16. - 22.3.00
Tagebuch Seite 54
Bago - Inlay-See
Stupas, Stupas, Stupas und... Stupas.

Unsere Vermutung, dass die Menschen ausserhalb der Stadt noch viel weniger sich den Anblick eines Touristen gewöhnt sind, bewahrheitet sich während unserer vierstündigen Fahrt nach Bago. Da wir mit einem lokalen Transportmittel unterwegs sind, halten wir durchschnittlich jeden Kilometer, um Leute aufzunehmen (noch mehr Leute? Ja, ja!), Benzin zu kaufen oder ... wasauchimmer - der Fantasie sind für Gründe, die einen Halt wert sind, keine Grenzen gesetzt! Jedes mal sind innert Sekunden Kinder zur Stelle, die jede Art von Esswaren und Getränke verkaufen, die ein Reisender benötigen könnte. Unsere Anwesenheit war natürlich nicht besonders Verkaufsfördernd, denn die Kinder (natürlich auch die Erwachsenen) waren ganz von unserer Präsenz eingenommen und nicht daran interessiert, Waren zu verkaufen. So kam es, dass wir jedes mal von einer Traube Kinder umringt waren, die uns anstarrten und zu kommunizieren versuchten.

In Bago, einer kleinen, staubigen Stadt an der Strasse nach Mandalay, steigen wir aus und haben sofort eine Menge neuer "Freunde". My Friend, komm doch mein Hotel ansehen... Die Konkurrenz ist gross, die Preise angepasst und die Qualität der Zimmer für asiatische Verhältnisse ungeschlagen. Wir entscheiden uns für ein Zimmer in einem alten, zerfallenden kolonialen Gebäude, welches vor Ambiente nur so trieft.

In der Umgebung von Bago gibt es dutzende Orte, die einen Besuch Wert sind: Liegende Riesenbuddahs, riesige/alte/wunderschöne Stupas und sonstige Sachen. Leider kommt aber dabei für den Touristen kein Spass auf, denn für den Einlass in jedes Gelände werden von Touristen harte Dollars (FEC's) verlangt. Zusammengerechnet wären das für alle Orte, die man locker an einem Tag besuchen kann ca. 25 USD oder fast 41 Franken pro Kopf - nicht mit uns! Dieses Geld kommt nur zu einem verschwindend kleinen Anteil den Köstern oder Archäologischen Fundorten zugut, der Löwenanteil fliesst in die Kassen einer Regierung, die ihre Bürger unterdrückt und den wirklich grossen Anteil ihrer Dollars mit Drogenhandel macht. (z.B. Über 60% des Heroins der Welt kommt aus Myanmar).

Wir treffen einen Mönch, der uns ermöglicht, gewisse Stupen und Kloster ohne Eintrittsgebühren zu sehen. Er zeigt uns diese und erklärt mit viel Hintergund die geschichtlichen und religiösen Dinge, reagiert jedoch sehr ausweichend auf jegliche Fragen betreffend der Regierung oder der aktuellen Situation. Als wir kilometerweit von irgendwelchen offiziellen Gebäuden sind, führt er uns in ein Bambushüttchen, um mit uns Tee zu trinken. Hier, verkündet er, könne er frei reden. Die Leute hier seien seine Freunde und er könne sicher sein, dass er nicht von Spionen der Regierung umgeben ist. Ob die Situation wirklich so schlecht sei, wollen wir wissen. Ja, nur vor einigen Monaten seien Mönche verschwunden, welche eine etwas zu offene Haltung gegen die Regierung gezeigt hätten... Nach einem sehr "erleuchtenden" Gespräch mit dem Mönch in diesem "abhörsicheren" Hüttchen, war es bereits Nacht geworden. Wir wurden von ihm eingeladen, in sein Kloster zu kommen, wo die Vorbereitungen für ein grosses, landesweites Vollmondfest getroffen werden. Wir hatten uns sowieso gefragt, ob es denn hier normal sei, dass zu jeder Stunde des Tages und der Nacht über grosse Lautsprecher Buddahgesänge über's Land verteilt werden. Nein, das sei nicht normal, meinte unser Mönch und geleitete uns in die Haupthalle der Pagode, wo 6 Mönche jeweils eine Stunde lang Texte aus den Inschriften lasen/sangen, 24 Stunden pro Tag, bis Mitternacht am Tage des Vollmondes, nach welcher die Menschen aus den umliegenden Dörfern ein eigenes, grosses Fest starten würden. Nach weiteren - nicht ganz so offenen - Gesprächen war es bereits schon recht spät geworden und wir liessen uns von einem Schüler des Mönches, der ohne unser Wissen just für den Zweck gerufen worden war, mit seiner "Trishaw" (Fahrrad mit Seitenwagen) wieder zurück ins Dorf fahren.

Dreieinhalb Stunden von Bago weg liegt der so genannte "Golden Rock" (Kyaikhtiyo Pagoda), ein grosser Findling, der auf einer Bergspitze liegt und aussieht, als ob er jeden Moment herunterfallen würde. Wir mieten uns ein Auto und fahren auf einer sukzessiv schechter werdenenden Strasse bis an den Fuss des Berges. Dort müssen wir auf die Ladefläche eines Lastwagens umsteigen, wo auf kleinen, handgezimmerten Bänkchen bereits gut zwei dutzend Leute auf die Abfahrt warten. Wir zwängen uns mit unseren grossen Körpern, die überhaupt nicht an die Grösse dieser Bänkchen angepasst ist, auf die Ladefläche und irgendwie zwischen die Leute. Zum Glück befindet der Fahrer nach nur weiteren 10 Minuten und 10 Leuten zusätzlich, dass nun genügend Leute da sind, um abfahren zu können.

Die halbstündige Fahrt zum ersten "Camp" kann am besten mit den Wort "festhalten!" umschrieben werden. Der vierradgetriebene, russische Geländetruck hat Mühe, uns das 20-25% steile Holpersträsschen hochzufahren. Manchmal haben wir fast das Gefühl, dass der Fahrer richtig vorsichtig sein muss, um die Vorderräder auf der Strasse behalten zu können...

Beim Camp angekommen, müssen wir den Rest - ca. 700 Höhenmeter - zu Fuss bezwingen. Für die ganz Faulen stehen Sänften zur Verfügung, mit welchen man ohne weitere Anstrengungen bis zur Gipfelpagoda getragen wird. Es ist zwar irrsinnig heiss, aber wir entscheiden uns, es doch zu Fuss zu wagen, da 5 FEC pro Kopf uns doch ein bisschen gar zu teuer vorkommt. 

Ein paar dutzend Höhenmeter vor der Spitze kommen wir an den Eingang der Pagode und müssen dort die Schuhe ausziehen. Von da an geht's barfuss auf einem sehr heissen Boden bis zur Plattform, von welcher aus man auf den Vorsprung mit dem Findling gelangen kann. Die Sicht ist beeindruckend: Weit herum fällt der Berg ab und man könnte, schönes, klares Wetter vorausgesetzt, weit ins Land blicken. Der Findling selber ist golden, mit einer kleinen, aufgesetzten goldenen Stupa und liegt nur auf einer verschwindend kleinen Fläche auf dem Felsvorsprung auf. Gemäss der Sage wird dieser Stein durch ein Haar Buddahs im Gleichgewicht gehalten - fast könnten wir das glauben, so fragil sieht das Ganze aus. Frauen haben übrigens keinen Zutritt zum Felsen, wo Männer Goldblatt auf dem Fels aufbringen können, um diesem Fels die Ehre zu erweisen. Ich tat es auch. Keiner wird mir das glauben, aber beim Auftragen des Goldes drückte ich gegen den Fels und meinte zu spüren, wie er sich bewegte.

Dieser Fels ist aber nicht der einzige auf diesem Berg. Burmesen glauben dass, um bessere Chancen im nächsten Leben zu haben, es reicht, möglichst viel für Pagoden oder Stupas zu spenden, um ihre Sünden zu tilgen. Das dies ein weitverbreiteter Glaube ist, zeigen nicht nur die ausnahmslos vergoldeten Findlinge auf diesem Berg, sondern auch die unzähligen Stupas auf dem Lande und unterwegs.

Ein guter Buchtip, der Burma heute wie auch in der Vergangenheit sehr schön beschreibt und eine gute Idee des Landes gibt ist "Burmese Days" von George Orwell. Über's Neujahr 2000 gelesen, hat uns dieses Buch erst richtig Appetit auf Myanmar gemacht.

Wieder in Bago angekommen, entscheiden wir uns, der Hitze zu entfliehen und in die Berge zu fahren. Dort soll es, gemäss den Leuten hier, wesentlich angenehmer sein als hier. Bei 38-40°C am Tage und 30°C+ in der Nacht kann das Schlafen in einem Zimmer ohne Aircon recht mühsam sein! Doch es ist recht schwierig, die Aircon überhaupt zu benutzen, denn das Stromnetz hier ist besonders schlecht: Alle 1-2 Stunden geht das Stromnetz komplett in die Knie und sonst liefert es ständig schwankende 45-260 Volt. Das ist insofern kein Problem, solange nur Glühbirnen angeschlossen sind. (Es sah aus, als würde dauernd jemand mit einem Dimmer herumspielen) Jeder Kühlschrank, jede Aircon und jedes TV-Gerät jedoch benötigt einen so genannten "Safeguard", der die Spannung misst, und bei Unter- bzw. Überspannung die Leitung kappt, damit das Gerät nicht beschädigt wird. Geräte mit einem Kompressor haben zusätzlich eine Verzögerungsschaltung, damit das Gerät 5 Minuten Ruhe hat, bevor es wieder anläuft. Wir haben am ersten Abend kaum was von unserer Aircon gehabt, da das Netz es die Nacht hindurch nicht schaffte, während mehr als 5 Minuten innerhalb von 175-240 V zu bleiben. Meist dröhnte eh der Hotelgenerator, um bei Totalausfall mindestens die Deckenventilatoren und das Licht zu überbrücken.

Wir fahren bei wiederum 35°C+ in Bago am Nachmittag ab. Die Strasse und der Fahrstil des Busfahrers werden, als wir in die Nacht hinein fahren zunehmend schlechter. Wir fahren eine kleine, sich in die Berge hochwindende Strasse hinauf und haben nicht wenige Male das Gefühl, dass der Bus nun endgültig die Kurve nicht schaffen wird und uns in den sicheren Tod mitreissen wird. Wie so oft überholt auch hier der Fahrer, voll auf seinen Schrein und Amulette vertrauend, blind in einer Kurve. Dass diese Amulette wirklich was wert sind, erweist sich durch die Tatsache, dass wir immer noch am leben sind!

Die Leute in Bago hatten nicht zuviel versprochen. Als wir am nächsten Morgen in Nyaungschwe ankommen, frieren wir uns fast die ... ab und in den Hotels bekommen wir richtige, schwere Decken für die Betten. Das ist für uns eine recht ungewohnte Sache, denn in der Regel ist bei den Temperauren in diesen Breitengraden überhaupt Etwas zum zudecken zuviel! Die Temperaturen sind sehr angenehm und die Stimmung ist richtig friedlich. Viele kleine Essstuben und Plätze zum Verweilen. Zusätzlich ist jetzt Festzeit und die Birmanen geben sich dem Glückspiel und den Vorstellungen der Gaukler hin. Uns gefällt Myanmar sowieso zunehmend, da die Leute hier mit ihrer simplen Lebensweise mit viel einfacheren Dingen bereits zufrieden sind und die Leute in der Regel viel fröhlicher sind, als sonstwo in Asien. 

Nyaungschwe liegt nicht direkt am Inlay See, denn dieser ist umgeben von einer Art Naturschutzzone. Der See selber ist an keinem Punkt tiefer als 3 Meter und fast durchgehend von Seegras zugewachsen. Um den See schiffbar zu machen, müssen die Leute hier unter grossen Anstrengungen Schifffahrtswege freimachen. Die Sicht, die sich daraus ergibt, ist recht interessant: In der Wasser/Gras Landschaft des Sees sind Fahrtrinnen mit Kreuzungen, Abzweigungen und "Ausfahrten". 

Nachdem wir beim lokalen "Foreign exchange collection committee" pro Kopf 3 USD für den Zugang zum See bezahlt haben, fahren wir mit einem gemieteten Boot über den See und sehen sogleich das wirklich interessante "Feature" dieses Sees - Die eigenwillige Art des Ruderns der Fischer hier: Das Beinrudern. Um die Hände für's Fischen freizuhalten, klemmen die Fischer das Ruder unter den Arm, umfassen es weiter unten mit dem Fuss und rudern in einer kreisförmigen Bewegung. Es sieht einfacher aus, als es ist - die Balance zu halten ist verteufelt schwer!

Der Rest der Sehenswürdigkeiten am See sind leider schon von den vielen Tourgruppen "zerstört" worden - jede Haltestelle (Dorf/Kloster/Stupa/Weberei etc.) hat immer gleich auch eine Ansammlung von Ständen und Läden, welche die immergleichen "lokalen & echt antiken" Produkte zu astronomischen Preisen anbieten. Kinder kommen zu hauf und wissen genau, was sie wollen: "Bonbon", "Stylo", "Money" oder einfach "Present". (Keine Kyat, bitteschön: USD sollten es schon sein!! Na danke!)

Wirklich interessant war dann aber das "Kloster der springenden Katzen", denn abgesehen von den trainierten Katzen, die auf Kommando eines Mönches durch einen Reifen auf einem Meter Höhe springen, sind die kleineren Beobachtungen in diesem Kloster nicht minder interessant... Auf einer Art Sofa liegt mit Fusstützen der "Abt" des Klosters und nimmt die Darbietungen der Gläubigen (Geld/Essen) entgegen. Mit einigen Worten entlässt er sie wieder. Er sieht aus wie ein Schah und zieht sich nach nur einigen Gläubigen wieder zurück - um zu ruhen. Louis Vuitton hatte vor einigen Jahren just an diesem See Werbefotos für seine Taschen gemacht und in einigen der Fotos waren Mönche dieses Klosters dabei. Zudem lesen die jungen Mönche amerikanische Propagandazeitschriften. Man stelle sich nun dieses Kloster vor: neben den üblichen Goldverzierten Buddahstatuen hängen in Bildrahmen Louis Vuitton-Werbeposter und die vor den Statuen lümmelnden Mönche, umgeben von unzähligen Katzen, lesen Zeitschirften mit dem Titel "The Battle for Democracy - USA vs. Cuba". Kann man sich kaum vorstellen - hingehen: sehen!

Nyaungschwe ist ein solch angenehmes Dorf, mit noch angenehmeren Temperaturen, dass wir uns entscheiden noch einige Tage hier zu bleiben. Unsere nächste Destination ist ein noch kleineres Dorf namens Kalaw, wo wir in den Berge wandern wollen.