10-15.6.99
Tagebuch Seite 40
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Angkor Wat, Speedboat und Weltwunder
Frühmorgens genehmigen wir uns ein letztes Mal Frühstück im Guesthouse und lassen uns noch zwei Sandwiches für die Bootsfahrt einpacken. Die nette Landlady empfiehlt uns noch ein Guesthouse in Siem Reap und bietet uns an, dafür zu sorgen, dass wir bei Ankunft von jemandem abgeholt werden - nett. Bald darauf fahren wir per Motorradtaxi Richtung Speedboat. Nach einigen Minuten sind wir bereits auf der Suche nach unseren Sitzplätzen in dem, für kambodschanische Verhältnisse hypermodernem Jetfoil russischem Ursprunges und 10-jährigem Einsatz in Vietnam. Die Fahrt ist ruhig (Abgesehen vom Karaoke-TV und dem üblichen Düdelsound) und schnell. Schon bald befinden wir uns auf den grössten Binnensee Asiens, dem Tonle Sap, der so seicht ist, dass er wie ein Tümpel überall "Clusters" von schwimmenden Pflanzen hat. Nichtsdestotrotz ist der See unglaublich gross und nicht wenige Male verschwindet am Horizont das Ufer und wir könnten uns auf einem "gelben" Meer wähnen. Nach knapp 4 Stunden erreichen wir unsere "Endstation" und müssen auf eine kleine Nussschale umsteigen, da, dank den an den Ufern des Sees wild wuchernden Wasserpflanzen, die eine dichtgewobene Schicht ausmachen, das Schnellboot mitten auf dem See ankern muss um nicht im grünen Dickicht hängen zu bleiben. Die Fahrt zum eigentlichen Hafen entpuppt sich als eine wahre Herausforderung für unser kleines Boot und deren Crew. Das Dickicht, dass uns von festem Boden unter den Füssen trennt, liegt wie ein unbezwingbarer fester Teppich vor uns und lässt uns kaum vorwärts kommen. Immer wieder stecken wir fest und müssen einige Meter zurücksetzten um dann vielleicht an einer anderen Stelle wieder dem gleichen Schicksal entgegenzusehen. Nach viel Dieselverbrauch, einigen unverständlichen Flüchen und der tatkräftigen Mithilfe der Bewohner des schwimmenden Dorfes erreichen wir den "Mainstreet"-Kanal. Der, befreit von jeglichen schlingenden Wasserpflanzen, durch das vietnamesische schwimmende Dorf, vorbei an der schwimmenden Schule zum schwimmenden Foodladen neben dem schwimmenden Rotkreuz-Krankenhaus führt. Da es keinen Strom gibt, ist der schwimmende Baterie-lade-Shop wohl einer der wichtigsten Anlaufstellen am Kanal mit der dementsprechenden Anlegestelle. Nach einigen hundert Metern Slalomfahrt zwischen den Haus- und Warenbooten hindurch erreichen wir das Festland. Wie versprochen werden wir von 2 Motorradjogis abgeholt und zum 17 km entfernten Siem Reap gefahren. Wir checken im Popular-Guesthouse ein, essen einen Happen und legen uns erstmals für ein zwei Stunden aufs Ohr, bevor wir über irgendwelche Touren, Guides und Motorräder für Angkor Wat verhandeln. Am späteren Nachmittag ziehen wir durch die Stadt auf der Suche nach Essbarem und landen in einem, im Kolonialstil erbauten, kleinen Restaurant. Abends erlösen wir unsere zwei Motorradjogis von ihrem Warten und Geldsorgen für die nächsten Tage und buchen sie für 3 Tage. Unser erster Tempeltag beginnt um sechs Uhr morgens und führt uns erstmal zum allgegenwärtigen Checkpoint, in dem die Parkangestellten uns lächelnd je 40 USD (!) für einen Dreitagespass abknöpfen und uns einen angenehmen Tag wünschen. Wir fahren entlang der palmengesäumten Strasse zum ersten Wassergraben und erhaschen den ersten von vielen atemberaubenden Blicken auf eines der sieben Weltwunder: Angkor Wat. Trotz der greifbaren Nähe dieser tausend Jahre alten Kultur stärken wir uns in einem der vielen kleinen Restaurants erstmal für den mit Sicherheit schweisstreibenden Tag. Genährt und bereit für jede Anstrengung geht es erst mal auf die kleine Runde (Petit Circuit, Grand Circiut: diese beiden Besucherrunden, von französischen Archäologen kreiert, sind die systematische Weise Angkor zu entdecken). Zu einem der 5 Eingangstoren der "Stadt". Die Brücke die über den Wassergraben (50 m breit, umgibt die 12x12 km grosse Stadtmauer) direkt zum Eingangstor führt ist flankiert von je 54 Steinfiguren die eine Naga (die 7-köpfige, allgegenwärtige Schlange) halten. Nach einem kurzen Stop und der genauen Besichtigung der Tores mit den vier gewaltigen Gesichtern auf dem Turm geht es weiter Richtung "Stadtzentrum". Im ersten von vielen Tempeln geraten wir auch schon in die Fänge der lokalen Guide-Mafia. Ein Junge, vielleicht 12 Jahre alt, begleitet uns auf unserem Rundgang und erklärt uns das Flachrelief, welches die ganze äussere Mauer umgibt. Immer wieder erklären wir ihm, dass wir keinen Guide brauchen, doch dieser Bengel denkt gar nicht ans aufgeben. Nach ca. einer Stunde im und um dem Tempel entschliessen wir uns zum Nächsten überzugehen. Wir machen uns auf dem Weg und entschliessen uns unserem "privaten Guide" 1 USD für die Führung in unverständlichem Englisch zu geben. Zu unserer Überraschung will er das Geld nicht annehmen. Der Grund ist nicht etwa, dass er es aus reiner Freude an der Sache getan hat, sondern weil diese Kröte 1 lumpiger Dollar viel zu wenig erscheint und er mindestens 5 Dollar für die Führung will. (Durchschnittliches Jahreseinkommen eines gelernten Arbeiters in Kambotscha: 135 USD!!) Nach einer erhitzten Diskussion strecken wir im ein letztes mal die 1 Dollarnote hin frei nach dem Motto: friss oder strib. Als er sieht, dass es seine letzte Chance ist überhaupt Geld von uns zu bekommen, greift er unter einem schwall von wahrscheinlich Flüchen nach der Note und verschwindet zwischen den Steinsäulen. Mit Wut im Bauch über diesen Ripoff-Versuch verschwinden wir in den nächsten Tempel und ersticken im Keim jeden Versuch der jungen "Tempelguides" sich an unsere Fersen zu hängen ab - mit Erfolg. Die Sonne scheint erbarmungslos auf uns und die Tempel herunter (trotz Monsunmzeit) und fordert nach 3 Tempelbesuchen bereits ihren ersten Tribut. Schweissgebadet und innerlich ausgetrocknet, verziehen wir uns erst mal in den Schatten und leeren eine Wasserflasche nach der anderen bevor wir dem nächsten der immer noch vielen vor uns liegenden Tempel entgegentreten können. Unser nächster Halt bringt uns zu einem weiteren Tempel, der einer der speziellsten in der ganzen Umgebung ist. Da es soviele Tempel gab, entschlossen sich die Archäologen einen so zu belassen wie sie ihn (und alle anderen) voriges Jahrhundert vorgefunden haben. Unmissverständlich zeigt uns hier die Natur wie vergänglich Menschenwerke sind. Über die Jahrhunderte haben die Urwaldriesen sich diese Tempelanlage zurückerobert. Mächtige Wurzeln umarmen die Türme und Mauern. Sie sprengen selbst die dicksten Mauern und zwängen ihre Wurzeln hindurch. Ein unglaubliches Schauspiel zwischen Natur und von Menschen Erschaffenes hat sich hier über Jahrhunderte abgespielt und wird auch in den nächsten Generationen nicht aufhören. Nach dieser einmaligen Wat sind die weiteren Tempel zwar nicht minder schön aber auch nicht mehr sehr eindrücklich und so fahren wir nach Beendigung des kleinen Rundganges zu Angkor Wat. Wie bereits erwähnt gilt Angkor Wat als eines der sieben Weltwunder und hat diesen Titel auch ganz bestimmt verdient. Es ist das grösste sakrale Bauwerk (welches dem hinduistischen Gott Vishnu geweiht ist) unseres Planeten. Die Erstellung dieses Bauwerkes dauerte 37 Jahre und sollte nach dem Tod des Erbauers als Grabmal dessen dienen. Die Flachreliefs entlang der äusseren Mauer bedecken eine Wandfläche von 800 Metern, sind in einem sehr guten Zustand und erzählen die Geschichte der damaligen Zeit. Die 5 Türme Ankgors fehlen auf keiner Flagge und gelten als Wahrzeichen Kambodschas. Auf der obersten Ebene hat man ein wunderschöne Aussicht über das ganze Gelände. Angkor Wat ist einer der beliebtesten Aussichtspunkte an dem sich jeden Abend hunderte von Touristen und Einheimische auf den Mauern niederlassen, um dem spektakulären Sonnenuntergang zuzusehen. (Wie wir in den nächsten Tagen bei unseren mehrfachen Besuchen zu verschiedenen Tageszeiten feststellten, haftet an dem Gebäude und an dem Gelände um Angkor Wat etwas besonderes: Eine Stimmung, ein Irgendwas, welches sich leider sehr schwer beschreiben lässt, und die Menschen immer wieder hierher zurückkehren lässt. Uns genauso, einfach zum Verweilen und das "Etwas" in aller Ruhe in sich aufnehmen) Wir verzichten an diesem Tag auf den Sonnenuntergang und machen uns müde auf den Weg zurück zum Guesthouse. Morgen ist auch noch ein Tag an dem die Sonne auf- und untergeht. Auch unser nächster Tag beginnt um sechs Uhr und unser erster Stop ist auch gleich Angkor Wat. Da die Sonne knapp über dem Horizont ist, ist das Licht für die Flachreliefe und die Innenhöfe ideal. Wir versuchen alles mit unserer Kamera einzufangen und geniessen die noch sanften ersten Sonnenstrahlen des jungen Tages. Unserer heutiger "Grosser Rundgang" führt uns zu den am Rande der Stadt gelegenen Tempel, die nicht von vielen Touristen besucht werden und somit der richtige Ort sind, um im Schatten eines Baumes zu sitzen und die einmalige Atmosphäre, welche die alten Tempel umgibt, auf uns wirken zu lassen. Als die Sonne mal wieder ihren höchsten Punkt erreicht und die Tempelbesuche ob den hohen Temperaturen eine Qual werden, fahren wir für 2 Stunden zurück zum Guesthouse. Diesmal lassen wir uns den Sonnenuntergang nicht entgehen, entscheiden uns aber für einen Tempel, der auf einem Hügel erbaut wurde und nehmen die kurze aber intensive Steigung in Angriff. Wir werden nicht enttäuscht. Die Aussicht ist phantastisch und der Sonnenuntergang zeigt sich trotz einiger sehr dunkler Wolken in den prächtigsten Farben. Wieder zurück im Guesthouse schaffen wir es knapp noch, einen letzten Bissen zu uns zu nehmen und schleppen uns ins Zimmer, wo wir todmüde einschlafen. Unser letzter Tempel-Tag beginnt auch heute wieder in aller Frühe. Alle Wats die wir heute besuchen werden liegen ca. 20 km ausserhalb von Siem Reap. Die Strasse zu diesen Tempeln war während den vergangenen Jahren nicht sicher genug, um Touristen den Zugang zu den Tempeln zu ermöglichen. Immer wieder kam es zu "Zwischenfällen". Die Bauwerke konnte, wenn überhaupt, nur mit schwer bewaffnetem Polizeischutz besucht werden. Heute ist die Strasse "sicher" und der Tempel zählt zu einem der schönsten in ganz Angkor, dementsprechend ist auch der Andrang der Besucher ziemlich gross. Wir bewundern die speziell gut erhaltenen Steinmetzarbeiten an dem im Verhältnis zu den anderen immensen Tempeln klein erscheinenden Bauwerk und lassen uns an einem schattigen Plätzchen nieder, um die Umgebung zu geniessen bevor wir zum nächsten 25 km entfernten Tempel fahren. Die Strasse führt uns durch Reisfelder (so weit das Auge reicht) und kleine Dörfer bis wir zu dem weiteren Tempel kommen. Nach bald drei Tagen zwischen all den sakralen Gebäuden, wenn auch noch so schön, und einer Sonne die erbarmungslos auf uns niederbrennt, hält sich unsere Begeisterung im Rahmen und unsere Besuche der drei letzten Tempel fallen eher kurz aus. Wir entschliessen uns wieder der tödlichen Mittagshitze zu entfliehen und fahren zurück zum Guesthouse für ein kurzes Nickerchen. Später, zurück in der Tempelstadt besuchen wir noch einmal den Dschungeltempel im Abendrot bevor wir die oberste Ebene von Angkor Wat erklimmen um das abendlichen Schauspiel des Sonnenunterganges zu geniessen. Ankgor Wat sollte von jedem einmal besucht werden. Trotz dem, dass von den 40 USD Eintrittsgebühr nur gerade 3% zur Restauration der Tempel verwendet werden (Der Rest ist "Administration"), werden die Tempel von verschiedenen Ländern auf eigene Rechung restauriert und so sollten die Tempel mit jedem Jahr besser aussehen und nach und nach wieder im "alten" Glanz erstrahlen. Wir freuen uns schon darauf, in einigen Jahren wiederzukommen, um zu sehen, was inzwischen passiert ist. Dass wir nach drei solch harten Tagen nicht gleich am nächsten Tag zur Thai-Grenze fahren, ist klar und so lassen wir es uns in Siem Reap während zwei Tagen gutgehen um gewappnet zu sein für "Die schlimmste Strasse der Welt" (übereinstimmendes Verdikt aller Reisenden, die wir getroffen hatten, welche die Strasse "hinter sich" gebracht hatten) - kann doch nicht so schlimm sein: Es gibt keine schlechteren "Strassen", als die in Nordvietnam (sollte man meinen). A ver!