2. - 5.7.99
Tagebuch Seite 42
Karte ansehen
Koh Samet & Die Fahrt nach Rayong - times getting hard again
Mit einem roten, gelben oder grünen Curry pro Tag, abgerundet mit viel Seafood, einem schönen Bungalow, einer Hängematte, fast keiner Seele und dem Meer 15 Meter vor der Hütte, geht die Zeit immer schnell vorüber. Viel zu schnell rückt das Datum, an welchem wir wieder ans Festland zurückmüssen heran. Das Wetter wird dermassen schwül und feucht, dass normales Bewegen automatisch Schweissausbrüche hervorruft. Während den letzten Tagen unseres Aufenthaltes brauen sich gegen den Abend - nach Sonnenuntergang - die irrsinnigsten Wolken zusammen, welche in der Nacht als stundenlange Gewitter ungesehenem Ausmasses uns den Schlaf rauben. Eine zweite Auswirkung des schwülen Wetters ist bei mir die Bildung zweier kleiner roter Punkte unter dem Arm, welche ich zuerst als "Moskito-Glückstreffer" abtat, denn sie bissen nur und - weil ich inzwischen weiss, dass man an Moskitobissen nicht kratzen sollte - liessen sich mit Parapic dazu überreden, Ruhe zu geben.

Wir packen eigentlich ungern unsere Sachen zusammen, jedoch sind wir auch gespannt, wie Koh Samet aussieht. Gemäss unserem Buch ist dies eine Insel, welche hauptsächlich von Thais besucht wird und in der Nebensaison fast keine Besucher hat. Dies passt uns natürlich blendend, denn wir sind eh auf Ruhe und Entspannung aus.

In Trat senden wir einen grossen Schub Einträge auf's Web und senden viele Mails weg - ohne jegliche Probleme: Alle bekommen ihre Mails auch tatsächlich. Es ist wirklich schön, nach so langer Zeit einen unbeschränkten, unzensurierten und einigermassen schnellen Zugang zum Internet zu haben! Wir tauschen unsere letzten Travellercheques ein, was ein Signal ist, dass wir langsam nach Bangkok kommen müssen, um uns unser letztes Geld überweisen zu lassen. In der Nacht rauben die zwei kleinen, roten Racker unter meinem Arm mir den Schlaf, denn sie beissen wie wild. Chantal will mich zu einem Doktor schleppen, doch entscheide ich mich dagegen.

Die Fahrt nach Rayong, einer kleinen Stadt an der Küste, an welcher auch Koh Samet liegt, grenzt für uns nach wie vor an ein Wunder. Wir fahren auf die Minute ab, die Aircon funktioniert (zu gut, brrrr), die Sitze erlauben auch uns grossen Menschen eine bequeme Fahrt und wir halten nur und ausschliesslich an offiziellen Bushaltestellen. Wir schaffen die 250 km Fahrt in weniger als 4 Stunden und kommen entspannt an. Dort wartet auch schon ein Sammelsamlaw und fährt uns für reelle 15 Baht (55 Rp.) die 20 Kilometer von der Stadt zum Pier mit Booten nach Koh Samet. Alles klappt, alles funktioniert. Wir sind begeistert ob der Infrastrukur hier. Mit dem Boot "übersetzen" wir die 4 Kilometer auf die Insel. Dort sind wir masslos enttäuscht: Von wegen kaum besucht und sanfte Entwicklung! Der Strand sieht so aus, als wäre er irgendwo auf Ibiza oder an der Spanischen Küste. Speedboote ziehen die "Banane" herum. Leute lassen sich per Speedboot und Fallschirm herumziehen oder fetzen mit dem Jetski auf dem Wasser herum. Und der Strand ist VOLLER leute. Genauso verhält es sich mit der Qualität der Bungalows und dem Scherz mit dem "Nationalpark" Am Eingang zum "Park" werden jedem Besucher 20 Baht abgeknöpft. Einzig sichtbares Zeichen, für was dieses Geld verwendet wird ist der grosse Farbfernseher in der "Rangerhütte" und einige kleine Täfelchen an den umliegenden Bäumen, welche den lateinischen Namen der Bäume beschreiben. (Zum Glück sind die Täfelchen baumschonend mit zwei Nägel direkt im Holz des Baumes befestigt worden.) Im Park darf dann aber jeder Quadratzentimeter mit irgendwelchen Bungalows verbaut werden. Thai Umweltschutz in Hochform! Wir mieten uns in einem günstigen Hüttchen ein, günstig nur darum, weil der Generator, welcher den Strom für dieses "Resort" generiert knapp 40 Meter weg ist und unter Last die Scheiben unseres Bungalows erzittern lässt. Später in der Nacht und tagsüber ist der Lärm einigermassen erträglich. Wir sehen und hören von unserem Bungalow aus das Meer nicht - toll, was? Alles hier ist auf westliche Pakettouristen ausgerichtet - Bars, Trinkwettbewerbe, Shows und besonders wichtig: U kan jet ja gandscha - no problem. Für Nichtkonsumenten und Travelers mit Anspruch auf Kommunikation mit normalen Leuten und nicht "très cool"-Travelern (Asien-Experten nach zwei Wochen auf einer Insel!) mit blendend weissem T-shirt und ebensolchen Socken sieht es hier eher schlecht aus. Ferien sind hier angesagt.

Wir fühlen uns nicht so besonders wohl hier, der Generator brummt uns noch am nächsten Tag im Schädel herum und wir überlegen uns, wohin wir noch gehen sollen. Leider überholt uns ein anderes Ereignis, bevor wir überhaupt soweit kommen, eine Entscheidung zu treffen. Die zwei kleinen, roten Dinger haben sich entzündet und sind nur in einem Tag angeschwollen und tun weh. Über Nacht brauche ich dann schon ein Eis, um die Schwellung unter Kontrolle zu halten. Am nächsten Morgen gehen wir dann auch zum Inselarzt und dieser sagt nach Untersuchung, dass ich doch einfach diese Antibiotika schlucken soll und alles werde dann nach einigen Tagen gut.

Wir bleiben noch, denn wir sollen in zwei Tagen nochmal vorbeikommen, sollte es nicht besser werden.  Die Antibiotika und die restlichen Pillen, welche ich zu mir nehme, scheinen ihre Wirkung zu tun. (Es scheint, dass asiatische Ärzte können nie nur eine Art von Pille verschreiben können. Diesmal sind es wiederum eine Kombination von dreien, welche ich in verschiedenem Rhythmus nehmen muss.) Während des Nachmittages aber kehrt die Schwellung zurück und wird so gross wie noch nie: Ich kann meinen Arm nicht mehr gerade am Körper herunterhängen lassen. Einserseits wegen dem Schmerz und andererseits wegen der Kugel, welche die zwei Dinger entstehen haben lassen. Am Abend sitzen wir im kleinen Resti neben den Bungalows und sehen uns einen Film an, als ich auf einmal mich sehr, sehr schwach fühle. Ich gehe langsam zum Bungalow (300m) zurück. Auf dieser Strecke fangen - trotz 35° Umgebungstemperatur - meine Zähne an unkontrolliert zu klappern und ich friere, als wäre ich in Unterwäsche bei -15° draussen im Schnee. Ich werfe mich ins Bett und decke mich mit Badetüchern zu. Langsam wird es besser und ich benötige Eis für den Arm. Chantal misst Fieber - alle 10 Minuten. Innert einer Stunde steigt mein Fieber von 37.8 auf 39.2. Wir lassen uns zur Praxis des Inselarztes bringen. Nur: Der Inselarzt ist nicht da - er hat heute Abend frei. Mein Zustand verschlechtert sich viertelstundenweise. Nach Chantals kurzer Suche nach dem Inselarzt kann ich bereits schon nicht mehr stehen - meine Beine wollen mich nicht mehr tragen. Ein Pickup wird organisiert und ich liege auf der Ladefläche und will sterben, während wir über die Strecke zum Pier holpern.

Klar, dass um diese Zeit keine Boote mehr hin und her fahren. Wir müssen eines chartern. Da es mir immer schlechter geht (ich war mir gar nicht bewusst, wie schlecht es einem eigentlich gehen kann), entscheiden wir uns für ein Speedboot, welches die Zeit der Überquerung von 50 Minuten auf 15 Minuten verkürzt. Schnell ist einer der Jungs gefunden, der uns für 2400 Baht (90 Fr.) jetzt sofort rüberbringen kann. Es ist uns auch nicht besonders zum Handeln zumute - es ist Zeit, einen Arzt zu finden. Wir steigen ins Boot und…Asien holt uns wieder ein: Kein Bus macht sich ohne was auf den Weg? Richtig! Der Tankstopp. Wir fahren zunächst mal der Insel entlang, bis wir an der "Tankstelle" sind. Dort wird per Handpumpe Benzin und Öl ins Boot gepumpt. Danach hängen wir nochmal einige Minuten herum, welche mir - auf dem Deck liegend und elend in den Himmel blickend - wie Stunden vorkamen, um auf den Jogi zu warten, der seiner Familie bescheid geben ging, dass er nun ans Festland ginge (ob sie denn noch was brauchen, oder so - ahhhrrrggg! Fahrt los!). Doch, doch, nach einer guten halben Stunde fahren wir dann endlich los und mein Schmerz wird nicht weniger, als wir mit gut 40 Stundenkilometern von einer Welle zur nächsten fliegen und jeweils hart aufsetzen.

Irgendwo zwischendrin halten wir an. Der Motor wird ausgemacht und die Jungs hantieren wieder mit Benzin und Öl. Es scheint, als können sie nicht mehr als eine bestimmte Menge Benzin einfüllen und dass es ein kleineres Problem mit einer der Ölleitungen gebe. Auf jeden Fall sind wir bevor wir weiterfahren noch bestimmt 10 Minuten alleine auf dem Meer mit dem romantischen Rauschen des Wassers, dem langsamen Schaukeln des Bootes, den Sternen am nachtblauen Himmel, dem Klappern und dem Geruch von Benzin- und Ölkanistern und mir, der die Augen inzwischen geschlossen hat, da er ob den eigenen Sternen vor den Augen die Sterne am Himmel nicht mehr ausmachen kann. (Viele Sterne waren 'eh nicht zu sehen, denn dicke Wolken waren im Anzug)

Wir kommen am Pier an. Dort geht's weiter mit der Organisation: Ein Fahrzeug muss her. Alles ist zu und nur eine kleine Gruppe Männer spielt am Pier unter einer nackten Birne Karten. Ich setze mich irgendwo hin und lasse Chantal alles in die Hand nehmen. Man ist in Thailand in einer sehr schlechten Position, wenn man etwas dringend benötigt. Handeln ist dann sehr, sehr schwer. Wir haben heute nicht die Zeit dazu und nehmen einen Pickup für 600 Baht, der uns direkt ins Spital von Rayong bringen soll. Ich lege mich wieder auf die Ladefläche und schon fahren wir los. Immer wieder hält der Fahrer an und sagt uns, wir sollen doch reinsitzen. Mir ist nicht nach mich bewegen und Chantal ist nicht nach halten. Nach einigen sehr klaren Worten, die sprachunabhängig als "Fahr!" verstanden werden können, sind wir schnell wie der Blitz unterwegs - endlich haben wir so das Gefühl, dass wir tatsächlich die Dringlichkeit haben, welche wir eigentlich verdienen. Nach der Hälfte der Strecke fängt es dann auch noch an zu regnen und wir werden zu allem hin noch recht nass auf der offenen Ladefläche. Ist mir auch egal, denn während der Zeit war ich ob der Hitze in meinem Körper sehr froh um die Abkühlung. Chantal muss Glück haben, nicht eine Erkältung reinzuziehen. Nach nochmal 10 Minuten im Regen fahren wir endlich die Auffahrt zum Spital hoch und ich lasse mich vom Spitalpersonal von der Ladefläche in einen Rollstuhl verfrachten und gleich in die Notaufnahme bringen.