Mit einem roten, gelben oder grünen Curry pro Tag, abgerundet mit viel
Seafood, einem schönen Bungalow, einer Hängematte, fast keiner Seele und
dem Meer 15 Meter vor der Hütte, geht die Zeit immer schnell vorüber. Viel
zu schnell rückt das Datum, an welchem wir wieder ans Festland
zurückmüssen heran. Das Wetter wird dermassen schwül und feucht, dass
normales Bewegen automatisch Schweissausbrüche hervorruft. Während den
letzten Tagen unseres Aufenthaltes brauen sich gegen den Abend - nach
Sonnenuntergang - die irrsinnigsten Wolken zusammen, welche in der Nacht als
stundenlange Gewitter ungesehenem Ausmasses uns den Schlaf rauben. Eine
zweite Auswirkung des schwülen Wetters ist bei mir die Bildung zweier
kleiner roter Punkte unter dem Arm, welche ich zuerst als
"Moskito-Glückstreffer" abtat, denn sie bissen nur und - weil ich
inzwischen weiss, dass man an Moskitobissen nicht kratzen sollte - liessen
sich mit Parapic dazu überreden, Ruhe zu geben.
Wir packen eigentlich ungern unsere Sachen zusammen, jedoch sind wir auch
gespannt, wie Koh Samet aussieht. Gemäss unserem Buch ist dies eine Insel,
welche hauptsächlich von Thais besucht wird und in der Nebensaison fast
keine Besucher hat. Dies passt uns natürlich blendend, denn wir sind eh auf
Ruhe und Entspannung aus.
In Trat senden wir einen grossen Schub Einträge auf's Web und senden
viele Mails weg - ohne jegliche Probleme: Alle bekommen ihre Mails auch
tatsächlich. Es ist wirklich schön, nach so langer Zeit einen
unbeschränkten, unzensurierten und einigermassen schnellen Zugang zum
Internet zu haben! Wir tauschen unsere letzten Travellercheques ein, was ein
Signal ist, dass wir langsam nach Bangkok kommen müssen, um uns unser
letztes Geld überweisen zu lassen. In der Nacht rauben die zwei kleinen,
roten Racker unter meinem Arm mir den Schlaf, denn sie beissen wie wild.
Chantal will mich zu einem Doktor schleppen, doch entscheide ich mich
dagegen.
Die Fahrt nach Rayong, einer kleinen Stadt an der Küste, an welcher auch
Koh Samet liegt, grenzt für uns nach wie vor an ein Wunder. Wir fahren auf
die Minute ab, die Aircon funktioniert (zu gut, brrrr), die Sitze erlauben
auch uns grossen Menschen eine bequeme Fahrt und wir halten nur und
ausschliesslich an offiziellen Bushaltestellen. Wir schaffen die 250 km
Fahrt in weniger als 4 Stunden und kommen entspannt an. Dort wartet auch
schon ein Sammelsamlaw und fährt uns für reelle 15 Baht (55 Rp.) die 20
Kilometer von der Stadt zum Pier mit Booten nach Koh Samet. Alles klappt,
alles funktioniert. Wir sind begeistert ob der Infrastrukur hier. Mit dem
Boot "übersetzen" wir die 4 Kilometer auf die Insel. Dort sind
wir masslos enttäuscht: Von wegen kaum besucht und sanfte Entwicklung! Der
Strand sieht so aus, als wäre er irgendwo auf Ibiza oder an der Spanischen
Küste. Speedboote ziehen die "Banane" herum. Leute lassen sich
per Speedboot und Fallschirm herumziehen oder fetzen mit dem Jetski auf dem
Wasser herum. Und der Strand ist VOLLER leute. Genauso verhält es sich mit
der Qualität der Bungalows und dem Scherz mit dem "Nationalpark"
Am Eingang zum "Park" werden jedem Besucher 20 Baht abgeknöpft.
Einzig sichtbares Zeichen, für was dieses Geld verwendet wird ist der
grosse Farbfernseher in der "Rangerhütte" und einige kleine
Täfelchen an den umliegenden Bäumen, welche den lateinischen Namen der
Bäume beschreiben. (Zum Glück sind die Täfelchen baumschonend mit zwei
Nägel direkt im Holz des Baumes befestigt worden.) Im Park darf dann aber
jeder Quadratzentimeter mit irgendwelchen Bungalows verbaut werden. Thai
Umweltschutz in Hochform! Wir mieten uns in einem günstigen Hüttchen ein,
günstig nur darum, weil der Generator, welcher den Strom für dieses
"Resort" generiert knapp 40 Meter weg ist und unter Last die
Scheiben unseres Bungalows erzittern lässt. Später in der Nacht und
tagsüber ist der Lärm einigermassen erträglich. Wir sehen und hören von
unserem Bungalow aus das Meer nicht - toll, was? Alles hier ist auf
westliche Pakettouristen ausgerichtet - Bars, Trinkwettbewerbe, Shows und
besonders wichtig: U kan jet ja gandscha - no problem. Für Nichtkonsumenten
und Travelers mit Anspruch auf Kommunikation mit normalen Leuten und nicht
"très cool"-Travelern (Asien-Experten nach zwei Wochen auf einer
Insel!) mit blendend weissem T-shirt und ebensolchen Socken sieht es hier
eher schlecht aus. Ferien sind hier angesagt.
Wir fühlen uns nicht so besonders wohl hier, der Generator brummt uns
noch am nächsten Tag im Schädel herum und wir überlegen uns, wohin wir
noch gehen sollen. Leider überholt uns ein anderes Ereignis, bevor wir
überhaupt soweit kommen, eine Entscheidung zu treffen. Die zwei kleinen,
roten Dinger haben sich entzündet und sind nur in einem Tag angeschwollen
und tun weh. Über Nacht brauche ich dann
schon ein Eis, um die Schwellung unter Kontrolle zu halten. Am nächsten Morgen gehen wir dann auch zum Inselarzt und
dieser sagt nach Untersuchung, dass ich doch einfach diese Antibiotika
schlucken soll und alles werde dann nach einigen Tagen gut.
Wir bleiben noch, denn wir sollen in zwei Tagen
nochmal vorbeikommen, sollte es nicht besser werden. Die Antibiotika und die restlichen
Pillen, welche ich zu mir nehme, scheinen ihre Wirkung zu tun. (Es scheint,
dass asiatische Ärzte können nie nur eine Art von Pille verschreiben
können. Diesmal sind es wiederum eine Kombination von dreien, welche ich in
verschiedenem Rhythmus nehmen muss.) Während des Nachmittages aber kehrt die
Schwellung zurück und wird so gross wie noch nie: Ich kann meinen Arm nicht
mehr gerade am Körper herunterhängen lassen. Einserseits wegen dem Schmerz
und andererseits wegen der Kugel, welche die zwei Dinger entstehen haben
lassen. Am Abend sitzen wir im kleinen Resti neben den Bungalows und sehen
uns einen Film an, als ich auf einmal mich sehr, sehr schwach fühle. Ich
gehe langsam zum Bungalow (300m) zurück. Auf dieser Strecke fangen - trotz 35°
Umgebungstemperatur - meine Zähne an unkontrolliert zu klappern und ich friere, als wäre
ich in Unterwäsche bei -15° draussen im Schnee. Ich werfe mich ins Bett
und decke mich mit Badetüchern zu. Langsam wird es besser und ich benötige
Eis für den Arm. Chantal misst Fieber - alle 10 Minuten. Innert einer
Stunde steigt mein Fieber von 37.8 auf 39.2. Wir lassen uns zur Praxis des
Inselarztes bringen. Nur: Der Inselarzt ist nicht da - er hat heute Abend
frei. Mein Zustand verschlechtert sich viertelstundenweise. Nach Chantals
kurzer Suche nach dem Inselarzt kann ich bereits schon nicht mehr stehen -
meine Beine wollen mich nicht mehr tragen. Ein Pickup wird organisiert und
ich liege auf der Ladefläche und will sterben, während wir über die
Strecke zum Pier holpern.
Klar, dass um diese Zeit keine Boote mehr hin und her fahren. Wir müssen
eines chartern. Da es mir immer schlechter geht (ich war mir gar nicht bewusst,
wie schlecht es einem eigentlich gehen kann), entscheiden wir uns für ein
Speedboot, welches die Zeit der Überquerung von 50 Minuten auf 15 Minuten
verkürzt. Schnell ist einer der Jungs gefunden, der uns für 2400 Baht (90
Fr.) jetzt sofort rüberbringen kann. Es ist uns auch nicht besonders zum
Handeln zumute - es ist Zeit, einen Arzt zu finden. Wir steigen ins Boot und
Asien
holt uns wieder ein: Kein Bus macht sich ohne was auf den Weg? Richtig! Der
Tankstopp. Wir fahren zunächst mal der Insel entlang, bis wir an der
"Tankstelle" sind. Dort wird per Handpumpe Benzin und Öl ins Boot
gepumpt. Danach hängen wir nochmal einige Minuten herum, welche mir - auf
dem Deck liegend und elend in den Himmel blickend - wie Stunden vorkamen, um
auf den Jogi zu warten, der seiner Familie bescheid geben ging, dass er nun
ans Festland ginge (ob sie denn noch was brauchen, oder so - ahhhrrrggg!
Fahrt los!). Doch, doch, nach einer guten halben Stunde fahren wir dann
endlich los und mein Schmerz wird nicht weniger, als wir mit gut 40
Stundenkilometern von einer Welle zur nächsten fliegen und jeweils hart
aufsetzen.
Irgendwo zwischendrin halten wir an. Der Motor wird ausgemacht und die
Jungs hantieren wieder mit Benzin und Öl. Es scheint, als können sie nicht
mehr als eine bestimmte Menge Benzin einfüllen und dass es ein kleineres
Problem mit einer der Ölleitungen gebe. Auf jeden Fall sind wir bevor wir
weiterfahren noch bestimmt 10 Minuten alleine auf dem Meer mit dem
romantischen Rauschen des Wassers, dem langsamen Schaukeln des Bootes, den
Sternen am nachtblauen Himmel, dem Klappern und dem Geruch von Benzin- und
Ölkanistern und mir, der die Augen inzwischen geschlossen hat, da er ob den
eigenen Sternen vor den Augen die Sterne am Himmel nicht mehr ausmachen
kann. (Viele Sterne waren 'eh nicht zu sehen, denn dicke Wolken waren im
Anzug)
Wir kommen am Pier an. Dort geht's weiter mit der Organisation: Ein
Fahrzeug muss her. Alles ist zu und nur eine kleine Gruppe Männer spielt am
Pier unter einer nackten Birne Karten. Ich setze mich irgendwo hin und lasse
Chantal alles in die Hand nehmen. Man ist in Thailand in einer sehr
schlechten Position, wenn man etwas dringend benötigt. Handeln ist dann
sehr, sehr schwer. Wir haben heute nicht die Zeit dazu und nehmen einen
Pickup für 600 Baht, der uns direkt ins Spital von Rayong bringen soll. Ich
lege mich wieder auf die Ladefläche und schon fahren wir los. Immer wieder
hält der Fahrer an und sagt uns, wir sollen doch reinsitzen. Mir ist nicht
nach mich bewegen und Chantal ist nicht nach halten. Nach einigen sehr klaren
Worten, die sprachunabhängig als "Fahr!" verstanden werden
können, sind wir schnell wie der Blitz unterwegs - endlich haben wir so das
Gefühl, dass wir tatsächlich die Dringlichkeit haben, welche wir
eigentlich verdienen. Nach der Hälfte der Strecke fängt es dann auch noch
an zu regnen und wir werden zu allem hin noch recht nass auf der offenen
Ladefläche. Ist mir auch egal, denn während der Zeit war ich ob der Hitze
in meinem Körper sehr froh um die Abkühlung. Chantal muss Glück haben,
nicht eine Erkältung reinzuziehen. Nach nochmal 10 Minuten im Regen fahren
wir endlich die Auffahrt zum Spital hoch und ich lasse mich vom
Spitalpersonal von der Ladefläche in einen Rollstuhl verfrachten und gleich
in die Notaufnahme bringen.
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