Wir hatten eigentlich geplant, mit dem Bus zum
Flughafen zu fahren, um Christine und Markus abzuholen. Wir sollten wirklich
damit aufhören, denn wenn wir etwas planen, ist es in den letzten 14
Monaten immer sehr anders gekommen. Wie auch heute: Unsere Freunde sind, wie
schon vor 8 Monaten im Eintrag beschrieben, Diplomaten. Carmen ist aus
Mexico und Hans-Christian ist aus Belgien. Es war vorgesehen, dass Hans Ende
Oktober seine Stellung hier in Bangkok abgibt und eine neue in Belgien
beginnt.
So war es zumindest geplant. Auch für sie sollte es
aber ganz anders kommen: Auf einmal waren Hans' Dienste in Belgien dermassen
von nöten, dass er den Job innert nur 2 Tagen antreten musste. Die Beiden
hatten eigentlich vorgehabt, mitte September ganz im geordneten Stil zu
heiraten. Jetzt musste alles ganz schnell über die Bühne, denn Carmen wird
in Belgien nicht als Attaché arbeiten und wird demnach eine
Aufenthaltsbewilligung in der EU benötigen, welche als unverheiratete
Mexikanerin nicht sehr einfach zu bekommen ist. Es müssen innert eines
Nachmittages alle Papiere zusammengetragen und ein Büro gefunden werden,
welches eine Trauung offiziell durchführen kann. Das war gestern. Beide
sagen, dass es trotz ihrer Vorteile, welche sie bei der Beschaffung von
offiziellen Dokumenten haben, eine sehr kurze Zeit für die Vorbereitung
war. Heute haben sie zwar die Zusage, dass sie heiraten werden, jedoch noch
nicht wann. Um 2 Uhr ist es dann soweit, wir werden angerufen und Hans
erklärt uns, dass wir gerne kommen dürfen, jedoch sei der Verkehr
dermassen schwer, dass es für uns kaum Sinn mache, uns auf den Weg zu
machen. Bis wir dort seien, sei sicher alles schon vorüber. Er teilt uns
noch mit, dass nach der Trauung, so gegen 15.30 Uhr, einige Freunde zum
Apéro vorbeikommen werden. Wir wetzen gleich zum Supermarket rüber, kaufen
ein, stellen Bier, Champagner und O-Saft kalt und bereiten Snacks vor. Als
30 Minuten vor Christine's und Markus's Ankunft, das frischverheiratete Paar
(Für alle, die einen Blick in die Feierlichkeiten werfen möchten: Wir
haben Carmen und Hans eine Webpage zusammengestellt, in welcher die Fotos
der Heirat zu sehen sind) noch nicht aufgetaucht ist, machen wir uns auf den
Weg zum Flughafen.
Wir hatten keinerlei Hoffnung auch nur ansatzweise
pünktlich am Flughafen zu sein. Gleich unten an der Strasse wo unser
Domizil ist, gibt es zwar Taxis, diese gehören jedoch zur Klasse:
"Airport? 400 Baht - You pay Expressway (nochmal 70 Baht)". Danke,
nein. Wir müssen aus der kleinen Seitengasse, welche in Thailand
"Soi" heisst, raus und an der nächstgrösseren Strasse ein Taxi
anhalten. Murphy beschreibt ganz klar das Verhältnis zwischen der
Dringlichkeit des Bedarfes und der Verfügbarkeit von Taxis egalwo auf der
Welt und wir finden, dass er heute Nachmittag untertrieben hat. Es geht eine
kleine Ewigkeit, bis wir eines finden und als darin Platz nehmen, machen wir
dem Fahrer unmissverständlich klar, dass er sein Fahrzeug bitte an der
Limite des physikalisch Möglichen Richtung Flughafen bewegen soll - was er
dann auch glücklicherweise tat.
Die verschiedenen Rush-hours kennen wir bereits schon
und um 16.15 bewegen wir uns schon mit der Blechlawine, theoretisch
zumindest. (Was machen Leute um diese Zeit auf der Strasse, anyway?) Das
Glück ist uns hold und die Kombination zwischen Bangkoktaxiwarp4 und freien
Expressways bringen uns mit 150 km/h innert kürzester Zeit zum Flughafen,
wo wir dann pünktlich auf die Minute ankamen und sogar noch Zeit für eine
Cola hatten, bevor wir Waldbeere und Mango (O-Ton Email Markus zu ihrer
Haarfarbe) in Empfang nehmen konnten.
Die Haarfarben sind schon gewöhnungsbedürftig aber
weit weniger schlimm als angenommen- eher als goldblond und spicerot
vorzustellen. Beide haben noch kein richtiges Konzept für Bangkok und
fühlen sich in den ersten Minuten nicht so besonders sicher/wohl.
Vielleicht haben sie zuviel gehört/gelesen. Wir fahren zusammen wieder
zurück in die Stadt und loggen beim kleinen, aber feinen Hotel ein, welches
wir für sie ausgewählt hatten. Jetlagged sind beide froh, einige Zeit
einfach im Zimmer auszuspannen. Dies ist auch uns ganz recht, denn wir eilen
weiter, zurück in die Wohnung, um zu sehen, wie die Party am
laufen ist.
Keine Party, sondern unberührte Snacks und Stille
stehen uns gegenüber, als wir in die Wohnung kommen. Carmen sitzt mit einem
Freund dort und klärt uns auf: Es sei alles ein bisschen länger gegangen,
als vorgesehen und als dann alles vorüber war, mussten die meisten ihrer
Freunde, welche wegen der kurzfristigen Natur der ganzen Sache nur einige
Stunden von der Arbeit freigenommen hatten, wieder zurück in ihre Büros.
Es wurde also ausgemacht, dass wenn Hans wieder von den ersten 2 Wochen
Arbeit in Belgien zurück sei, eine Party organisiert werden würde. Hans
ist, ob dringender letzter Arbeiten gleich von der Heirat ins Büro
gefahren. Er kam dann auch gegen sieben Uhr abends wieder in die Wohnung,
nur um seinen Koffer zu packen und gleich zum Flughafen zu fahren, um den
Flieger nach Belgien zu erwischen.
Abends kommen noch Christine und Markus vorbei bringen
uns die "Goodies" mit: Unser Geld (wir sind wieder flüssig) Lindt
Schokolade und C't-s. Danke, nochmal für die Mühen, Markus! Nach ein zwei
Colas machen wir uns zu viert auf den Weg um etwas Essbares zu finden und
den letzten Schlummertrunk zu uns zu nehmen, wobei wir es uns nicht nehmen
lassen unsere beiden Freunde über den neusten Tratsch aus der Heimat
auszufragen.
Am nächsten Morgen treffen wir uns wieder vor unserem
Haus und gehen zum Pier um das Boot Richtung Wat Pho zu nehmen. Das Boot
erscheint uns als sehr gute Alternative zu den Strassen während den
Stosszeiten, es ist günstig und schnell und legt überall an. Wat Pho ist
eines der Wahrzeichen und wichigen Orte in Bangkok. Für uns sieht alles
ganz normal aus, vielleicht einfach ein bisschen mehr, ein bisschen grösser
und ein bisschen goldener als sonst, aber sonst ganz klar ein Wat. Wirklich
überwältigend ist der liegende Buddah in einem der Gebäude. Gross, golden
und stilisiert sieht er bequem liegend so aus, als brauche er nur noch einen
Fernseher, einen Sack Pop-Corn und eine Fernsteuerung, um zeitgemäss zu
sein. Nur, wie gross muss denn ein Fernseher für eine 80 Meter-Person sein?
Eine zweite Sache, welche das Wat Pho besonders macht, ist die Tatsache,
dass eine der bekanntesten Traditionellen Thai-Massageschulen sich hier auf
dem Gelände befindet. Von überall her kommen Leute um hier die alten
Handgriffe zu erlernen - sofern sie es sich leisten können.
Als Nächstes gehen wir zum Königspalast, der mit
seinen goldenen Gebäuden und den Schätzen darin, den Wandgemälden und
Jade-Buddas jeden überrascht und in Staunen versetzt. Der Detailreichtum
ist immens. Jedes noch so kleine Ding ist nochmals mit einem Muster oder mit
irgendwelchen Figuren besetzt. Die Wandmalereien, welche hunderte Meter lang
sind, beschreiben die Geschichte des Palastes bis in die Urzeiten zurück,
wo ein grosses Monster aus dem Meer bekämpft werden musste. Interessanter
und sehr gut gepflegter Ort. (Wir sahen den Titel des letzten "Newsweek
Asia" nun in einem anderen Licht: "If Thailand's economy would
just look as good as it's temples
" und es stimmt vollkommen.)
Leider sind beide dieser Sehenswürdigkeiten dermassen
mit Touristen überlaufen, dass es schon fast keinen Spass mehr macht, in
einen Saal zu gehen, um nur mit einer grossen Gruppe schnatternder
Paketurlauber in einer eher zur Ruhe und zur Muse inspirierenden
Umgebung/Raum ein sakrales Kunstwerk im Blitzlichtgewitter zu bewundern. Die
Thais haben entweder aus Respekt oder aus Kunsterhaltungsgründen zum Glück
begonnen, das Fotografieren an gewissen Orten einzuschränken.
Christine und Markus fangen an, sich sichtlich zu
entspannen. Es scheint so, als sei Bangkok doch nicht so schlimm, wie
angenommen. Eigentlich ist Bangkok für uns wie irgendeine westliche Stadt.
Klar gibt es da und dort sehr asiatische Elemente, jedoch ist das Meiste
eher westlich. Wir machen uns auf den Weg in die berüchtigte "Khao San
Road". Eher ein ganzes Gebiet als nur eine Strasse stellt die Khao San
Road die ultimative Assimilierung von Thailand an den Backpacker dar.
Günstige (und bei genauerem Hinsehen eben gar nicht so günstige)
Restaurants, Bars, Pubs, Pizzapastaschuppen, Hasenstall-Guesthouses,
Silberhändler, Tshirthändler, Raubkopierte Kassetten und Uhren
Verkaufsstände, fake Studentenausweise und jede Menge anderen Nepp. Die
Stimmung gleicht eher einem Jahrmarkt mit all den kleinen Läden und
Ständen.
Was uns auffällt, ist das Alter der Touristen und die
"Individualisten". Junge Mädels von maximal 14 Jahren shoppen
hier den ultimativen Bauchnabelring, unterhalten sich über die
"schreckliche Fahrt im kleinen Airconbüsschen", welche mit 500
Baht doch eigentlich günstig gewesen sei (in diesem Fall hätte ihr Ticket
mit einem offiziellen Aircon-Bus knapp 150 Baht gekostet). Uns fällt
sowieso auf, dass der Durchschnittstourist hier nicht daran interessiert
ist, öffentliche Transportmittel zu benutzen. Er benutzt die Angebote des
kleinen Reiseunternehmers auf der KSR und lässt sich für Stunden für den
dreifachen Preis in ein kleines Büsschen quetschen, nur um nicht mit
irgendwelchen Thais in Kontakt zu kommen. "Man ist ja unter sich".
Solange das Bier günstig und die Pizza erträglich ist, kann ja nichts
schief gehen, oder? Die Individualisten sehen so aus, als wären sie als
schäbige Traveller schon auf die Welt gekommen. Sicher seit einer Woche
nicht mehr unter der Dusche gewesen, machen sie einen besonders guten
Eindruck mit ihrem Krama aus Kambodscha, Autoreifensandalen aus Burma,
Umhängetasche aus Luang Pha Bang, Tshirt aus Saigon und Sarong aus
Thailand. Man ist ja herumgekommen, nicht? Wir haben das Gefühl, dass je
länger wir unterwegs gewesen sind, desto normaler wir uns anziehen. Es gibt
in Bangkok alternative Gegenden, welche günstiger, besser und vor allem
ruhiger sind. Die Tendenz ist sowieso die, nicht mehr direkt an der KSR zu
leben (zu laut) sondern am Fluss in kleinen und "familiären"
Guesthouses zu bleiben.
Gegen Abend kommen wir wieder zurück zur Gegend wo
wir wohnen und beide, Christine wie Markus sind überzeugt, dass sie eine
Suppe beim Strassenhändler überleben werden. (Wir müssen diesen zwei
wirklich ein Kränzchen winden, denn nur wenige mögen einfach so direkt von
der Schweiz an einen Strassenrand auf ein Plastikstühlchen sitzen und
voller Vertrauen Fleisch in einer Suppe essen, welches schon länger
rumgelegen ist.) Nicht nur überlebt haben es beide, sondern es hat auch
geschmeckt. Christine war speziell angetan von den Fruchtständen überall,
wo man für wenig Geld an frische Ananas und viele andere Früchte kommt.
Endlich ist es heute soweit, ich muss nur noch einmal
pro Tag zum Spital! (Endlich am Morgen ausschlafen). Die Wunde sieht nun
wirklich gut aus und die letzte Pille ist geschluckt. (nun kommt wieder die
Arbeit, die ganze Chemie aus dem Körper rauszubefördern).
Abends gehen wir alle zusammen zu einem weiteren
Weltbekannten Ort in Bangkok, den nur die wenigsten beim Namen kennen.
Thailand ist in unseren Breitengraden nicht nur für Strandferien bekannt,
sondern auch für Sex-Touristen. Dieses Business floriert und ist eine
wichtige Einnahmequelle für Thailand (Darum wird wahrscheinlich nichts
Regulatives unternommen). Es gibt in Thailand ein paar für den Sextourismus
bekannte Orte, einer dieser Orte heisst Soi Patpong und liegt an der Silom
Strasse mitten im Banken und Business-Quartier, einem Quartier, welches eher
gepflegt daherkommt.
In Patpong, einer ca. 400 Meter langen Querstrasse der
Silom reiht sich eine Gogo-Bar an der anderen. Sex ist das Produkt hier:
"Looki looki, come, nopay!". Liebhaber des Abstrakten können sich
aus einem Menü direkt auf der Strasse beim Animateur aussuchen, was sie
denn sehen möchten: "Pussy shooting Banana" oder "Pussy
smoking cigar" gehören zu den Klassikern und wecken eher Regungen als
"Pussy opening Coke-Bottle" - interessant, wie das denn gehen
sollte. Klar sind "Live Shows" und "Private Service"
immer erhältlich. Interessant in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass
in Thailand Frauen in diesem Metier voll akzeptiert sind. Vielfach sind sie
tagsüber Sekretärin und nachts Prostituierte. Manchmal sind sie sogar
verheiratet und haben Kinder. Die Prostitution ist ein normaler Erwerb und
der "running joke" ist der, dass wenn eine Familie in ländlichem
Thailand eine schöne Wohnung mit grossem Fernseher hat, man sich nach der
Tochter in Patpong erkundigt.
In der Strassenmitte von Soi Patpong geht es dafür
wie auf einem Jahrmarkt her und zu. Ein unüberschaubares Durcheinander von
Ständen und gefälschten Produkten. Eine Gucci Brille mit einer Tasche von
Louis Vuitton, ein Hilfiger Poloshirt und Rolex können hier problemlos in
einem Stop auf einer Fläche von 15 m2 geschoppt werden.
Was uns aber überhaupt nicht gut
"reingekommen" ist, war die Tatsache, dass wir mehrere Familien
mit ihren Kindern in Patpong gesehen haben. Patpong ist KEIN Ort für
Familienunterhaltung. Was für eine Überraschung wenn wir dann ein
Gespräch überhören à la: "Schatz, das ist aber gar nicht so, wie
ich mir das vorgestellt habe!" (Während der 14-jährige Sohn von einem
Schlepper vor einer Bar mit einschlägigen Bildern der verfügbaren Angebote
(Pussy swallowing champagne-bottle) versorgt wird). Für den
"open-minded" macht es aber Spass mal durchzulaufen und sich die
Atmosphäre reinzuziehen.
Die nächsten paar Tage vergehen wie im Flug und schon
kommt der Moment des Abschieds. Für Christine und Markus beginnt nun die
Zeit des Reisens - per Motorrad durch Australien (Zuviel unser Tagebuch
gelesen, was?). Bye, bye, Danke & und seeya nächstes Jahrtausend.
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