12. - 6.3.00
Tagebuch Seite 53
Myanmar (Burma)
Yangon: First contact

Ein bisschen schwer ums Herz wurde uns ja schon, als wir unsere Wohnung auflösen und uns bei der Vermieterfamilie verabschieden. Gleichzeitig sind wir kribelig, denn heute geht es wirklich los: Abflug 16.15 mit Bangladesh Airways. Wir können es kaum fassen. Mit dem Bus zum Flughafen und bald schon checken wir unseren Rucksack in dieser für uns inzwischen recht fremden high-tech Flughafen-Welt für den Flug nach Yangon ein.

Bald darauf sitzen wir im kleinen Flugzeug und sehen uns vor dem Abflug das Sicherheitsvideo in Hindi und Englisch an. Obwohl sicherlich alles i.O. war, fielen dem leicht paranoiden Reisenden zwei kleine Sachen auf: Ein Handgepäcksfach liess sich nicht schliessen und reagierte auch nach Gewaltanwendung durch das Kabinenpersonal nicht kooperativ (während gleichzeitig im Video gezeigt wurde "For your safety: please keep the overhead bins closed during the trip")... Unsere Augenbrauen hoben sich nicht schlecht ob folgendem Spruch des Kapitäns, während wir auf der Rollbahn auf den Abflug warten: We will arrive in Yangon - Insch'Allah - at 16.55. ("Allahs Wille gegeben, kommen wir in Yangon um 16.55 an...") 

Allah war wohlgestimmt - wir landeten ohne weitere interessante Beobachtungen in Yangon. Genau ein Gebäude gross und mit einer "Parkfläche" für zwei Flugzeuge gehört dieser Flughafen nicht gerade zu den grössten, aber bestimmt zu den eigenartigeren. Moderne Rauchglasarchitektur mischt sich nahtlos mit kopierten goldenen asiatischen Tempelverzierungen - interessant.

Die "Ankunfts- und Abflugshalle" beherbergt neben den üblichen Grenz- und Zollkabäuschen mit den üblich asiatisch äusserst wichtig aussehenden, jedeoch im gleichen Masse apatischen Beamten diesmal einen weiteren Schalter, der "FEC - exchange" heisst. Hier muss jeder, der nach Myanmar einreist, 300 US-Dollar in so genannte FEC ("Foreign Exchange Certificate") zwangswechseln. Dieses "Geld", welches "für den Fremden in Myanmar das Zahlen wesentlich einfacher gestaltet" und aussieht wie Monopoly-Geld, ist in Theorie gleich viel Wert wie die US-Währung und frei konvertierbar. Keine Haken an der Sache? Klar doch!...dazu später.

Nach unserem ersten Kontakt mit dem restiktiven Regelwerk, welches die Regierung aufrechterhält, machen wir uns auf, aus dem Flughafen zu kommen. Wir werden von einer Traube Taxifahrer empfangen, die allesamt uns für 3-4 USD in die Stadt fahren wollen. Was uns erstaunt, ist das unglaublich gute Englisch der Leute hier. Nach einigem Hin und Her finden wir doch noch einen Sammeltransport, der uns für einen halben Dollar in die Stadt bringt -> Geduld zahlt sich doch meist aus, auch hier wieder! Bis wir nach längerem Suchen ein Hotel unserer Wahl gefunden haben ist bereits die Sonne untergegangen und wir auch ziemlich geschafft. Morgen geht's auf Entdeckungsreise in die Stadt!

Yangon "fühlt" sich nicht wie Südost-Asien an. Die Strassen sind gesäumt von kleinen Händlern mit ihren Ständen, die lauthals ihre Waren anpreisen. Die Menschen sehen mit ihren grossen Nasen, rundlicher, kleiner Gesichtsform und dunkler Haut eher nach Indern aus, als Asiaten. Das Essen und die intensiven Gewürzgerüche, die überall anzutreffen sind, fügen sich harmonisch in das Bild. Männer tragen hier fast ausschliesslich einen Wickelrock, der sich sinnigerweise "Lougi" nennt - bei den Temperaturen, welche hier herrschen, eine sicherlich sinnvolle Sache. Die Architektur der Innenstadt hält viele interessante kleine Details zum Beobachten bereit, speziell interessant sind die langsam dem Zerfall anheim fallenden Gebäude aus der englischen Kolonialzeit. Wir finden Gefallen an diesem bunten, andersartigen Treiben hier in der Stadt. Ob uns demzufolge Indien gefallen würde? Etwas zu global, was?

Die FEC's sind für die normalen Ausgaben während des Tages nicht geeignet, denn die kleinste Note (1 USD) würde uns bereits 7 Flaschen Cola oder mehrere Essen kaufen und die Händler haben grundsätzlich kein Wechselgeld in FEC. Scheine über 1 USD haben sowieso keine Chance. Damit wir nicht verhungern, wechseln wir einige FEC in die lokale Währung Kyat, gesprochen "Tschat", um. Die Burmesische Währung lässt mein Notensammlerherz höher schlagen und stellt mit ihren Denominationen eine interessante Aufgabe für Rechenkünstler dar. Zur Verfügung stehen die Noten 1, 5, 10, 15, 45, 50, 90, 100, 200, 500 und 1000 Kyat in ganz alter, jüngerer und (leider nicht alle Noten) aktueller Serie. Wie wär's mit z.B. eine Rechnung von 135 Kyat mit 2 Noten zu bezahlen? Cool, nicht? Auf jeden Fall fördert es das Kopfrechnen ungemein...

Das Wahrzeichen Yangons ist die "Schwedagon" Pagode mit ihrer grossen Stupa, den unzähligen Buddahfiguren und dutzenden kleineren Stupas. Man kann sich der Stupa von vier Seiten her nähern (Touristen werden dabei 5 (!!) FEC-USD für den Zutritt abgeknöpft) und kommt dann in den inneren Kreis um die grosse Stupa. Die ganze Stimmung um dieses Wahrzeichen, mit all den Gläubigen, die vor ihrer ganz speziellen Figur meditieren oder beten, den Gesängen der Mönche und der schieren Grösse des Ganzen lässt einen einfach auf den Boden sinken, um mit verschränkten Beinen das Ganze in Ruhe in sich aufnehmen zu können. Soviel zu sehen und zu beobachten oder mit geschlossenen Augen zu hören!

Der Buddismus hier sieht anders aus und fühlt sich anders an als überall bisher. Den "Wat" (Haus rund um Buddahfigur) gibt es hier als solches nicht. Die Pagode versteht sich als das "Service-Gebäude" und/oder "Figurüberdachung" um oder unter die Stupa (Konusförmiges Gebilde, meist golden mit reichhaltiger Verziehrung und einem "Schirm" an der Spitze aus Gold und Edelsteinen). Meist, aber nicht immer, ist irgendwo auf dem Gelände, oder in der Nähe ein "Kloster" für die Mönche, welche das Gelände "instand" halten und dort meditieren. Trotz einer Dominanz des Buddhismus sind alle anderen grösseren Religionen mit ihren Gotteshäusern (Christen, Anglikaner, Evangelisten, Muslime) oder Tempeln (Hindu, Chinesische Ahnenkulte) vertreten und geben der Stadt so noch mehr Charakter. 

Die Stadt ist recht grün und liegt auf einer hügeligen Landschaft. Für uns eine willkommene Abwechslung nach dem ewigen Flach von Bangkok. Wir haben uns gefragt, warum eigentlich die Burmesen auf der rechten Seite fahren, obwohl doch die Briten hier waren? Sind sie immer auf der rechten Seite gefahren? Nein. Die Briten führten Linksfahren ein, als dann aber der Wahrsager des damaligen Machthabers ihm einen nahen Tod bei einem Verkehrsunfall auf der LINKEN Seite der Strasse voraussagte, liess dieser sofort landesweit die Fahrtrichtung ändern...er sollte eines natürlchen Todes als alter Mann sterben. Man kann aufgrund der Tatsache, dass alle Autos noch heute ihr Steuerrad auf der rechten Seite haben, nur vermuten, dass die Autofahrer darauf vorbereitet sein wollen, sollte die Fahrtrichtung denn wieder mal wechseln...

Die Unterdrückung der Leute durch das Regime ist nicht offen ersichtlich. Man wird trotzdem immer wieder durch die Leute mit denen man ins Gespräch kommt, daran erinnert, dass die Burmesen (Myanmaris, Myanmaren?) schwerst kontrolliert werden und dass eine freie Meinungsäusserung nicht erlaubt oder erwünscht ist. Nicht immer sind die Äusserungen so krass, wie die eines Taxifahrers, mit dem wir eines Nachmittags fuhren: "The Burmese people want to assassinate their leaders ... but how can we kill them [the leaders] if they take all the weapons from us?"

Was wirklich schön ist, ist die Tatsache, dass die Leute anscheinend noch nicht zuvielen Touristen ausgesetzt gewesen sind. Alle Gesichter lächeln, überall wird man mit einem freundlichen Gruss empfangen und die Gespräche sind meist noch ohne finanzielle Interessen - und das in der Hauptstadt! Wie wird es denn erst, wenn wir ins Land fahren?

Die Tage fliegen nur so dahin - sehr einfach, wenn man täglich gutes Curry zu sich nehmen kann - trotzdem entschliessen wir uns weiterzuziehen, damit wir noch etwas vom Land sehen können. Unser nächstes Ziel ist eine kleine Stadt namens Bago. Wir reisen im Pickup - überfüllt bis an die maximal mögliche Grenze, welche nur bei der Kreativität des Fahrers, noch mehr Leute und Waren hinten in die Kabine, auf die Kabine oder an die Kabine zu plazieren, zu verstauen bzw. daran zu befestigen liegt. Unser (kleines) Gefährt führt 35 Personen und ca. 5 Kubikmeter Fracht mit sich mit und lässt sich dementsprechend steuern, was dem Fahrspass jedoch keinerlei Abbruch tut.