15. - 20.7.99
Tagebuch Seite 45
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Bangkok - Sightseeing with Christine and Markus

Wir hatten eigentlich geplant, mit dem Bus zum Flughafen zu fahren, um Christine und Markus abzuholen. Wir sollten wirklich damit aufhören, denn wenn wir etwas planen, ist es in den letzten 14 Monaten immer sehr anders gekommen. Wie auch heute: Unsere Freunde sind, wie schon vor 8 Monaten im Eintrag beschrieben, Diplomaten. Carmen ist aus Mexico und Hans-Christian ist aus Belgien. Es war vorgesehen, dass Hans Ende Oktober seine Stellung hier in Bangkok abgibt und eine neue in Belgien beginnt.

So war es zumindest geplant. Auch für sie sollte es aber ganz anders kommen: Auf einmal waren Hans' Dienste in Belgien dermassen von nöten, dass er den Job innert nur 2 Tagen antreten musste. Die Beiden hatten eigentlich vorgehabt, mitte September ganz im geordneten Stil zu heiraten. Jetzt musste alles ganz schnell über die Bühne, denn Carmen wird in Belgien nicht als Attaché arbeiten und wird demnach eine Aufenthaltsbewilligung in der EU benötigen, welche als unverheiratete Mexikanerin nicht sehr einfach zu bekommen ist. Es müssen innert eines Nachmittages alle Papiere zusammengetragen und ein Büro gefunden werden, welches eine Trauung offiziell durchführen kann. Das war gestern. Beide sagen, dass es trotz ihrer Vorteile, welche sie bei der Beschaffung von offiziellen Dokumenten haben, eine sehr kurze Zeit für die Vorbereitung war. Heute haben sie zwar die Zusage, dass sie heiraten werden, jedoch noch nicht wann. Um 2 Uhr ist es dann soweit, wir werden angerufen und Hans erklärt uns, dass wir gerne kommen dürfen, jedoch sei der Verkehr dermassen schwer, dass es für uns kaum Sinn mache, uns auf den Weg zu machen. Bis wir dort seien, sei sicher alles schon vorüber. Er teilt uns noch mit, dass nach der Trauung, so gegen 15.30 Uhr, einige Freunde zum Apéro vorbeikommen werden. Wir wetzen gleich zum Supermarket rüber, kaufen ein, stellen Bier, Champagner und O-Saft kalt und bereiten Snacks vor. Als 30 Minuten vor Christine's und Markus's Ankunft, das frischverheiratete Paar (Für alle, die einen Blick in die Feierlichkeiten werfen möchten: Wir haben Carmen und Hans eine Webpage zusammengestellt, in welcher die Fotos der Heirat zu sehen sind) noch nicht aufgetaucht ist, machen wir uns auf den Weg zum Flughafen.

Wir hatten keinerlei Hoffnung auch nur ansatzweise pünktlich am Flughafen zu sein. Gleich unten an der Strasse wo unser Domizil ist, gibt es zwar Taxis, diese gehören jedoch zur Klasse: "Airport? 400 Baht - You pay Expressway (nochmal 70 Baht)". Danke, nein. Wir müssen aus der kleinen Seitengasse, welche in Thailand "Soi" heisst, raus und an der nächstgrösseren Strasse ein Taxi anhalten. Murphy beschreibt ganz klar das Verhältnis zwischen der Dringlichkeit des Bedarfes und der Verfügbarkeit von Taxis egalwo auf der Welt und wir finden, dass er heute Nachmittag untertrieben hat. Es geht eine kleine Ewigkeit, bis wir eines finden und als darin Platz nehmen, machen wir dem Fahrer unmissverständlich klar, dass er sein Fahrzeug bitte an der Limite des physikalisch Möglichen Richtung Flughafen bewegen soll - was er dann auch glücklicherweise tat.

Die verschiedenen Rush-hours kennen wir bereits schon und um 16.15 bewegen wir uns schon mit der Blechlawine, theoretisch zumindest. (Was machen Leute um diese Zeit auf der Strasse, anyway?) Das Glück ist uns hold und die Kombination zwischen Bangkoktaxiwarp4 und freien Expressways bringen uns mit 150 km/h innert kürzester Zeit zum Flughafen, wo wir dann pünktlich auf die Minute ankamen und sogar noch Zeit für eine Cola hatten, bevor wir Waldbeere und Mango (O-Ton Email Markus zu ihrer Haarfarbe) in Empfang nehmen konnten.

Die Haarfarben sind schon gewöhnungsbedürftig aber weit weniger schlimm als angenommen- eher als goldblond und spicerot vorzustellen. Beide haben noch kein richtiges Konzept für Bangkok und fühlen sich in den ersten Minuten nicht so besonders sicher/wohl. Vielleicht haben sie zuviel gehört/gelesen. Wir fahren zusammen wieder zurück in die Stadt und loggen beim kleinen, aber feinen Hotel ein, welches wir für sie ausgewählt hatten. Jetlagged sind beide froh, einige Zeit einfach im Zimmer auszuspannen. Dies ist auch uns ganz recht, denn wir eilen weiter, zurück in die Wohnung, um zu sehen, wie die Party am laufen ist.

Keine Party, sondern unberührte Snacks und Stille stehen uns gegenüber, als wir in die Wohnung kommen. Carmen sitzt mit einem Freund dort und klärt uns auf: Es sei alles ein bisschen länger gegangen, als vorgesehen und als dann alles vorüber war, mussten die meisten ihrer Freunde, welche wegen der kurzfristigen Natur der ganzen Sache nur einige Stunden von der Arbeit freigenommen hatten, wieder zurück in ihre Büros. Es wurde also ausgemacht, dass wenn Hans wieder von den ersten 2 Wochen Arbeit in Belgien zurück sei, eine Party organisiert werden würde. Hans ist, ob dringender letzter Arbeiten gleich von der Heirat ins Büro gefahren. Er kam dann auch gegen sieben Uhr abends wieder in die Wohnung, nur um seinen Koffer zu packen und gleich zum Flughafen zu fahren, um den Flieger nach Belgien zu erwischen.

Abends kommen noch Christine und Markus vorbei bringen uns die "Goodies" mit: Unser Geld (wir sind wieder flüssig) Lindt Schokolade und C't-s. Danke, nochmal für die Mühen, Markus! Nach ein zwei Colas machen wir uns zu viert auf den Weg um etwas Essbares zu finden und den letzten Schlummertrunk zu uns zu nehmen, wobei wir es uns nicht nehmen lassen unsere beiden Freunde über den neusten Tratsch aus der Heimat auszufragen.

Am nächsten Morgen treffen wir uns wieder vor unserem Haus und gehen zum Pier um das Boot Richtung Wat Pho zu nehmen. Das Boot erscheint uns als sehr gute Alternative zu den Strassen während den Stosszeiten, es ist günstig und schnell und legt überall an. Wat Pho ist eines der Wahrzeichen und wichigen Orte in Bangkok. Für uns sieht alles ganz normal aus, vielleicht einfach ein bisschen mehr, ein bisschen grösser und ein bisschen goldener als sonst, aber sonst ganz klar ein Wat. Wirklich überwältigend ist der liegende Buddah in einem der Gebäude. Gross, golden und stilisiert sieht er bequem liegend so aus, als brauche er nur noch einen Fernseher, einen Sack Pop-Corn und eine Fernsteuerung, um zeitgemäss zu sein. Nur, wie gross muss denn ein Fernseher für eine 80 Meter-Person sein? Eine zweite Sache, welche das Wat Pho besonders macht, ist die Tatsache, dass eine der bekanntesten Traditionellen Thai-Massageschulen sich hier auf dem Gelände befindet. Von überall her kommen Leute um hier die alten Handgriffe zu erlernen - sofern sie es sich leisten können.

Als Nächstes gehen wir zum Königspalast, der mit seinen goldenen Gebäuden und den Schätzen darin, den Wandgemälden und Jade-Buddas jeden überrascht und in Staunen versetzt. Der Detailreichtum ist immens. Jedes noch so kleine Ding ist nochmals mit einem Muster oder mit irgendwelchen Figuren besetzt. Die Wandmalereien, welche hunderte Meter lang sind, beschreiben die Geschichte des Palastes bis in die Urzeiten zurück, wo ein grosses Monster aus dem Meer bekämpft werden musste. Interessanter und sehr gut gepflegter Ort. (Wir sahen den Titel des letzten "Newsweek Asia" nun in einem anderen Licht: "If Thailand's economy would just look as good as it's temples…" und es stimmt vollkommen.)

Leider sind beide dieser Sehenswürdigkeiten dermassen mit Touristen überlaufen, dass es schon fast keinen Spass mehr macht, in einen Saal zu gehen, um nur mit einer grossen Gruppe schnatternder Paketurlauber in einer eher zur Ruhe und zur Muse inspirierenden Umgebung/Raum ein sakrales Kunstwerk im Blitzlichtgewitter zu bewundern. Die Thais haben entweder aus Respekt oder aus Kunsterhaltungsgründen zum Glück begonnen, das Fotografieren an gewissen Orten einzuschränken.

Christine und Markus fangen an, sich sichtlich zu entspannen. Es scheint so, als sei Bangkok doch nicht so schlimm, wie angenommen. Eigentlich ist Bangkok für uns wie irgendeine westliche Stadt. Klar gibt es da und dort sehr asiatische Elemente, jedoch ist das Meiste eher westlich. Wir machen uns auf den Weg in die berüchtigte "Khao San Road". Eher ein ganzes Gebiet als nur eine Strasse stellt die Khao San Road die ultimative Assimilierung von Thailand an den Backpacker dar. Günstige (und bei genauerem Hinsehen eben gar nicht so günstige) Restaurants, Bars, Pubs, Pizzapastaschuppen, Hasenstall-Guesthouses, Silberhändler, Tshirthändler, Raubkopierte Kassetten und Uhren Verkaufsstände, fake Studentenausweise und jede Menge anderen Nepp. Die Stimmung gleicht eher einem Jahrmarkt mit all den kleinen Läden und Ständen.

Was uns auffällt, ist das Alter der Touristen und die "Individualisten". Junge Mädels von maximal 14 Jahren shoppen hier den ultimativen Bauchnabelring, unterhalten sich über die "schreckliche Fahrt im kleinen Airconbüsschen", welche mit 500 Baht doch eigentlich günstig gewesen sei (in diesem Fall hätte ihr Ticket mit einem offiziellen Aircon-Bus knapp 150 Baht gekostet). Uns fällt sowieso auf, dass der Durchschnittstourist hier nicht daran interessiert ist, öffentliche Transportmittel zu benutzen. Er benutzt die Angebote des kleinen Reiseunternehmers auf der KSR und lässt sich für Stunden für den dreifachen Preis in ein kleines Büsschen quetschen, nur um nicht mit irgendwelchen Thais in Kontakt zu kommen. "Man ist ja unter sich". Solange das Bier günstig und die Pizza erträglich ist, kann ja nichts schief gehen, oder? Die Individualisten sehen so aus, als wären sie als schäbige Traveller schon auf die Welt gekommen. Sicher seit einer Woche nicht mehr unter der Dusche gewesen, machen sie einen besonders guten Eindruck mit ihrem Krama aus Kambodscha, Autoreifensandalen aus Burma, Umhängetasche aus Luang Pha Bang, Tshirt aus Saigon und Sarong aus Thailand. Man ist ja herumgekommen, nicht? Wir haben das Gefühl, dass je länger wir unterwegs gewesen sind, desto normaler wir uns anziehen. Es gibt in Bangkok alternative Gegenden, welche günstiger, besser und vor allem ruhiger sind. Die Tendenz ist sowieso die, nicht mehr direkt an der KSR zu leben (zu laut) sondern am Fluss in kleinen und "familiären" Guesthouses zu bleiben.

Gegen Abend kommen wir wieder zurück zur Gegend wo wir wohnen und beide, Christine wie Markus sind überzeugt, dass sie eine Suppe beim Strassenhändler überleben werden. (Wir müssen diesen zwei wirklich ein Kränzchen winden, denn nur wenige mögen einfach so direkt von der Schweiz an einen Strassenrand auf ein Plastikstühlchen sitzen und voller Vertrauen Fleisch in einer Suppe essen, welches schon länger rumgelegen ist.) Nicht nur überlebt haben es beide, sondern es hat auch geschmeckt. Christine war speziell angetan von den Fruchtständen überall, wo man für wenig Geld an frische Ananas und viele andere Früchte kommt.

Endlich ist es heute soweit, ich muss nur noch einmal pro Tag zum Spital! (Endlich am Morgen ausschlafen). Die Wunde sieht nun wirklich gut aus und die letzte Pille ist geschluckt. (nun kommt wieder die Arbeit, die ganze Chemie aus dem Körper rauszubefördern).

Abends gehen wir alle zusammen zu einem weiteren Weltbekannten Ort in Bangkok, den nur die wenigsten beim Namen kennen. Thailand ist in unseren Breitengraden nicht nur für Strandferien bekannt, sondern auch für Sex-Touristen. Dieses Business floriert und ist eine wichtige Einnahmequelle für Thailand (Darum wird wahrscheinlich nichts Regulatives unternommen). Es gibt in Thailand ein paar für den Sextourismus bekannte Orte, einer dieser Orte heisst Soi Patpong und liegt an der Silom Strasse mitten im Banken und Business-Quartier, einem Quartier, welches eher gepflegt daherkommt.

In Patpong, einer ca. 400 Meter langen Querstrasse der Silom reiht sich eine Gogo-Bar an der anderen. Sex ist das Produkt hier: "Looki looki, come, nopay!". Liebhaber des Abstrakten können sich aus einem Menü direkt auf der Strasse beim Animateur aussuchen, was sie denn sehen möchten: "Pussy shooting Banana" oder "Pussy smoking cigar" gehören zu den Klassikern und wecken eher Regungen als "Pussy opening Coke-Bottle" - interessant, wie das denn gehen sollte. Klar sind "Live Shows" und "Private Service" immer erhältlich. Interessant in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass in Thailand Frauen in diesem Metier voll akzeptiert sind. Vielfach sind sie tagsüber Sekretärin und nachts Prostituierte. Manchmal sind sie sogar verheiratet und haben Kinder. Die Prostitution ist ein normaler Erwerb und der "running joke" ist der, dass wenn eine Familie in ländlichem Thailand eine schöne Wohnung mit grossem Fernseher hat, man sich nach der Tochter in Patpong erkundigt.

In der Strassenmitte von Soi Patpong geht es dafür wie auf einem Jahrmarkt her und zu. Ein unüberschaubares Durcheinander von Ständen und gefälschten Produkten. Eine Gucci Brille mit einer Tasche von Louis Vuitton, ein Hilfiger Poloshirt und Rolex können hier problemlos in einem Stop auf einer Fläche von 15 m2 geschoppt werden.

Was uns aber überhaupt nicht gut "reingekommen" ist, war die Tatsache, dass wir mehrere Familien mit ihren Kindern in Patpong gesehen haben. Patpong ist KEIN Ort für Familienunterhaltung. Was für eine Überraschung wenn wir dann ein Gespräch überhören à la: "Schatz, das ist aber gar nicht so, wie ich mir das vorgestellt habe!" (Während der 14-jährige Sohn von einem Schlepper vor einer Bar mit einschlägigen Bildern der verfügbaren Angebote (Pussy swallowing champagne-bottle) versorgt wird). Für den "open-minded" macht es aber Spass mal durchzulaufen und sich die Atmosphäre reinzuziehen.

Die nächsten paar Tage vergehen wie im Flug und schon kommt der Moment des Abschieds. Für Christine und Markus beginnt nun die Zeit des Reisens - per Motorrad durch Australien (Zuviel unser Tagebuch gelesen, was?). Bye, bye, Danke & und seeya nächstes Jahrtausend.