4. - 11.9.99
Tagebuch Seite 48
Penang - Tropischer Sturm und Überschwemmungen

Am nächsten Morgen um 7 Uhr an einem Bahnhof kurz vor der Malayischen Grenze stiegen wir aus unserem Wagen aus. Mit leichtem Nebel im Kopf blinzeln wir in die aufgehende Sonne und beobachten das geschäftige Treiben auf dem Bahnsteig, als plötzlich aus den Bahnhofslautsprechern eine Durchsage ertönt (die für uns nicht anders klingt, als all die Anderen der letzten Minuten) und alles steht still. Still! Keiner rührt sich, keine Gespräche mehr, kein Lärm - alle sind stehengeblieben, wo sie gerade waren und warten, als hätte jemand den Film angehalten! Diese äusserst surreale Situation dauerte noch einige Sekunden an, bis aus den Lautsprechern dann die Nationalhymne erklang. Speziell interessant war dann der Augenblick, als sich dann die ganze Menge wieder in Bewegung setzte und der Asien-typische Lärm wieder begann. - Wow! Mitsingen ist übrigens erlaubt.

Die Grenze und Fahrt bis nach Butterworth waren einfach und uninteressant. Stempelchen da, Stempelchen dort - nein, bitte keine neue Seite bestempeln, sonst müssen wir zu allem hin noch einen neuen Pass beantragen! Zum ersten Mal während unserer ganzen Reise fragt uns ein Zollbeamte, ob wir Alkohol dabeihätten (und schnüffelt nicht an unserem Shampoo herum). Ja, sagen wir: eine angebrochene Literflasche Gin, welcher gemischt mit Tonic, Eis und Zitrone unsere Malariaprophylaxe :) und allheilendes "Traveltonikum" darstellt. In Butterworth, einer kleinen, unbedeutenden Industriestadt und um so grösseren Seehafen, steigen wir dann aus dem Zug und folgen den Tafeln, bis wir am Fährterminal sind und auf die Abfahrt der Fähre auf die Insel Penang warten. Die Überfahrt dauert 30 min und von Weitem schon grüssen uns an der Nordküste die hohen und hässlichen Betonklötze der Hotelresorts. Nach der Ankunft finden wir in der "Altstadt" recht bald ein nettes Guesthouse, in welchem wir uns einmieten.

Es ist Freitag, gemäss unserer Uhr kurz nach 3 Uhr und unser Ziel ist es, möglichst schnell an unser Visa zu kommen, damit wir noch eine Woche lang entlang der Westmalayischen Küste langsam Richtung Thailand reisen können. Die Visa-Sektion des Konsulats hat bis 16.00 geöffnet - sollte doch problemlos reichen, oder? Täte es auch, wenn wir nicht an der Grenze wieder einmal eine Zeitzone zu Fuss überquert hätten - Es ist also schon vier Uhr und somit schaffen wir es ganz bestimmt nicht mehr.

Wir beginnen die kleine Stadt Penang zu erkunden und entdecken, dass die ganze Innenstadt noch im kolonialen Stil steht. Leider (oder zum Glück) hatten die Leute hier keine Zeit oder kein Geld, die Häuser zu renovieren und so ergibt sich ein sehr schönes "vergangener Glanz"-Ambiente. Jedes dieser zweistöckigen Häuser, welche Strassenzugweise gleich sind, hat im unteren Teil einen Laden oder ein kleines Business, während im oberen Stockwerk die Besitzer leben. Was aber das Ganze erst speziell macht ist die Tatsache, dass man Penang ob den ganzen chinesischen Zeichen mit einer Stadt in China verwechseln könnte. (Obwohl jeder, der in China war weiss, dass es diese Art Zusammenstellung von Architektur längst nicht mehr gibt) Jeder Laden, jeder Service wird zuallererst in Chinesisch, dann in Hindi (!!) und erst an dritter Stelle in der Landessprache Malay beschriftet. Englisch findet man nur an Orten, welche für Touristen gedacht sind. Das ist aber kein weiteres Problem, denn Malay ist recht "lesbar". Unsere Buchstabend benutzend bedient sich die Sprache vieler Lehnwörter aus dem Lateinischen und Englischen. So dürfte es jedem klar sein was "Syampu", "Ekspres", "Teksi", "Konsert" oder "Seriff" heisst, oder?

Was uns besonders gut gefällt, sind die unzähligen muslimischen, indischen und chinesischen Strassenrestaurants, wo man äusserst günstig besten Food zu sich nehmen kann. Wir entdecken für uns einen kleinen, offenen Laden, wo wir bei einem lebhaften Inder auf 60er-Formica-Tischchen beste Curries bekommen und schwören uns, jeden Tag mindestens einmal zu kommen. (Es gibt keine Worte, welche passend diese Curries beschreiben können - wir sind durch unsere indischen Freunde in der Schweiz weiss Gott verwöhnt und wissen, wie Curry schmecken sollte...) Während wir beim Essen sind, im Hintergrund aus dem Radio ein Prinz in Hindi seiner Prinzessin in einem ultraschnulzigen Lied seine Liebe gesteht, beginnt der Muezin über die Lautsprecher der Minarette die Gläubigen der Stadt zum Gebet in die Moschee zu rufen. Genau jetzt kommt das Gefühl endgültig rüber, in einem Muslimischen Land zu sein. Nur in Penang gibt es dermassen viele Chinesen, deren Frauen nicht bedeckt sind, dass es sonst kaum auffällt. Diese Tatsache hält aber kaum die Ladenbesitzer davon ab, die Läden am Freitag, ihrem heiligen Tag, zu schliessen. Wir hatten uns eh' schon gefragt, ob hier denn die Wirschaft total zusammengebrochen ist, denn mehr als die Hälfte der Läden war bei unserem kleinen Rundgang geschlossen.

Nachdem wir uns morgens vom Muezin wecken liessen - markerweichend diese Töne, wenn der Lautsprecher nur 50 Meter Luftlinie weg ist -  hatten wir uns vorgenommen, die Stadt und die umliegenden Hügel und botanischen Gärten zu erkunden, jedoch setzten die aufziehenden Wolken und der kurz darauffolgende schwere Regen dem ganzen Vorhaben Grenzen. Auf jeden Fall fühlen wir uns hier in Malaysia fast schon in einer ZU zivilisierten Welt, denn hier gibt es 1. markierte Parkplätze (!) 2. Parkuhren (!!) 3. Autofahrer, welche diese auch füttern (!!) 4. Rotlicht-Blitzgeräte (!!!) und last but not least: Polizisten, welche BUSSEN (!!!) verteilen. All diese Dinge sind uns schon vom Konzept her dermassen fremd geworden, dass wir wahrscheinlich wie zwei "Depperte" dortstanden und kopschüttelnd einander sagten, wie unglaublich doch Parkuhren und das Konzept dahinter seien.... Anyway - wir fühlten uns etwas "Überwacht" und fanden das Ganze etwas "Überorganisiert" und freuten uns schon dann wieder auf "mai pe lai" (ist egal, no problem) Thailand. (und sehnten uns insgeheim wieder nach Vietnam oder Laos, wo alles weniger reguliert und die Polizei - wenn überhaupt anwesend - bestechbar oder schlicht uninteressiert ist...) Auch das Malaysische Geld unterstreicht den fortgeschrittenen Stand des Landes: Seit 1997 im Umlauf, sieht es den neuen Schweizer Noten erschreckend ähnlich. Die meisten Sicherheitsmerkmale, welche von blossem Auge erkannt werden können, kann man bei den Schweizer Noten auch finden - auch das grundlegende Design ist modern und kann sich mit jeder "Westlichen" Währung messen. Einzig und allein die Motive, welche dargestellt werden, sind etwas komisch: Satelliten und Funktürme, Eisenbahnen und Containerschiffe, Flugzeuge und Autoassemblagenroboter - jedes sozialistische Land würde den Malayen das Design liebend gerne abnehmen, denn diese Regierungen stehen extrem auf solche Dinge, da sie den "wissenschaflichen" Fortschritt des Landes nach marxistisch-leninistischem Vorbild aufzeigen (oops, bin ein bisschen abgeschweift, sorry!).

Überall in der Stadt findet man neben den Chinesischen und Indischen Referenzen auch jede Menge Englische. Für Andrew war es eine sehr natürlich wirkende Sache, entlang der "Campbell Road" Richtung der "Buckingham Avenue" zu schlendern und eine Frage, die sich uns in diesem Zusammenhang ergab, war wo denn wir noch hinreisen müssen, um einen "Pfammatter Boulevard" zu finden...

Der Regen lässt nicht nach, sondern "gibt gas" (sofern es überhaupt möglich ist, mehr zu regnen) . Wir haben bestimmt jede Art von Monsunregen schon miterlebt, aber dieser hier ist mit nichts vergleichbar. Zudem hat dieser Regen nicht die Eigenschaft, nach einer halben Stunde wieder aufzuhören - was eigentlich normal wäre. Wir bleiben im Guesthouse und bewegen uns nicht mehr weit. Abends stellen wir dann fest, dass unser Curryladen geschlossen hat! Das darf doch nicht wahr sein! Wir nehmen mal an, als der Inder gesagt hat, dass wir wiederkommen sollten, es für den Sonntag gemeint war. Diese Tatsache - so traurig sie auch sein mag - ist jedoch kein grösseres Problem, denn unser Guesthouse ist, wie gesagt, mitten in der Altstadt und die Aufgabe, einen anderen Essensstand zu finden birgt bloss "die Qual der Wahl".

Während der Nacht regnet es dann dermassen stark, dass der Regen ins Guesthouse dringt und wir unsere Betten verschieben müssen. Der Regen lässt auch am nächsten Tag nicht nach und "unser" Inder öffnet auch heute seinen Laden nicht. Wir gehen wiederum auf einen kleinen Rundgang, sind jedoch bereits nach einigen Minuten trotz Regenschutz bis auf die Knochen nass, da nun der Regen dank aufgekomenen Wind nicht mehr gerade vom Himmel fällt. Wir kaufen uns Tonic und machen es uns auf dem Balkon des Guesthouses mit unseren Büchern bequem und harren der Dinge, die da noch kommen mögen.

Der Sonntag vergeht ohne grössere Abweichung, was die Niederschlagsmenge und unserem Tagesablauf betrifft - Nicht dass wir uns beschweren würden: Chinesische nondescript-Fischball-Suppe zum Frühstück, Tandoori oder Roti oder Nasi wasauchimmer (Nasi=Reis) mittags und abends -> die schiere Auswahl ist überwältigend. Die Malaysische Touristeninformationsstelle, welche eine Karte von Malaysia ausgibt, beschreibt Penang als einen Ort mit "exeptional Food" - so isses!

Wiederum nachts werden unsere Betten ob dem Regen, der den Weg in unser Zimmer findet, feucht. Die Regenmengen sind unglaublich: Zeitweise können wir keine 30 Meter weit aus dem Fenster sehen und von Schlaf kann keine Rede sein.

Dafür lacht uns am nächsten Morgen ein blauer Himmel und eine warme Sonne entgegen und unser Inder hat geöffnet. Während wir unser "Frühstückscurry" verspeisen, (ohne Besteck, nur mit der rechten Hand, denn was macht man mit der Linken? - Richtig, die "hygienischen" Funktionen und darum hat diese Hand im Essen nichts zu suchen) erklärt er uns, dass er eigentlich jeden Tag geöffnet hat. Nur hatte seine Familie und sein Haus beim Tropischen Sturm "Magda" pech: es wurde überschwemmt und seine Familie brauchte ihn dort. Die "New Straits Times" bestätigt dann die Geschichte: "Magda" brachte schwere Überschwemmungen und Erdrutsche nach Penang und umliegende Küstengebiete.

Wir geben unsere Pässe beim Konsulat ab und können sie am nächsten Tag bereits schon wieder abholen kommen. Mit dem schönen Wetter als Triebfeder nehmen wir die Stadtbusse und erkunden die nähere Umgebung. Ausser noch mehr blendender Gelegenheiten, sich den Bauch vollzuschlagen und einem Einkaufszentrum namens Komtar mit einem 60 Stockwerke hohen Turm, in dessen 58. Stock ein Toristenzentrum eingerichtet wurde, gibt es nicht besonders viel zu "sehen". Die Strände sind uns zu weit weg und auch zur Zeit nicht die besten Orte zum hingehen, denn der Sturm hat anscheinend viele der Hütten (und Guesthouses) am Strand zerlegt und in die Betonklötze wollen (und können) wir uns nicht einmieten. Wir kaufen uns am gleichen Nachmittag die Zugtickets zurück, weil wir wieder nach Bangkok wollen. Unser Geld ist dermassen knapp, dass wir äusserst schnell an einige Fränkli kommen müssen und in Bangkok haben wir einige "alternative Verdienstmöglichkeiten"-Süppchen am kochen. Je schneller wir wieder dort sind, desto schneller wissen wir, ob wir wieder zurück in die CH müssen, oder es noch einige weitere Tage reicht.

Wir bekommen das Visa ohne weitere Probleme ausgestellt und geniessen am Abend wiederum ein wunderbares Mahl bei "unserem" Inder. Als wir da so sitzen, sagen wir einander: "Wird eine recht lange Zeit sein, bevor wir wieder solchen Food bekommen, nicht?". "Schon wahr", lautet unsere Schlussfolgerung. "Was für einen Unterschied machen 2-3 weitere Tage hier auf Penang denn schon aus?", fragen wir uns. "Es ist doch überhaupt kein Problem, das Zugticket um diese Zeit zu verschieben", stellen wir fest. - Gesagt, getan: wir bleiben nochmals zwei weitere Tage, nur des Essens wegen!

Auch diese weiteren zwei Tage vergehen im Fluge und die Zeit ist gekommen, uns wieder auf den Weg Richtung Thailand zu machen. Wir steigen in Butterworth am Nachmittag ein, um erholsame 22 Stunden später wieder die heisse und dicke Luft von Bangkok einzutauchen, welche unsere Morgenluft darstellt, die wir schnuppern sollten. Wir haben noch Geld für zwei weitere Wochen hier, wenn wir's ganz knapp planen vielleicht drei, dann ist Schluss - oder? - Oder was? A ver!