13.-20.5.99
Tagebuch Seite 37
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Das Mekong-Delta - Flach und flacher
Nicht allzu früh ging's dann los, aus Ho Chi Minh City raus. Die Stadt ist grösser, als man annimmt. Speziell, wenn man über den Stadtteil Cho Lon Richtung Delta fährt. Dieser Stadtteil wird als "China-Town" Saigons bezeichnet. Und tatsächlich, hier ist alles in Chinesisch angeschrieben und die unzähligen Märkte surren nur so vor Geschäftigkeit. Wenn man den Namen Cho Lon übersetzen würde, käme man auf "Markt gross" - so simpel und treffend! Wir kämpfen uns durch die ganzen Lasten-Cyclos und Warenschlepper und kommen ziemlich bald in eine komplett flache und recht uninteressante Gegend. Eine grosse Strasse, die N1, führt hier Richtung Süden und rundherum sind entweder Siedlungen, Reisfelder oder Bambus/Palmenwälder, soweit das Auge reicht. Einziger Lichtblick auf unserer Reise nach My Tho ist die Überquerung eines der Mekong-Arme (Der Mekong teilt sich im Delta in unzählige Arme, was die einzelnen Arme aber bei weitem nicht kleiner macht) mit einer Fähre - es sollte nicht die einzige bleiben. In My Tho angekommen werden wir sogleich von zwei Jungs auf einem Motorrad abgefangen (wie kann es sein, dass sie immer so schnell wissen, dass wir da sind?) und sie bieten uns an, uns bis zum Hotel zu begleiten. Das es nicht dabei bleiben würde, war uns von Anfang an klar, aber was kann uns mehr passieren, als dass wir nein sagen müssen? Wir erreichen das Hotel, welches mehr als nur bessere Zeiten gesehen hat: Nur einer der Flügel ist gebaut worden, aus den Wänden stehen überall die rostigen Armierungsstahlstangen heraus und der Rest des Areals wird zur Zeit als Mülldeponie verwendet. Die Zimmer sind in einem erbärmlichen Zustand und die Klimaanlage (Russisches Modell, seit sicher einem Jahrzehnt weder gebraucht oder auch nur berührt, die Kabel hängen, mit Klebeband mehrfach repariert, unverbunden kraftlos an einem Nagel in der Wand) gehört eher in ein archäologisches Institut, als hier in unser Zimmer - kein Fenster mit Tageslicht - und der einstmals blaue Verputz wurde durch eintretendes Wasser mehr als nur verfärbt. Bestens geeignet als Zelle. Als wir uns dann in unserer Zelle im 4. Stock (Der Lift war auch nur noch als Türen zu erahnen) eingerichtet hatten, machten wir uns auf den Weg, zu sehen, was die Jungs uns anzubieten haben. Nicht nur die Jungs sondern auch ein sehr unsympathischer, alter Mann warten auf uns. Da das Alter hier in Vietnam immer Vorrang hat, kommt der Alte auf uns zu und versucht uns mit "Druck" auf eine Bootstour mit seinem Boot einzubuchen. Wir lassen uns nicht beirren und gehen nach der nicht überzeugenden Show vom Alten zu den Jungen, die uns schon von Anfang an sympathischer waren und finden heraus, dass beide Parteien genau das Gleiche anbieten. Die Jungen sind leicht billiger und schon haben wir uns entschlossen - es kann losgehen! Einige Minuten später sitzen wir schon in einem kleinen Boot und tuckern auf einem der vielen Arme des Mekong Richtung Kanäle. Der Mekong hier ist gut und gerne einen Kilometer breit und immer wieder sind mittendrin Inseln, auf denen ganze Dörfer stehen. Die Fahrt auf dem Mekong ist aber nur von kurzer Dauer: kaum erkennbar biegen wir auf einmal in ein Dickicht von Palmen und Bambus und fahren in ein Meer von fluoreszierendem Grün. Alles hier besteht aus Wasser oder Pflanzen. Häuser, obwohl nur Meter von uns entfernt sind ob dem ganzen Grün kaum zu erkennen. Auf diesem kleinen Kanal fahren wir kilometerweit unter einem Dach von Palmblättern, die das Sonnenlicht kaum bis zum Wasser vordringen lassen, bis wir dann aussteigen und bei einer der vielen kleinen "Fabriken" vorbeischauen, welche die süchtigmachenden Kokosnuss-Bonbons produzieren, welche überall in Vietnam verkauft werden. Die Produktionsmethoden sind archaisch: Zwei Typen teilen die Kokosnüsse und nehmen das Fruchtfleisch und den Saft heraus. hernach wird das Fruchtfleisch zerkleinert und mit dem Saft solange gekocht, bis daraus eine dickflüssige Melasse entsteht. Damit auch nichts übrigbleibt, werden fürs Feuer die Kokosnussschalen verwendet. Es gibt zwei Varianten dieser Melasse. Die "original"-nur Kokos und eine, welche mit einer Art Gras gekocht wird, welches den Bonbons eine leuchtende grüne Farbe gibt und einen leicht anderen Geschmack, der zwar schwer zu beschreiben ist, aber äusserst gut schmeckt. Nach der "Fabrik" (Ein Wohnhaus mit grösserem Vorplatz, auf dem die ganze Operation läuft) steigen wir wieder ins Boot und setzen unsere Fahrt im Grün fort. Wir besuchen eine Fruchtfarm, welche auch Bienenzucht betreibt. Es war ein sehr spezielles Gefühl, als man uns anbot, direkt mit dem Finger den Honig aus den vor Bienen nur so strotzenden Waben zu holen. Die Bienen liessen sich durch meinen Finger aber überhaupt nicht aus der Ruhe bringen und der Honig schmeckte vorzüglich. Wir bekamen Honig-Tee und Honig-Reisschnaps und jede menge reifer und zuckersüsser Früchte vorgesetzt und verbrachten dort mit der Besitzerin eine gute Stunde. Der Rest der Fahrt war nicht besonders interessant und gegen Abenddämmerung kamen wir wieder in My Tho an. Alles in allem war aber der Nachmittag richtig angenehm gewesen. Das Abendessen in einem lokalen Resto stellte sich dann als wiederum sehr interessant heraus, weil wir zwei alte Nordvietnamesische (aber vehement amerikafreundliche) Kriegsveteranen trafen, die wegen ihrer Überzeugung mehrere Jahre in "Umerziehungslagern" verbringen mussten und welche sich lauthals über die Zustände in Vietnam bei uns beschwerten und gleichzeitig aber das Land selber in den höchsten Tönen lobten. War kein Widerspruch in sich und die alten Jungs wussten viel von früher zu erzählen - ergo die Zeit flog nur so dahin. Spät erst kamen wir zum schlafen. Dank unseren exzellenten Karten wussten wir von einer kleinen Strasse, die einem Mekong-Arm entlangführt und entschlossen uns, der ewig-präsenten N1 für einen Tag zu entfliehen, indem wir diesen kleinen Strässchen folgen. Das Wetter, ganz Monsun-untypisch, begrüsst uns mit einem wunderschönen Tag. Die Strasse ist klein, kerzengerade und ffflllaaaccchh! Die Gegend und Leute gefallen uns zunehmend wieder, weil wir nach nur einigen Kilometern wieder angestarrt werden, als wären wir von einem anderen Stern und wir erregen ein grösseres Aufsehen, wenn wir mit unserem Motorrad an einem der kleinen Kanäle auf das Übersetzen mit einem der kleinen Böötchen warten. Landschaftsweise bewegt sich aber alles im Rahmen von gestern: Flach, Reis, Bambus/Palmen und einigen kleinen Dörfern. Die Kanäle aber sind eine Schau. Kerzengerade und endlos lang führen sie von einem Mekong-Arm in den anderen. Lastenboote aller Couleur fahren hin und her und ganze Dörfer leben augenscheinlich davon - halb auf dem Land und halb auf dem Wasser. Nach einem Platten Reifen in Cai Lai, wo wir uns während der Wartezeit es nicht nehmen lassen konnten ins Café "Quench your Thirst" zu gehen und das zu machen, was der Name des Cafés vorschlägt, fuhren wir ziemlich direkt (mit 2 Fähren) zur kleinen Stadt Long Xuyen, wo wir ob der langen Fahrt nur noch in einem lokalen Resto essen gingen und dann ziemlich bald ins Bett kippten. Der nächste Tag begann mit einem guten Frühstück in kleinen Café gleich neben dem Hotel, wo wir das Dafür und Darwider diskutierten, ob wir bis zu einer kleinen Stadt an der Kambotschanischen Grenze fahren sollten, um entlang dieser Grenze dann zu dem kleinen Grenzort Ha Tien gelangen sollten, oder ob wir besser mehr im Landesinneren bleiben sollen. Wir entscheiden uns gegen die Grenzfahrt, weil wir schon gebrannte Kinder sind, was die Sensitivität der Vietnamesischen Grenze zu anderen Ländern anbelangt. (Wir sollten aber dann durch mehrfache Irrfahrten doch noch die ideale Zwischenlösung finden) Heute verändert sich die Gegend leicht: Ein zwei Hügel (200-300 m hoch), die in dieser platten Landschaft aussehen, als wären sie hohe Berge. Sonst bleibt alles beim Alten. Ein paar komische Neuerungen kommen heute noch dazu: Buddhistische Wat's, die in den orangen Wickelkleidern verpackten wandernden Mönche und immer mehr Sachen, die in Khmer angeschrieben sind. Die neue Mischung macht sich sehr gut und es scheint, als würden die kleinen chinesischen Tempelchen, die man überall in Vietnam findet, die kleinen Cao Dai-Stühle mit ihrem allessehenden Auge und die katholischen Kirchen im fröhlichen und friedlichen Durch- und Nebeneinander gut auskommen. Unsere Fahrt wird heute immer durch eine sehr böse aussehende Wetterfront überschattet, die immer so aussieht, als würde sie uns in den nächsten Minuten einholen. Entlang der bisher längsten Strasse ohne Kurven oder sonstige Störungen, die über 60 km einfach nur geradeaus geht, bauen wir wieder einen annehmbaren Abstand zur Wetterfront auf und kommen am Ende dieser an der grösseren (geteerten) Strasse nach Ha Tien an. Von hier aus geht's recht zügig voran. Die endlosen Reisfelder weichen langsam Mangrovenwäldern oder unbebaubaren Sümpfen. Wenig Siedlungen hier und die grösste Ortschaft vor Ha Tien wird von einer grossen, gelbe Rauchschwaden von sich gebenden Zementfabrik dominiert, von der die ganze Ortschaft zu leben scheint. Während den letzten 30 km fahren wir direkt dem Meer entlang und sehen die vielen kleinen, vorgelagerten Inseln, bis wir, nach dem wir über eine kostenpflichtige, behelfsmässig aussehende Pontonbrücke gefahren sind, in Ha Tien ankommen. Wir mieten uns in einem netten kolonialen Hotel mit grossen Zimmern und Stukko an der Decke ein und gehen dann essen, wo wir bei einem Hühnergericht dem Huhn gedenken, welches wir heute kurz vor Quong Yen überfahren und in den Hühnerhimmel geschickt haben. Am späteren Nachmittag fahren wir los, um die Umgebung etwas näher zu erkunden. Es gibt eine Pagode, die in einen Felsen gebaut ist und einige Strände zu sehen. Weder die Pagode noch die Strände halten den grossmundigen Versprechen der lokalen Leute stand, dafür ist die Gegend wunderschön (Palmen, das Grün des jungen Reises und tiefrote Erde), speziell mit den Licht/Schattenspielen, welche die Sonne mit den anrückenden tiefschwarzen Wetterfront, der wir heute bisher so gekonnt entwischt sind, kreiert. Unser Glück mit dem Entkommen der Wetterfront sollte aber ausgelaufen sein: Auf dem Weg zurück von den Stränden überfiel uns ein solch massiver Regenguss, dass wir innert Sekunden, ohne Chance, einen Unterstand zu suchen, bis auf die Knochen nass wurden. Glücklicherweise war die Show schon aber nach 10 Minuten vorbei und als wir in Ha Tien ankamen, waren die Strassen schon wieder trocken. Wir aber waren noch triefend nass und speziell unser Geld und unsere Pässe mussten auf unserer Wäscheleine aufgehängt und getrocknet werden - unser Zimmer sah aus, als wären wir eine Fälscherzentrale. Am Abend begann es dann wieder zu regnen und wir verkrochen uns unter den Planen eines kleinen, extrem laute Musik spielenden Cafés, welches aber einen gewissen Charme hatte und gute, kühle Drinks servierte, bevor wir uns - mit all unserem aufgehängten Geld - ins Zimmer zurückzogen. Die Fahrt nach Rach Gia am nächsten Morgen ist keiner näheren Erwähnung würdig und auch nicht das Hotel in dem wir uns einmieten. Wir erkunden die Stadt, die einen grossen Unterschied zu allen anderen Vietnamesischen Städten hat, in denen wir bisher gewesen sind: Keine Märkte, keine Händler. Die Märkte innerhalb der Stadt wurden dem Erdboden gleichgemacht und weit ausserhalb der Stadt hat man ein grosses Gebäude mitten in eine Neubausiedlung gestellt, wo naturgemäss niemand hingeht und wo es zur Zeit so steril, wie irgendwo in einer Neubausiedlung in Europa aussieht. Am nächsten Tag erkunden wir die Stadt weiter und kommen zum Schluss, dass es hier eigentlich gar nicht so viel zu sehen gibt, ausser vielleicht den Hafen mit seinen bunten Meeresfischerflotte, die eine schöne Abwechslung zu den recht langweiligen Kuttern auf den Kanälen darstellt. Wir spannen aus und geniessen die schönen Cafés, den guten Food und die netten Leute hier. Am nächsten Tag wollten wir eigentlich nach Ca Mao fahren, aber dank ungenauen Karten (oder besser veränderten Strassen) fanden wir die Abzweigung nicht und endeten (mit einer Stunde Wartezeit in einem Café wegen Regen) in der recht netten Stadt Can Tho. Wir mieten uns in einem kleinen Hotel direkt am Hauptplatz neben dem Markt ein und werden dann sogleich von den verschiedenen Frauen, die Bootstouren anbieten "überfallen". Wir versuchen uns ausschliesslich in Vietnamesisch mit ihnen zu unterhalten und gegen Abend, nach der Erkundung des sehr grossen und äusserst lebhaften Marktes von Can Tho, sitzen wir vor dem Hotel mit einigen Bieren und unterhalten uns inzwischen ausschliesslich in (holprigem, simplen) Vietnamesisch mit einer wachsenden Anzahl von Leuten und einer Horde Kindern. Wir gewinnen das Vertrauen der Bootsfrauen und im gleichen Masse sinkt ihr Preis für die Fahrt immer weiter. Spät am Abend entschliessen wir uns dann, am nächsten Morgen um 7 Uhr loszufahren und gehen unseren wohlverdienten, kurzen Schlaf einholen. Heute ist der 19.5. und somit der Geburtstag von Ho Chi Minh. Gestern schon waren etliche Militärtypen damit beschäftigt vor der immensen HCM-Statue in Can Tho ein Meer von roten Bannern aufzuhängen und den ganzen kleinen Park rund um die Statue abzusperren. Heute Morgen um punkt 6 Uhr ging's dann los. Mit Fanfaren und Militärmarschmusik aus der Konserve, reihten sich Militärleute, unzählige Schulkinder und normale Leute in die gigantische Schlange vor dem Monument ein, um Räucherstäbchen in die drei überdimensionierten Pot's zu stecken und einige Worte in Gedanken an den "Vater der Nation" zu richten. Um 7 Uhr, als wir dann auf unser kleines Boot stiegen, war der ganze Zirkus schon fast vorbei. Nach einer keinen Fahrt entlang des Mekongs kommen wir dann zur Hauptattraktion der heutigen Fahrt: der schwimmende Markt von Can Tho. Hunderte Boote kommen hier zusammen, um Handel zu treiben. Manchmal entstehen Staus, von den kleinen "Einkäuferbooten", die zwischen den grösseren Booten hin und herwuseln. Restaurantboote und Barboote fahren zwischen allen hin und her und bieten Essen und Trinken an. Was die verschiedenen grossen (grösseren) Boote anzubieten haben ist sehr einfach ersichtlich: An einer Stange werden alle Früchte/Gemüse, die im Angebot sind, angebunden und dann wird die Stange aufgestellt. - Einfach, nicht? Manchmal haben die Boote so ziemlich alles von Karotten über Rüben und Salat und manchmal hängt an dieser Stange nur eine einzelne Ananas. Ich sage der Bootsfrau, dass sie uns zu dem Ananasboot bringen soll, denn die Dinger kann man über 20 m hinweg riechen und der Duft ist unwiderstehlich. Für 1000 Dong kriegt man ein komplettes Ding, mit Stengel und sie wird für einen "Take-Away" für den sofortigen Konsum bereitgemacht. Am Ende dieser Prozedur hat man eine komplette Ananas am Stiel, welche vor Saft und Geschmack nur so trieft und in die man nur noch reinbeissen muss. (Wiederum eine Warnung: wir sahen bei unserem recht langen Aufenthalt im Markt, der unbedingt auch nötig war, um ein Gefühl dafür zu bekommen, immer wieder die Touren von Sinh-Café und Kim-Café, in denen die Touristen in 20-er-Packs in einem unglaublichen Tempo nur aussen am Markt vorbeifuhren - einmal rauf und einmal runter - 15 Minuten, das war's! Es ist unbedingt von Nöten solche Sachen von sich aus direkt vor Ort zu organisieren, damit man nur ein bisschen eine Idee von diesem Markt bekommt und nicht in einem künstlich organisierten Stress alles vorgesetzt bekommt (Analog den "Europa in 7 Tagen" der Japaner) - natürlich gilt das so ziemlich überall in Vietnam. Obwohl es einfach ist, diese Touren zu buchen, zugegeben, man bekommt leider kaum das, wofür man harte Dollars - und das nicht zu knapp - hergegeben hat!) Der Rest der Fahrt war wieder durch einige kleine Kanäle, schön und friedlich - mit wiederum einem Halt bei einer Fruchtfarm, wo wir uns wieder an den unzähligen Früchten gütlich tun konnten. Wieder zurück in der Stadt spazieren wir den Rest des Tages herum und sehen uns die vereinzelten alten Kolonialgebäude an, bevor wir am abend wieder mit der Gruppe Vietnamesen vor unserem Hotel unser "Happening" abhalten. Am nächsten Morgen entschliessen wir uns wieder zurück nach HCMC zu fahren, weil wir "genug" vom Delta gesehen haben und weil wir uns an den Verkauf unserer Minsk machen wollen. Die Fahrt selber sollte uns aber noch einige Schwierigkeiten und Überraschungen bringen: Knapp nach Can Tho hatten wir bereits unseren ersten Platten - kein Problem, nach 5 Minuten waren wir bereits wieder unterwegs. 60 Kilometer weiter, hielten wir wieder in unserem Café "Quench your Thirst" und wurden dort von dem abgespacesten Vietnamesen angesprochen, den wir in all den 7 Monaten hier getroffen hatten. Ein recht junger Typ, Oberkörper frei, behängt mit einer Kette aus Tinnef und einem noch kitschigeren Kreuz mit grossen farbigen Plastikstücken besetzt, die Hose etliche Nummern zu gross und würde bestens an irgendeinen Rapper passen, einem Berret auf dem ein Vierteldollar und ein Schweizerfranken auf einem stück Metall vertikal auf dem Berret aufgeschweisst (!) waren, grosse Klunker an jedem Finger und einem langen Ziegenbart der den Mund mit den schiefsten Zähnen, die es überhaupt gibt, umgab. Er sprach uns an und freute sich, dass er endlich hier ein paar Fremde treffen kann, um seine "Botschaft" loszuwerden. Es dauerte einige Minuten, bis wir unsere Ohren an den sehr akzentuierten Englischen "Dialekt" des Typen anpassen konnten, doch als das dann soweit war, konnten wir ihn recht gut verstehen. Er schwafelte etwas von den zwei Münzen, die ihm Freunde gegeben hätten und die jetzt seine "Augen" für die "grosse Wahrheit" darstellten und dass er vor elf Jahren gestorben sei und nach einem Jahr wieder zum Leben erweckt worden sei, um der Menschheit von Vietnam aus die frohe Botschaft, dass alle Leute gleich seien, zu bringen. Er wolle unbedingt nach Russland (?), um dort anzufangen, weil dort die Leute mit diesem Konzept am meisten anfangen könnten etc. etc. etc. Er war aber in keinem Falle aufdringlich, sondern eher wie ein Pater, der seinen Glauben zu erklären versucht. Ob wir denn eine Kamera dabeihätten. Klar. Wir müssten unbedingt ein Foto mit ihm machen, damit die Kraft auch auf uns übergehen könne. Wir machten ihm den Gefallen und danach schien er auch zufrieden und liess uns "im Frieden" gehen. Unsere Fahrt sollte aber noch lange nicht in irgend eine Monotonie verfallen, denn nach nur 10 Kilometern hatten wir den zweiten Platten des heutigen Tages. Auch hier geht es keine 10 Minuten und wir sind schon wieder auf dem Weg. Was kommt als nächstes? Richtig geraten: Nach nur 30 weiteren Kilometern, kurz vor Cho Lon haben wir schon wieder einen Platten. Dieses Mal ist der Riss an einer solch schlechten Position, dass nach mehrmaligem probieren des Reparaturjogis es ersichtlich ist, dass er nicht in der Lage ist, dieses Loch zu reparieren. Ich schnappe mir einen der zahllosen Motorradjogis, die herumstehen und weise ihn an, mich zu einem Laden zu bringen, der die Schlauchgrösse für Minsks verkauft. Eine knappe Viertelstunde später (wer fährt schon im Delta eine Minsk - richtig! Niemand! Darum war es recht schwierig, einen solchen Schlauch aufzutreiben) war ich wieder bei der Minsk mit einem brandneuen Schlauch, den der Jogi innert einiger Minuten montiert und gepumpt hatte. Schon konnte es also wieder weitergehen. Aber unser Glück sollte nur während knapp 3 (!!!) Kilometern halten, bis wir - inzwischen in Cho Lon - wieder einen Platten hatten - in unserem Brandneuen Schlauch! Verschiedene Leute werden jetzt sagen: Dumm, dumm, dumm, sie haben sicherlich nicht sichergestellt, dass der Reifen innen sauber war, bevor sie den Reifen wieder montiert hatten. Nicht wahr! Wir stellten jedesmal sicher, dass der Reifen innen frei von irgendwelchen Fremdkörpern war. Auch hier war das Loch (perfekter Einstich) innert knapp 10 Minuten repariert und wir machten uns auf die letzte 5 Kilometer lange Etappe zu unserem Guesthouse im Zentrum - mit keiner richtigen Hoffnung, dass wir es ohne weiteren Platten schaffen würden. Unglaublicherweise schafften wir es dann aber doch noch ohne weitere Zwischenfälle. Noch eine kleine Bemerkung am Rande: Obwohl wir 4 Platte Reifen an einem Tag und auf einer Strecke hatten, mussten wir total nicht weiter als 100 m weit gehen, um unser Motorrad zu einem Rep-Jogi zu bringen. In zwei Fällen reichte die verbleibende Luft im Reifen, um direkt zum Jogi zu fahren. Das bewundern wir immer wieder in Vietnam - Motorräder reparieren zu lassen ist definitiv kein Stress! Wieder in Saigon checken wir wieder in das gleiche Zimmer ein und lassen es uns mit Kem Yaour und den Belegten Brötchen Paté oder Käse bestens ergehen und fangen an, uns unseren Schlachtplan für den Verkauf der Minsk zurechtzulegen.