4.-10.6.99
Tagebuch Seite 39
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Kambodscha, Phnom Penh - first Contact
Etwas verspätet essen wir Frühstück in der Lobby unseres Guesthouses. Als wir auschecken, fängt uns Cúc, die Besitzerin, welche sonst sehr wenig hier ist, ab und bedankt sich persönlich bei uns für unseren Aufenthalt in ihrem Guesthouse und schenkt uns noch zwei Vietnam-T-Shirts. Netter Zug! Als wir dann, bepackt und bereit für die 200 Meter zur Bushaltestelle sind, bekommen wir noch ein grosses Wasser mit auf den Weg. Wir müssen uns beeilen, denn der Bus ist (in Theorie) schon seit über einer Viertelstunde weg. Sollte aber - wie uns unsere Erfahrung schon soviele Male gelehrt hat - kein Problem sein, denn der Bus steht noch dort und wir haben zudem noch locker Zeit, unsere übrigbleibenden Dong in Zigaretten umzutauschen. Als wir dann am Einsteigen sind, kommen die Jungs vom Guesthouse nochmal vorbei und bringen uns eine grosse Flasche Cola - eiskalt - mit, weil wir doch so gerne Cola trinken, könnten wir die Cola auf dem Weg trinken und das Wasser später... Fast zuviel des Guten, aber hinterlässt ein sehr gutes Bild. (Vielleicht sollten wir mal sagen, welches Guesthouse das überhaupt war: Guesthouse 64, Bui Vien 64 - 10 Dollar für ein A/C-Zimmer inkl. 2-3 vollen Mahlzeiten am Tag, falls gewünscht. Und wie gesagt, die Leute dort sind eine Schau.) Der Bus fährt gelegentlich ab und wir verlassen recht zügig Saigon. Wir kommen nach gut 2 Stunden an der Grenze an. Die Grenze hier ist eine reine Formalität - speziell dankbar waren wir, als an unseren Backpacks keine Durchsuchungen durchgeführt wurden. Knapp 100 m hinter dem Zollgebäude steht das übergrosse Grenztor, durch welches wir schreiten und offiziell Vietnam verlassen. In diesem Moment haben wir wieder mal ein weinendes und ein lachendes Auge. Obwohl es Zeit ist, ein neues Land zu entdecken, ist uns Vietnam mit all seinen Eigenheiten sehr ans Herz gewachsen. Es ist uns beiden klar, dass wir wiederkommen werden, ob nun als Tourist, oder zum Arbeiten, das können wir nicht vorhersagen. Aber dass wir wiederkommen werden, an dem besteht kein Zweifel! Gleich hinter dem Tor ist schluss mit Teer. In der ca. 500 m breiten Zone des Niemandslandes werden wie üblich Geschäfte jeglicher Art durchgeführt und ganze Lastwagenladungen von Hand in andere Lastwagen umgeladen. Auf der kambodschanischen Seite sieht das Grenztor mit seinen Türmchen, welche jenen von Angkor Wat nachempfunden sind, und den Khmer-Lettern sehr funky aus. Wir gehen durch die üblichen Prozeduren und stehen nach nur 30 Minuten ganz legal und ohne durchsuchten Backpacks auf Kambodschanischem Boden. Da noch einige der Leute an der Vietnamesischen Grenze Probleme haben, (What else is new?) müssen wir dann aber noch über eine Stunde warten, bis alle den Weg zum Bus gefunden haben und wir über eine ehemals geteerte Piste mit vielen Schlaglöchern fahren. Der Bus stöhnt tief in seinem Inneren dauernd ob der sich in einem erkläglichen Zustand befindenden Strasse über die der Busfahrer den Bus ohne Mitleid jagt. Die Gegend ist eher uninteressant. Flach und ohne grösseren Charme. Es ist jedoch recht interessant, die grossen Unterschiede zwischen denen zu sehen, die Geld zu haben scheinen (Villen mit goldbelegten Toren, Satellitenschüsseln und den neuesten 4WD-Fahrzeugen) und denen ohne Geld (Bambushüttchen ohne garnichts). Und alle leben an der Strasse, die zeitweise nur aus Morast besteht. Nach gut 5 Stunden kommen wir in Phnom Penh an. Die Stadt hat ein gewisses Chaos an sich und es fahren viel, viel mehr Autos rum, als irgendwo in Vietnam. Das Essen hier ist (im Vergleich) recht teuer und da es schon Abend ist, haben wir auch keine Lust, gross noch die Stadt zu erkunden. Das machen wir morgen. Nicht besonders früh aufgestanden und vor allem nicht sehr zufrieden mit unserem fensterlosen Verschlag, machen wir uns auf den Weg, zu Fuss die Stadt zu erkunden. Wir sehen uns das "Last Home"-Guesthouse (komischer Name, nicht?) an, welches uns für den gleichen Preis ein grosses, uraltes französisches Doppelbett anbietet und dazu vor unserem Zimmer einen Balkon hat. Klar, dass wir uns entschliessen, das Guesthouse zu wechseln. Phnom Penh ist gross und wurde für Autoverkehr gebaut. Die grossen Boulevards (Alle benannt nach Orten oder Personen - einer heisst z.B. Mao Tse Tung Blvd.) sind lang und frustrieren jeden Fussgänger. Die meisten anderen, kleineren Strassen sind nicht mal geteert. Phnom Penh ist auch die Stadt, welche uns in Erinnerung bleiben wird, als die Stadt mit mehr Mobiltelefon-Läden als Food-Läden. Mobiltelefonie ist hier so verbreitet, dass die Kambodschaner mit den minimalsten Betriebskosten zwischen 6 (!!) verschiedenen Netzen der modernsten Technologien (900 MHz/1.8 GHz GSM) wählen können. Kaum jemand scheint mehr einen Fixanschluss mehr zu haben. Überall kann man die Mobil-Fix-Umsetzer an den Wänden in den Gebäuden sehen, welche die normalen Telefone eines Hauses in das Mobilnetz einbinden. Die Werbung ist dermassen aggressiv, dass es kaum einen Ort gibt an dem man nicht ein Logo einer der Firmen sehen kann. Zudem scheint es, als wäre die Stadt mit 2 m Funkgeräten überschwemmt. Wer sich kein Mobilfon leisten kann, ist zumindest mobil über seine Icom-Rufnummer erreichbar - extrem! Wir wollen uns am Nachmittag das berühmt/berüchtigte Gefängnis im Zentrum der Stadt ansehen, wo tausende Leute durch die Schergen Pol Pot's gefoltert und verhört wurden. Es ist kaum vorstellbar, welche Greueltaten hier verübt wurden. Ehemals eine Schule, wurden die verschiedenen Räume in Massenzellen oder Folterzimmer umfunktioniert. Das Museum verzichtet bewusst auf viele Bilder oder Text. Die Stimmung und die originalen, archaischen Folterwerkzeuge, welche in den Zimmern belassen wurden sprechen für sich selber. In einem weiteren Gebäude wurden alle Galerien mit einem Stacheldrahtmaschenzaun verhängt, nachdem eine Gefangene auf dem Weg zur Folterung in den Tod gesprungen und somit der unglaublich brutalen Folterung entkommen war. Von jedem Opfer wurde bei der Einlieferung, nachdem es gefoltert wurde und nach der Tötung ein Foto gemacht, damit bewiesen werden konnte, dass die Leute ihre Arbeit tatsächlich gemacht und nicht bestochen wurden. Zwei Räume sind voll von diesen Fotos. Von der Decke bis zum Boden. Kleine 9x12 oder kleiner, aller Leute, die durch dieses Gefängnis gingen und meist für den Tod zu den bekannten "Killing Fields" abtransportiert wurden. Zehntausende Gesichter von Frauen, Kinder, Jugendlichen, Männern und Greisen. Keinem blieb das Schicksal erspart. Besonders rührend war der Moment, als wir von einem Jugendlichen angesprochen wurden, der uns bat, von einem der tausenden Fotos ein Foto zu machen, denn er habe kein Foto von seinem Bruder, der hier gewesen sei. Wir entsprechen seinem Wunsch und bekommen seine Adresse, damit wir ihm, wenn wir den Film entwickeln, ihm das Foto senden können. Alles in allem ein sehr, sehr gespenstiger Ort, der einem die Angst bis auf die Knochen sendet. Wieder draussen treffen wir auf ein Paar aus Dänemark, welches gestern mit uns nach Kambodscha gefahren ist. Sie sind mit einem anderen Budget unterwegs und haben für den Tag ein Auto gemietet. Sie bieten uns an, mit ihnen zu den "Killing Fields" ausserhalb der Stadt zufahren. Gerne, speziell, weil das Auto eine Klimaanlage hat und so uns die stickige Hitze für einen Moment vergessen lässt. Angekommen bei den Killing Fields, gibt es dort eigentlich gar nicht so viel zu sehen. Hier wurden die armen Individuen, welche die Folter überstanden mittels Spitzhacken (um Munition zu sparen) getötet. Die Köpfe von Kindern wurden an einem Baumstrunk zersplittert oder als lebende Tontauben in die Luft geworfen. Die Liste der Greueltaten ist lang und kann dort eingesehen werden. Die unzähligen Massengräber in der unmittelbaren Umgebung sind heute nichts mehr als wassergefüllte Teiche. Jedoch ist die kleine Pagode, welche zu ehren der Toten errichtet wurde um so angsteinflössender: Im Inneren sind all die Schädel der Toten aufgestellt, damit sie jeder sehen kann. Sortiert nach Alter, Geschlecht und Herkunft. Sogar die Schädel einiger Europäer, welche hier getötet wurden. Recht bald haben wir genug von all den Greueltaten und deren Beweise (ein Nachmittag des Grauens, könnte man sagen) und so machen wir uns auf den Weg zurück in die Stadt. Unterwegs, auf einer kleinen, ungeteerten Strasse werden wir von der schlechten Infrastruktur dieses Landes eingeholt: Als wir über eine kleine Brücke fahren, die aus nichts anderem besteht, als zwei T-Stahlprofile und Brettern darüber (dies ist die einzige Zubringerstrasse zu den Killing Fields und über diese kleine Brücke fahren täglich unzählige Autos und Busse) brechen zwei dieser Bretter und unser Auto sackt ein und liegt in einem gefährlichen Winkel auf dem Chassis auf. Keinerlei Möglichkeit, das Auto aus eigener Kraft wieder weiterzubewegen, steigen wir alle aus, um den Schaden anzusehen. Unter unserem Vorderrad ist nichts als zwei Meter Luft und dann Wasser. Nun gut. Wir sind ja drei Männer plus zwei Frauen, oder? Zusammen heben wir das Auto an und bewegen es wieder soweit zurück, dass es wieder auf allen Rädern steht. Wir finden dann ein Stück Holz, welches wir in Fahrtrichtung über das Loch legen und der Fahrer muss ziemlich genau fahren, denn das eine Rad ist auf dem T-Träger und das andere auf unserem behelfsmässigen Holzstück. Alles geht gut für uns und schon können wir weiterfahren. Was mit dem Bus geschieht, der während unserem Balanceakt ankam, hätte uns ja schon interessiert... Wir gehen mit den Dänen essen und verbringen an der Uferpromenade einen schönen Abend ohne das Grauen eines vergangenen Regimes. Es war eine gute Entscheidung, in das "Last Home" zu ziehen. Die Leute dort sind äusserst hilfsbereit und die "Betriebsphilosophie", obwohl etwas eigenartig, verständlich. Das Personal und die Besitzer des Guesthouses sind ausschliesslich Frauen. Männer werden nicht zugelassen. Sogar die Katzen sind Weibchen, denn wie uns die Besitzerin erklärte, seien alle Männer faule, nutzlose Individuen (Lebensformen), die nicht arbeiten könnten (Gene?). Wir sollen uns doch nur mal die Motofahrer auf der anderen Seite der Strasse ansehen, die nur den ganzen Tag auf dem Motorrad rumlungern und Reisschnaps trinken. (wahr, wahr!) Männliche Katzen seien genauso und fingen keine Ratten oder Mäuse, welche das Haus plagten. Alles in allem fühlen wir uns in Phnom Penh schon wohl, während des Tages zumindest. Abends tauchen überall komische Gestalten auf und es wurde uns von lokalen Leuten stark davon abgeraten, nachts mit einem uns unbekannten Motofahrer mitzufahren. Was die Sicherheit betrifft, sind wir einigermassen beruhigt, es scheint als sei alles in einer fragilen Gleichgewichtssituation. Damit unserem Guesthouse nichts passiert, patrouilliert ein junger Mann mit einer AK47 herum. Sicher? Na ja, wir würden keinen Disput mit ihm anfangen wollen... Während wir in der Stadt sind, wird zweimal der komplette Stadtkern von Polizei und Armee abgeriegelt. Einmal, weil ein führender Khmer Rouge nach nur einem Tag Gerichtsverhandlung (sehr effizient) zu lebenslanger Haft verurteilt wurde und die Autoritäten angst hatten, dass eine aufgebrachte Menge, diesen Menschen lynchen würde und das zweite Mal während einer Demonstration von Bauern, die von den Vietnamesen von ihrem Land vertrieben wurden. Vietnam ist eh' ein sehr schlechtes Thema, um es mit Kambodschanern zu diskutieren. Speziell, wenn man dieses Land preist. Seit gut zehn Jahren annektiert Vietnam ganz im Geheimen Stückchenweise Teile von Kambodscha im Mekong-Delta. Sie wenden militärische Gewalt an und vertreiben die Bewohner dort, um ihre eigenen Bauern siedeln zu lassen. Etliche hundert Quadratkilometer sind so inzwischen zu Vietnam geworden. Die nun heimatlosen Bauern kommen in die Stadt und protestieren. In der Vergangenheit waren nicht wenige dieser Demos sehr gewalttätig. Darum wurde die Stadt für "Ausländer" kurzerhand gesperrt. Trotz dieser Probleme sehen wir uns noch das Nationalmuseum an, weil die besten Stücke aus Angkor Wat hier aufbewahrt werden, damit sie internationale Kunstdiebe nicht in die Finger bekommen. Schon das Museum selber ist einen Besuch wert. Die Architektur ist wunderschön und der kleine Innengarten ist äusserst ruhig und lädt zum Verweilen ein. Abends jeweils setzen wir uns in eines der kolonialen Cafés an der Flusspromenade und sehen bei einem Gin&Tonic (Überlebensfrage - Malaria soll neuerdings nicht mehr Chinin-resistent sein.. ;-)) die Motorrad-Prozession der Kambodschaner an. Schon ist fast eine Woche vergangen und wir möchten weiter. Eigentlich klingen so viele Destinationen in Kambodscha richtig interessant. Leider bekommen wir von so vielen Quellen dermassen anderslautende Auskünfte für den Land- oder Wasserweg (Kein Problem bis absolut gefährlich) und wir nicht fliegen wollen, entscheiden wir uns, unsere Tour nach Siem Reap fortzusetzen. Unser Ticket für das sogenannte "Speedboat" bekommen wir nach Längerem für 22 USD statt 25 und werden die Stadt am 10.6. (an diesem Datum vor einem Jahr sind wir gestartet!) verlassen.