Wir finden nach einem kurzen Spaziergang entlang leeren Fussgängersteigen den Eingang zur U-Bahn, welche Singapore durchzieht. Gleich beim Eingang werden wir gewarnt, was hier alles verboten ist. Die Liste ist wiederum lang und geht über Essen, Butangasbehälter, skateboarding, lärmen, rauchen bis hin zu übermässigem Lärm. Zahlbar sind zwischen 5000 S$ und 500 S$! Dürfen wir überhaupt eintreten? Vagabunden werden in Singapur mit 500 S$ gebüsst, wenn sie die U-Bahn benutzen wollen. (Wir haben tatsächlich keine Vagabunde in der U-Bahn gesehen. Bei diesen Preisen benutzen sie wahrscheinlich nur Taxis...). Wir lassen uns gleich in die bekannteste Region der Stadt transportieren - The Orchard Road. Hier reihen sich die grossen und berühmten und exklusiven Geschäfte und Boutiquen aneinander. Um Zahlungskräftige Kunden müssen sie sich nicht kümmern, denn Singapur wird als Shoppingmekka von vielen Reisegesellschaften rund um den Erdball angeboten.

An der Orchard Road sieht man denn auch den typischen Touristen, der das erste Mal in Asien ist. Leisure-Outfit mit (weissen, sauberen) Nike Turnschuhen und der obligaten Videokamera um den Hals und der "Singapore Shopping Map" in der Hand, staunend, dass es hier die gleichen Läden wie daheim gibt, alles gleich aussieht, die Leute genauso gut Englisch können, wie daheim und zur gleichen Zeit alles einen Drittel weniger kostet...

Wir können uns natürlich auch nicht mehr halten und leisten uns Essen wie daheim; Salate und Brote, leider für uns zum gut Zehnfachen des Preises, den wir uns für diese Menge Nahrung sonst gewöhnt sind. Aber unsere Europäischen Seelen lassen sich doch nicht gänzlich von Reis & Co. überzeugen...

Die Stadt als solches bietet eigentlich nicht viel von Interesse, wenn man auf einem engen Budget ist. Viele Dinge sind in Unterhaltungsparkähnlichen Zonen untergebracht und kosten Eintritt, viel mehr, als wir uns leisten können. Eine Sache, die aber trotzdem umsonst zu sehen ist, ist das Raffles Hotel. Ein altehrwürdiges Hotel, welches seinen Charme und Kolonialen Stil bis heute hat beibehalten können. Eingelassen wird nur, wer geschlossene Schuhe, Hemd und Hose anhat. (oops.) Der liverierte Türsteher war mit seiner Haltung und Sprache recht klar und von seinem Standpunkt, wir seien nicht dem Dresscode entsprechend angezogen nicht abzubringen. Wir konnten uns aber dann doch noch in den weitläufigen Gärten und angrenzenden Gebäuden & Museen herumtreiben. Das war's dann aber auch schon. Schön, aber nicht ergreifend.

Alles weitere sind nur Zonen, denen man Finanzspritzen zukommen liess und wieder aufmöbelte. Little India sieht nett aus, aber fühlt sich sehr kalt an. Sehr westlich und gepflegt. Keine Ecken, kein Lärm nichts. Die Märkte sind interessant: Wir haben asienweit nach Kopien von bestimmten bekannten Uhrenmarken gesucht und sind hier fündig geworden - zum günstigsten Preis überhaupt. Sonst geht hier ohne ziemlich grosses Budget nichts & Singapur nicht von einer westlichen Stadt zu unterscheiden.

Wir treffen uns mit Singapuri Freunden, welche wir vor einiger Zeit kennengelernt hatten und wir gehen essen. Es gibt tatsächlich noch Restaurants in Singapur, in welchen man für "normale" asiatische Preise Essen bekommt! Gut schmeckte es auch noch dazu!

Interessant war denn auch der Besuch bei Singtel, der staatlichen Telefongesellschaft. Es war wieder mal höchste Zeit, Mails auszutauschen und so ging ich aufs Hauptbüro, denn auch im hochentwickelten Singapur wollte mich in den überall verfügbaren kleinen Telefonbüros niemand den kleinen Computer an die Leitung hängen lassen. Nach einem längeren Hin und Her stellte sich dann heraus, dass es auf dem Hauptbüro eigentlich nicht mehr den Dienst einer Telefonzelle gibt (Was, Sie haben kein Mobiltelefon?), aber das Gerät zum ermitteln der Telefontaxe noch da ist und man an dieses eine Leitung anschliessen könne - Computer, kein Problem hiess es da. Leider stellte sich heraus, dass meine Einwahlnummern für Singapur - auch schon 2 Jahre alt - nicht mehr für das Einloggen zulässig sind. Kein weiteres Problem, denn der Schalter von Singnet ist gleich nebenan. Dort gleich angefragt, gibt's ein paar Nummern, die schnell - leider erfolglos - ausprobiert sind. Als die Frau dann auf ihrer Maschine nachsah, wie viel denn diese neuen Versuche gekostet haben, wird sie sehr ärgerlich und sagt, dass ich Gratisnummern angerufen hätte, und dass sie mir diesen Dienst (das Benutzen der Telefonleitung) unter diesen Umständen nicht mehr anbieten könne! Es gehe doch nicht an, dass ich Singtel ausnütze und schickt mich mit allen meinen Kabeln und Klemmen zum Teufel bzw. der nächsten Telefonzelle. (und nein, Sie lässt nicht mehr mit sich reden!)

Wir hatten schon recht viele Mails geschrieben und wollten diese schon mal wegschicken, nach mehr als zwei Wochen auf der kommunikationslosen Insel. Nebenbei fuchste es mich ja schon, dass ich im Mekka der Telekommunikation nicht mal an eine simple Leitung kommen konnte. Aufgrund der Kostenlosigkeit der Zugangsnummer nahm ich mir vor, mitten in der Nacht (relative Ruhe) zur Telefonzelle bei unserem Guesthouse zu pilgern und dort mittels dem Akustikkoppler eine Verbindung herzustellen.

Ohne Licht in der Zelle wartete ich bis der (danke Dr. Murphy) äusserst lärmige Müllkipper, welcher natürlich genau während des ersten Verbindungsversuchs auftauchte, nach gut 15 Minuten wieder weiterzog. Ich sah bestimmt aus, wie ein Spion, der gerade Nuklearcodes wegsandte, mit all den Kabeln, dem Akustikkoppler und dem unheimlich grünen glühen des Displays. Stolz war ich dann schon, als nach weiteren 10 Minuten alle Mails (und ein Eintrag...) auf dem Weg in die Schweiz waren!

Uns ist Singapur zu teuer. Wir geben pro Tag mehr als das 3-4 Fache aus. Wir sind recht knapp was unser Reisebudget anbetrifft und so entscheiden wir uns, nach Kuala Lumpur zu fahren. Schnell sind die Tickets gekauft und am nächsten Abend soll es dann losgehen. Wir freuen uns wieder auf Malaysia, ein interessantes und vielfältiges Land (Auf die Petronas-Towers sind wir besonders gespannt!)

Wir verbringen die verbleibende Zeit mit Windowshopping und dem Essen von westlichen Dingen, welche wir nicht in Malaysia oder Thailand bekommen werden. Teuer, aber guuuuut! Seeya in Kuala Lumpur!