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Cà Ná - Saigon: Antibiotika-High |
Wir wollten eigentlich am 29. nach Mui Ne weiterfahren, aber alle
Leute in Cà Ná rieten uns stark davon ab, weil am 30.4. ein nationaler Feiertag ist.
Ganz (vielleicht nicht ganz, ganz) Vietnam feiert nämlich an diesem Tag die
"Befreiung" Saigons. Sehr viele Vietnamesen nehmen diesen und den Tag der Arbeit
plus vielleicht noch einen Tag, um mit der Familie irgendwohin zu fahren. Sie warnen uns,
dass es an der Küste voraussichtlich kein einziges Zimmer mehr frei sein wird. Uns stört
das keineswegs, denn unser Zimmer hier ist sehr günstig und der Sea-Food wirklich
schmackhaft. Die Leute hatten recht: Auch unser "verschlafenes" Cà Ná ist
über die Feiertage komplett überlaufen und alle Zimmer (bei 150% Preisaufschlag)
überbelegt. Am 30. am Abend während des Essens sticht mich ein kleines, gemeines Moskito
genau zwischen Sprunggelenk und Fersensehne. An sich ist ein solcher Stich nichts
besonderes und kommt immer wieder mal vor. Nur dieser Stich sollte die weiteren Wochen
bestimmen. Warum? Nachfolgend die "Geschichte des Stiches": Klar, dass ich am
gleichen Abend, weil der Stich biss, es nicht lassen konnte, daran zu kratzen. Das war ein
Fehler! Meine Fingernägel waren wahrscheinlich dreckig. Nur an dem Abend konnte ich das
Beissen des Stiches so loswerden. Am nächsten Tag - unser kleiner Strand ist immer noch
überfüllt - versuchen wir im Meer ein bisschen zu baden, aber es herrscht so ein
durcheinander, dass wir eher vor unserer kleinen Hütte noch ein bisschen an der Minsk
herumbasteln, um sie - während das Wetter noch ein bisschen hält - für unsere nächste
Etappe wieder in Schwung zu bekommen. Der Rest des Nachmittages regnet es in strömen -
uns tun die ganzen Leute leid, die ein ganzes Jahr nirgendwo hin können und ihre einzigen
paar Tage aneinander, die sie haben sind verregnet. Am abend dann, als wir wieder den
kleinen Fussmarsch zu unserem Resto unternehmen, tut mein Fuss weh. Ich kann kein Gewicht
mehr daraufsetzen. Zudem ist er schon ein bisschen geschwollen. Kein Problem, denke ich
mir, vielleicht habe ich ihn ja nur ein bisschen verrenkt - irgendwie. Nach dem Essen
bereitet mir - mein Fuss ist inzwischen schon recht geschwollen - das Gehen schon Mühe.
Alles o.k., morgen ist alles wieder in Ordnung und wenn ich liege, stört der Fuss ja
nicht. Der nächste Tag bringt schon wieder Regen und der Fuss ist morgens auch nicht mehr
so geschwollen - na also, alles halb so schlimm! Weil wir ausser ein bisschen lesen und
essen nichts machen können, bleiben wir in unserem Hüttchen und verbringen den Tag dort.
Gegen Nachmittag geht es mir aber wieder schlechter und nebst einem wieder geschwollenen
Fuss hat auch ein leichtes Fieber eingesetzt. Chantal will mich bereits auf den
Touristenbus nach Saigon setzen, damit ich zu einem Doktor kann, aber ich sage nein, weil
eigentlich sieht alles noch nicht so schlimm aus und schlucke eine unserer Fiebersenkenden
und Entzündungshemmenden Pillen bevor ich schlafen gehe. Am nächsten Tag wollten wir eh
weiterfahren. Und die Pillen haben ihre Arbeit gründlich gemacht: Kein Fieber mehr (eher
Untertemperatur) und der Fuss ist einigermassen zu gebrauchen. Trotzdem kann ich die
Schuhe nicht anziehen, weil mein Fuss zur Zeit eine andere Schuhgrösse benötigt. Wir
beladen unsere Minsk und fahren mal los. Die Abzweigung nach Mui Ne ist erst 100 Km
entlang der Strasse nach Saigon und wir entscheiden uns an dieser Kreuzung, ob wir ans
Meer oder nach Saigon zum Doktor fahren. Die Strasse ist recht gut und wir kommen recht
zügig voran. Nach drei Stunden Fahrt kommen wir bei der Kreuzung vorbei und entscheiden
uns, nach Saigon zu fahren, weil mein Fuss inzwischen einem Ballon gleicht, der Stich (und
die umliegende Haut) eine ungesunde schwarze Farbe angenommen hat und das Fieber wieder da
ist. Wir fahren mit erhöhtem Tempo, um nicht noch lange auf der Strasse zu sein. Leider
hat ein erhöhtes Tempo auch eine erhöhte Temperatur des Motorrades zu Folge und wir
entscheiden uns, der Minsk noch mehr Öl als sonst zu genehmigen. Als wir dann - mit
vollem Tank und 7% Öl - weiterfahren, fängt die Minsk an, komisch zu reagieren. Keine
Kraft in den unteren Touren und in den höheren Touren droht sie auszugehen. Zuerst
dachten wir, dass man uns schlechtes Benzin verkauft hatte und dass dieser Effekt nur
solange anhält, bis dass sich das neue und das alte Benzin etwas besser vermischt hat.
Nach knapp einem Kilometer in diesem Zustand erinnern wir uns an die Warnung, welche wir
mehrfach bekommen hatten, die das Überhitzen anbelangten: Kraftverlust und komisches
Verhalten. Als wir dann bei einem kleinen Resto anhielten und den Motor anhielten,
bewahrheitete sich unser Verdacht: Das überschüssige Öl, welches bei der Zündkerze und
beim Zylinderdeckel angesammelt hatte, rauchte wie wild. Im ersten Moment sah es so aus,
als ob das ganze Ding in den nächsten Sekunden in Flammen aufgehen würde. Wir hatten
nochmal Glück (kein Feuer - hatten wir schon) und wir warteten bei einigen Colas bis
alles wieder genügend ausgekühlt war. Als wir dann die Minsk wieder starten wollten,
ging gar nichts mehr. Was ist los? Kurz und gut: Das viele Öl, welches sich im Tank
anscheinend nicht genügend mit dem Benzin vermischen könnte, hatte sich im Benzinfilter
festgesetzt und verhinderte einen genügenden Fluss von Benzin in den Vergaser.
Gleichzeitig aber was der Vergaser auch voller Öl. Die Zündkerze hatte ob dem ganzen
nicht komplett verbrannten Öl eine dicke Kruste und die hohen Touren mit wenig Benzin
liessen den Motor überhitzen. Mit einem Klumpfuss und einem etwas benebelten Kopf nahm
ich dann die ganzen Teile auseinander, befreite sie vom Öl und mischte dann das Öl im
Tank etwas besser. Siehe da: Das Biest kam wieder zum Leben. Nur um knapp einen Kilometer
später wieder auszugehen. Das war einfach: Benzinhähnchen zu. Wieder den Vergaser mit
Benzin füllen und starten - los geht's. Wieder einen Kilometer später geht das Ding
schon wieder aus: Diesmal hat sich die Zündkerze gelockert (noch nie passiert) und die
Kompression sank unter den nötigen Level - angezogen und schon geht's weiter - dieses mal
ohne Unterbruch bis Ho Chi Minh City. Wir kommen in die Stadt im unglaublichsten
"Rush-Hour"-Verkehr, den man sich vorstellen kann. Zehntausende Motorräder plus
tausende Autos, die keine Verkehrsregeln befolgend in totaler Anarchie den schnellsten Weg
zu ihrem Ziel suchen. Als es dann zu regnen beginnt, kommt der Verkehr zu Stillstand.
Warum? Die Leute hier sollten sich eigentlich Monsunregengüsse doch gewöhnt sein, oder?
Sind sie! Jeder stoppt sein Motorrad mitten in der Strasse und klappt den Sattel hoch,
nimmt den dort verstauten Regenschutz hervor und zieht ihn an - egal was denn gerade eine
Ampel oder der Verkehr zu der Zeit macht. Wir schaffen es doch noch, ohne weitere
Schwierigkeiten bis zu unserem Guesthouse zu kommen, wo wir einchecken, duschen (350 km
auf vietnamesischen Strassen machen jeden sehr, sehr dreckig). Dann machen wir uns (im
schweren Regen) auf den Weg zum Spital - im Taxi, wohlgemerkt. Dort angekommen, versuchen
wir herauszufinden, wo wir denn hinmüssen, da ich mit meinem Fuss auf diesem
weitläufigen Gelände keinen Meter mehr als nötig laufen (humpeln) will. Nach kurzem
finden wir dann die Notaufnahme, die diesen Namen wirklich verdient. Nachdem wir die
uniformierte Wache an der Türe überzeugen konnten, dass ich tatsächlich ein Problem
habe und nicht da bin, um Krankenhausmaterial zu stehlen, können wir rein. In einem
grossen Raum liegen auf einem Wagen neben dem anderen die ganzen Verkehrsopfer Saigons.
Jene, die geglaubt hatten, dass es OK sei, mit 50 oder 60 km/h im dichten Gegenverkehr zu
fahren (machen wir übrigens auch, nur langsamer!) und auf jemanden stiessen, der nicht
schnell genug ausweichen konnte. Die Versorgung ist sehr grundlegend - ein paar Verbände
(auch um schlimme Wunden) und ein paar bunte Pillen (die der Verletzte oder Verwandte
selber aus der Apotheke auf der gegenüberliegenden Strassenseite holen muss und dort Cash
bezahlen muss) und schon kann er wieder gehen. Als Ausländer bekommt man fast ein
schlechtes Gewissen: Man wird in einen kleinen, privaten Raum geführt und einer der
Ärzte, der irgendjemanden am behandeln ist, kommt sogleich und lässt den armen Teufel,
den er gerade am behandeln war, liegen. Die Untersuchungsmethode ist uns zunächst sehr
zuwider und spiegelte nicht die uns gewohnte Professionalität wider. Ich liege auf einer
Art Wagen und der Arzt steht in einiger Distanz und betrachtet meinen Fuss, als wäre es
moderne Kunst. Hie und da nimmt er seinen Kugelschreiber und stochert in der inzwischen
sehr weiträumig schwarz verfärbten Stelle in Umgebung des Stiches herum. Nach einigen
Minuten sagt er uns in einer Mischung zwischen Vietnamesisch und Englisch, dass ich am
besten für einige Tage im Spital bleiben soll, damit ich Antibiotika per Tropf bekommen
kann. (Neiiin, danke! Dieses Spital und die Art, mit der hier die Verletzten behandelt
werden, lassen das Grauen aufkommen, was denn in den normalen Zimmern los sein wird.) Der
Arzt verschwindet und lässt uns für eine gute Viertelstunde alleine. Dann kommt er
wieder und teilt uns mit, dass er sich entschieden hat, dass ich auch einen sehr starken
Pillen-Cocktail zu mir nehmen könne und in zwei Tagen wiederkommen müsse, sollte die
Schwellung nicht abnehmen. In dem Fall aber käme ich nicht darum herum, einige Tage im
Spital zu bleiben. OK! Alles klar für uns, obwohl es schwer vorzustellen ist, dass solch
eine Schwellung innert zwei Tagen abnimmt. Chantal bekommt einen Zettel, mit dem sie zur
Apotheke auf der anderen Strassenseite muss, um dort die Medikamente zu kaufen. wir zahlen
50'000 Dong für die Konsultation und 150'000 für die Medikamente. Das Taxi, welches vom
Spital gerufen wurde, fährt bis vor die Tür der Notaufnahme (und blockiert dabei die
Einfahrt für jegliche andere Fahrzeuge) und bringt uns dann wieder zurück zu unserem
Guesthouse. Dort angekommen lesen wir die Beipackzettel und es wir auf einmal klar, was
der Arzt mit "Starker Dosis" gemeint hat: Ich nehme die doppelte Dosis von
Scherzmitteln, die vorgeschlagen ist und bei den Antibiotika ist es sogar die dreifache
empfohlene Dosis. Insgesamt stellt die drei mal am Tage zu mir zu nehmende Anzahl Pillen
eine bunte Mischung dar. Die nächsten zwei Tage verbringe ich mit aufopfernder Pflege
durch Chantal im Zimmer - viel mehr gab's auch nicht zu tun, weil ich weder Treppenlaufen
konnte, noch das Hirn auf etwas anderes konzentrieren konnte, weil jeweils nach der
Einnahme der Pillen mein Gehirn innert Minuten zu Jelly wurde und die gesamte Welt mit
einem gewissen angenehmen Nebel durchwabert wurde, der ziemlich genau solange hielt, bis
die nächsten Pillen fällig wurden. Die ersten zwei Tage bewegte sich so gut wie nichts
auf der Schwellungs-Front. Wir hatten schon angst, dass der Spital-Aufenthalt
unvermeidlich werden würde. Doch glücklicherweise entschied sich die Schwellung am Tage,
als wir im Spital erwartet wurden, endlich ein bisschen nachzulassen. Nach nochmal einer
Woche war dann die Schwellung schon wieder fast weg, die Wunde, die einen Zentimeter im
Durchmesser war, gab langsam den Eiter ab, der den Druck von innen ausmachte und ein
bisschen rumhumpeln wurde auch wieder möglich. Am Ende der zweiten Woche hatte ich mich
schon wieder soweit erholt, dass wir wieder Pläne schmiedeten, wie denn unsere Ausfahrt
ins Mekong-Delta aussehen sollte. Wir besorgen uns noch die nächsten Visa: Kambodscha und
ein zweimonats-Visa für Thailand - boom! 90 USD auf einen Schlag weg! Jedoch überrascht
uns die Tatsache, dass wir die ganze Sache innert 3 Tagen über die Bühne hatten - so
schnell sollte es überall gehen! Am vorletzten Abend vor unserer Abfahrt machten wir uns
übrigens noch auf den Weg zu einer unserer neuesten Entdeckungen: Kentucky Fried Chicken!
Acht Monate ohne Fast Food und ohne dass nur irgend jemand davon weiss, gibt es einen KFC
recht weit ausserhalb der Stadt! (Eigentlich waren wir der Meinung, dass KFC in Vietnam
gar nie Fuss fassen würde, weil gemäss den Vietnamesen, die wir früher ob diesem Thema
befragt hatten, das Logo von KFC, Colonel Sanders, Ho Chi Minh zu ähnlich sehe und man
den "Vater der Nation" nicht mit einer solchen "Kapitalistischen"
Einrichtung in Verbindung bringen wolle. Was sich dann auch bei unserem Besuch teilweise
als richtig herausstellen sollte: Alle Logos sind alt. Die neuen,
"streamlined"-Logos sind nirgends zu finden und das Bild von Sanders Kopf ist
ziemlich gestaucht und eher rund - jegliche Ähnlichkeit mit HCM ist gebannt und
wahrscheinlich somit auch der Grund für die Verweigerung der Betriebsbewilligung...) Wir
nehmen das Taxi dorthin (20 Minuten vom Zentrum) und geniessen den Cole-Slaw und die
"Original-Recipie"-Keulen. Der KFC steht an einem Ort, der für uns nach all
dieser Zeit in Vietnam wie Mars vorkommt: Einer Shopping-Mall 100% nach amerikanischem
Vorbild. Mit Einkaufswägelchen, die man auf dem (riesigen) Parkplatz in kleine Hüttchen
stellen kann und kleine Mall-Boutiquen und einem Kinderhütedienst - unglaublich! Die
reiche Oberschicht von Saigon kauft hier ein und der Name dieses Ortes ist genauso
"un"vietnamesisch: Saigon Super Bowl - klar, dass man hier "auch"
Bowlen kann! Wir machen uns bereit für die Fahrt in den Mekong-Delta - kaufen noch einige
Wundabdeckungen und Klebeband und packen einen leichten Rucksack - den anderen lassen wir
in dem Guesthouse zurück mit all den Sachen, die wir noch zurückschicken wollen. Morgen
ist es soweit: My Tho ist unsere nächste Destination und unsere Tour wird zirka eine
Woche lang, weil wir uns zwei Wochen für den Verkauf unseres Motorrades Zeit lassen
wollen.
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