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Tagebuch Seite 44
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Bangkok - First Contact
Pünktlich um 9 Uhr morgens kommt die letzte Visite. Alles scheint i.O. und die Ärzte sind zufrieden mit meiner Wunde (Ich nicht, das Ding tut höllisch weh beim reinigen und verbinden). Danach müssen wir noch bei den Medileuten vorbeigehen, um die Medis für die nächsten 14 Tage reinzuziehen. (Es sind wieder 3 verschiedene Pillen, welche ich zusammen nehmen muss) Last but not least will noch die Buchhaltung von uns Geld, weil die Krankenkasse unsere Telefongespräche nicht übernimmt (schade eigentlich). Alles ist in unasiatisch schneller und sehr effizienter Weise erledigt und schon können wir zu unserem Taxi gehen, welches wir gestern bestellt haben. Das Taxi ist ein recht neues Auto mit den üblichen "Verbesserungen" eines asiatischen Fahrers: Eine lautstarke Stereoanlage mit überdimensionierten Lautsprechern, ein kleiner Schrein mit einer Heiligenfigur (mit welcher die asiatischen Fahrer die Fähigkeit bekommen, auch bei keinerlei Übersicht mit vollem Vertrauen auszuscheren und auf der Gegenfahrbahn in einer Kurve ein Fahrzeug zu überholen, ohne dass sie das Leben dabei verlieren - hoffen sie zumindest…) einem orange-schwarzen Interieur und einem farbigen Rallylenkrad, welches auch mit einer in Asien normalerweise hohen Kitschtoleranz als schrecklich bezeichnet werden kann. Wir beklagen uns nicht, denn der Fahrer hat (unglaublicherweise) das Auto bereits vollgetankt und wir können gleich losfahren.

Ob wir denn "bum-bum"-Musik mögen, wollte er gleich am Anfang wissen. Ja, ja wir können mit dem leben, sagen wir (im Hinterkopf das Grauen vor 115 Dezibel Asiadüdelsound) und lassen uns während der Fahrt mit Thai-Versionen von Disco Hits à la "Coco Jambo" usf. berieseln. Die Strassen sind am Samstag morgen recht verkehrsfrei und so kommen wir sehr schnell voran.

Obwohl der Fahrer 5-6 Stunden als Fahrzeit angegeben hat, sind wir nach knapp 2 Stunden am Stadtrand von Bangkok. In einem sehr gebrochenen Englisch sagt er uns auf unsere Anfrage, was wir denn in den nächsten 4 Stunden machen würden, denn wir müssten ja nur noch 25 Kilometer fahren, dass Distanz leider in Bangkok nicht linear in Zeiteinheiten messbar sei. Und dass wir gut und gerne auch 6 Stunden für den Rest der Strecke benötigen könnten. Danke; unsere schlimmen Vermutungen sind also betreffend dem Verkehr bestätigt worden.

Die Götter oder das Schicksal meinten es gut mit uns und bereits nach 90 Minuten stiegen wir am Hochhaus unserer Bekannten aus. Nach kurzer Nachfrage bei den Sicherheitsbeamten am Tor, werden wir hereingelassen und auf den ersten Lift in die Lobby geschickt. Die Lobby ist eigentlich nur dort wo a) der Pool, die Sauna und der Fitnessraum sind und man b) zwischen den verschiedenen Liften für die verschiedenen Flügel des Hauses wählen kann. Von dort aus nehmen wir den Lift in den 16 Stock, (der eigentlich der 15 ist, da die Erbauer dieses Gebäudes ein wahrhaftiges Problem mit der Zahl 13 gehabt haben: Sie wollten diese Zahl partout nicht im Hause haben und so folgt nun dem 12. Stock gleich der 14.) und in eine wunderschöne, riesige Wohnung mit allen schönen Dingen dieser Welt, die wir so lange nicht mehr gehabt haben. Die Aussicht von hier aus auf die Stadt ist ergreifend. Wir sollen so lange bleiben wie wir möchten - eigentlich wollen wir ja nur mich ein bisschen auskurieren und dann wieder auf Achse - aber danke für das Angebot!

Jeden Tag muss ich also nun ins Spital. Morgens und Abends. Mit dem Taxi, weil es zwar schon Busse gibt, aber diese nicht vom Fleck kommen und wir am anderen Ende der Stadt wohnen und die Fahrt sonst mit den Öffentlichen zu lange gehen würde. Zudem und das ist das Wichtigste: Taxis haben Aircon. Ich bin mal mit den Bussen gefahren und kam schweissgebadet an. Wo ist meine Wunde? Richtig: unter dem Arm! Ich will wenn möglich einigermassen sauber im Spital ankommen. Und ausserdem ist es eh eine blöde Sache sich zu reinigen, wenn man nicht Duschen und auch nicht Baden darf.

Eigentlich ist der Verkehr nicht so schlimm. Zumindest ausserhalb der Rush-hour. Viele Leute die hinter Aussagen à la "Die Strasse zu überqueren ist lebensgefährlich" und "Die Thais sind solche Verkehrschaoten" stehen, haben unserer Meinung nach einfach noch nicht genügend asiatischen Verkehr hinter sich. In Bangkok benutzen die Fahrzeuge doch tatsächlich den Blinker und verhalten sich auch dementsprechend. Alle halten sich an die Spuren und es gibt sogar Anzeichen dafür, dass es Vortrittsregeln gibt. Als Fussgänger ist man hier - genauso wie überall - auf der untersten Stufe der Verkehrshackordnung: Bus vor Auto, Auto vor Moto und ganz, ganz am Schluss kommen dann die Fussgänger. Wir müssen den Fahrern in Bangkok sogar ein kleines Lob aussprechen: sie bremsen gelegentlich auch mal für einen Fussgänger und lassen ihn passieren! (Check THAT out!)

Auch die Luft ist nicht ganz so stickig, wie wir uns das ob allen Komentaren vorgestellt haben. Wer noch nicht in Guangzhou oder Peking war, kennt schlechte Luft nicht. Klar ist sie dick, im Stau auch mal Hustenreizfördernd, aber nicht schlimm. Auf die letzte Top 10 Hitliste der Städte mit der schlechtesten Luft hat es Bangkok erst gar nicht geschafft. Zudem sind zwei Mega-Projekte unterwegs, um dem Verkehrsproblem einhalt zu gebieten: Die BTR, eine Hochbahn, welche mit modernster Technologie sich über die ganze Stadt erstreckt und als Zweites die Bangkok Metro. Das Fertigstellungsdatum der BTR ist der 5. Dezember und es sieht so aus, als ob es die Thailänder tatsächlich schaffen könnten, dieses Datum (Der Geburtstag des Königs - er sieht aus wie eine asiatische Version von Prince Charles; zumindest sind die Ohren und das Fehlen jeglichen Humors gleich) einzuhalten, denn die Züge fahren bereits wie wild und proben schon im Juli den Normalbetrieb. (Ob das nun als gutes oder schlechtes Zeichen zu werten ist, werden wir ja noch sehen.) Schon halbwegs in Betrieb aber unserer Meinung nach in die falsche Richtung Zeigend ist das Netz von "Expressways" (Gebührenpflichtige Autobahnen), welche auch über den bestehenden Strassen gebaut worden sind/gebaut werden und sehr interessante 50 Meter hohe "Stackups" entstehen lassen, wenn sie mit der BTR und/oder einer Brücke zusammentreffen.

Thai-Händler sind auch viel weniger offensiv bei ihren Verkaufstaktiken. Wenn man ihnen einmal nein gesagt hat, lassen sie es bleiben - schön, aber langweilig. Zudem ist es sehr viel einfacher ersichlich, wenn ein Angebot faul ist oder der Preis überhöht ist. Wer fährt schon für 20 Baht (90 Rp) 4 Stunden zum "Sightseeing" - niemand, auch in Thailand nicht. Also muss doch da der Fahrer sonstwo an dieser Fuhre verdienen - bei Läden, die Kommission zahlen. Funktioniert doch überall so. Leider, leider fallen viele Unbedarfte auf solche Angebote herein. Eigentlich ist es nicht richtig, zu sagen, dass dieses Angebot nicht gut ist. Eigentlich ist es brilliant. Nur zum Kaufen darf man sich dann bei dem Schneider/Souvenierladen/Whatever nicht überreden lassen. Einfacher gesagt, als getan für jemanden, der nur Europa oder die USA kennen. Business wird hier einiges anders gemacht und die Dollarscheine lachen!

Zweites Beispiel sind die Taxifahrer, die den ganzen Tag vor einem Hotel herumlungern und für eine Fahrt, die eigentlich mit dem Taximeter 50 Baht kostet 300 Baht verlangen und sonst nicht fahren. Es reicht diesen Fahrern ein solcher Fahrgast pro Tag, den sie "schwarz" mitnehmen und dann noch vielleicht ein bisschen mehr abrippen, um blendend zu überleben. Wer ist denn schon so doof und fährt den ganzen Tag und rackert sich mit dem Meter ab, um die gleiche Menge Geld zu verdienen? Sie haben ja eigentlich recht!

Bangkok als solches kommt uns wie ein Schlaraffenland vor. Die Supermärkte haben alles von echtem Pancake-Mix bis "Granador" Orangensaft aus der Schweiz (Kein Scherz!). Endlich, nach 9 Monaten Pause gönnen wir uns wieder mal einen Big Mac. Während all dieser Zeit gab es schlicht keinen auf unserer Reise und die Pommes dort sind - obwohl kein Vergleich zu den Pommes, welche man vor einem Waro am kleinen Food-Stand bekommt - die besten, welche man in Asien als Low-Budget-reisender bekommen kann. Bangkok ist übersäht und durchwachsen mit allen Typen von Fastfood läden - schlimmer als Peking, wo schon nur alleine über 40 Mc Donalds stehen. Sowieso sind hier Ladenketten aus den USA/England besonders stark vertreten: Man kauft als Mittelschicht-Thai seine Colaflasche im 711, geht die Zahnpasta im Boots kaufen und shoppt im Robinsons Markenware ein, auf welche zunehmend Wert gerlegt wird.

Eine Behauptung, welcher wir zuerst mit Skepsis gegenüberstanden, war die, dass wenn man in Bangkok wirklich alles gesehen zu haben glaubt, man in einen Pizza Hut gehen soll, um dort den Thais zuzusehen, wie sie einen Salat an der Salatbar kreieren. Klingt uninteressant, oder? Wir haben - obwohl wir noch nichts in der Stadt ansehen gegangen sind - die Probe auf's Exempel gestellt und sind mal im Pizza Hut essen gegangen. Dort gibt es an der Salatbar für 35 Baht (1.50 Fr.) ein kleines Schälchen und für nochmal 30 Baht ein "Trink soviel Pepsi wie Du kannst"-Angebot. Anscheinend gibt es in Bangkok tatsächlich Kurse, in welchen man lernen kann, wie dieses Schälchen am besten bepackt wird, um möglichst viel Salat bis an den Tisch zurückzubringen! Und tatsächlich: Mit viel Musse und Vorsicht werden mal grosse Salatblätter unten ausgelegt. Dann die Selleriestangen entlang der Aussenwand aufgestellt, um einen höheren Rand zu erhalten. Die erste Schicht besteht aus geraffeltem Irgendwas, welches mit dicker Salatsauce in eine Art "Fundament" umgewandelt wird. So geht es dann Lage um Lage weiter, bis das arme 5 cm hohe Schälchen Schälchen mit einer Kreation bis 25 cm Höhe gefüllt wird. Mit der Cola zusammen bekommen sie für nur 65 Baht ein sehr gesundes Essen für 2 Leute. Clever und vor allem unglaublich zuzusehen! 

Trotz aller Freude an der Stadt, klären mit der Krankenkasse ab, was nun gedeckt wird und bekommen einen rechten Schock, als wir meine Jahresfranchise und "Selbstbehalt pro Fall" hören und diese mit den Kosten des Krankenhausaufenthaltes vergleichen: 1. Wir bekommen voraussichtlich kein Geld von der Versicherung und 2. diese Menge Geld stellt über 3 Monate reisen dar, die nun nicht mehr da sind. Unser Budget ist total durcheinander. Wie lange können wir noch reisen? Wie viel Geld ist überhaupt noch da? Eines ist sicher, wir müssen den letzten Rest, welchen wir auf unserem Konto in der Schweiz haben, schleunigst hier her bekommen und dann weitersehen.

Seit längerem wissen wir, dass Markus und seine Freundin Christine auf ihrem Weg nach Australien via Bangkok reisen werden. Nur war lange nicht bekannt, wann genau. Endlich aber bekamen wir das Mail, auf welches wir gewartet hatten: "Wir kommen am 15. August 99 um 15.30 an". Wir freuen uns natürlich, haben aber auch nicht nur selbstlose Zwecke im Kopf. Wir veranstalten eine kleine Feuerwehrübung (Sorry nochmal an alle Beteiligten!), um das Geld und noch einige weitere wichtige Sachen (Lindt Nuss, keine Zweifel diesmal) Markus auf den Weg mitzugeben. Die Tage vergehen nur so im Fluge, viel Sightseeing liegt leider nicht drinnen, denn vor lauter Chemie und Pillen ist Andrew leider nicht mit sehr starken "Batterien" ausgestattet, um stundenlang in einem heissen Klima herumzupilgern. Kein Problem eigentlich, denn wir behalten das "Tourist"-sein für dann auf, wenn Christine und Markus da sind.

Kleiner Nachtrag zur Geldsituation: "Capt'n, Sir. Die Kohlen gehen aus!" Wir sind sonst schon sehr genau mit dem Budget - dank Excel und Kostenberechnungssheet auf dem Cassiopeia. Diesmal aber haben wir auch ein paar Fallstudien gemacht und sind darauf gekommen, dass uns das Geld unter jedem Szenario nicht mehr weit reichen wird, leider. Nur: Uns ist überhaupt nicht nach zurückgehen. Zuerst einmal kommen Christine und Markus - dann sehen wir weiter…