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Tagebuch Seite 33
Hue bis Quang Ngai - Meer, Wolkenpass, Birthday plus Kultur
Dir Fahrt nach Lang Cô war erfrischend kurz. Wahrscheinlich, weil wir uns gegen den ersten Gang entschieden hatten. Auf den 60 km kamen wir sehr nahe ans Meer und - endlich, waren wir geneigt zu sagen - kamen auch wieder einige Berge zum Vorschein und wir konnten auch über einige kleinere Pässe fahren. Von dort aus sehen die Reisfelder sehr friedlich aus, speziell, wenn sie bis fast ans Meer hin reichen und so einen schönen Kontrast zum unendlichen Blau des Meeres abgeben. Als wir dann auf dem Pass vor der Landzunge von Lang Cô ankamen, sahen wir das leuchtende Blau des Meerwassersees und die nicht mal 200 Meter breite Halbinsel, die zwischen dem Meer und dem See liegt. Rund um den See wuchsen nur Pinien und gaben dem See eine komisch alpine Aura - speziell, wenn man mit einem kleinen Blick in die andere Richtung den Strand mit Palmen und das Meer sieht.

In Lang Cô angekommen quartieren wir uns ein und verbringen zwei Tage mit nichts anderem als am Strand liegen, Bücherlesen und gut essen. Zum Glück sind wir nicht in ein paar Jahren hierhergekommen, denn ein japanisches Konsortium will hier die ganze Halbinsel in ein Resort umwandeln, komplett mit "Sea World", Golfplatz, Retirement Homes und Shopping Center! So verrostet das Schild auch sein mag, den Japanern wird es auch mal wieder besser gehen und der Zaun wurde ganz eindeutig gut instand gehalten...

Als wir uns von Lang Cô aus auf den Weg nach Da Nang machen, haben wir eine ähnlich kurze Etappe vor uns, wie von Hue aus. Knapp 45 km trennen uns von der Stadt - mit Flughafen, um die Horden von Japanern, die dereinst hier sein werden zu empfangen und wieder nach vielleicht 3-5 Tagen heimzusenden. Zwischen uns und Da Nang liegt jedoch eine der spektakulärsten Strassenabschnitte, die Vietnam - neben den fast unbefahrbaren im Norden - dem normalen Touristen bieten kann: der Wolkenpass. Er bildete während Jahrtausenden die natürliche und politische Grenze zwischen dem Norden und dem Süden. Hier kommen die Berge, welche 1500 m hoch sind, bis ans Meer heran und die Strasse windet sich entlang den Klippen über einen 800 m hohen Pass. Dementsprechend spektakulär ist auch die Aussicht (Schade, dass als wir mit Petra hier waren, die komplette Strasse in Nebel und Regen getaucht war und demzufolglich nichts von alledem zu sehen war.). Wir kämpfen uns mit unserem Monster die 8%-10% Steigung im 2. Gang hinauf und müssen lachen, als wir etliche vietnamesische Busse sehen, die mit auseinandergenommenen Getriebekästen und einer grossen Lache Öl auf der Strasse stehen - Unterhalt, Jungs, das ist der Schlüssel! Wir erreichen den Pass ohne grössere Probleme und können von dort aus die grandiose Sicht der einen Seite - Richtung Norden - auf eine Art von Landschaft (Junges Grün frischer Reisfelder) und - gegen Süden - auf eine gänzlich anders aussehende (tieferes Grün der fast erntebereiten Felder) geniessen.

Nach einem kleinen Halt auf dem Pass, wo die Touristen von Verkäuferinnen umringt werden, wie Schmeissfliegen, rollen wir langsam den Berg hinunter und kommen nach kaum einer weiteren Stunde in Da Nang an. Dort mieten wir uns in einem günstigen Hotel ein - 12 USD schienen das Minimum hier zu sein, bis wir eines für 6 fanden - suchen zahlt sich aus! Am Nachmittag gehen wir in das Cham-Museum, in welches wir die letzten zwei male nicht gegangen waren, weil der Sinh Café Bus uns nur 30 Minuten für das Museum geben wollte und wir das als viel zu kurz empfanden. Die Cham waren ein von Indien her beeinflusstes Volk, welches grosse Teile von Südvietnam vor langer Zeit beherrschte. Heute sind noch die Nachfahren da, diese sind jedoch völlig verarmt und haben nicht mehr viel gemeinsam mit dem damaligen Volk. Die Kunstwerke und Bauten, die sie jedoch hinterliessen sind sehr interessant und das Museum gebietet eine Besuchsdauer von mindestens 3 Stunden. Es schien uns auch notwendig, einen ausgebildeten Guide zu nehmen, denn sonst sind die ganzen Geschichten und Tatsachen, die sich um diese Ausstellungsstücke ranken nicht zugänglich. Wir hatten einen Guide, der sich in Französisch die allerbeste Mühe gab, uns alles zu erklären - er war gut und bestimmt die 20'000 Dong während den 3 Stunden wert!

Am Nachmittag schlendern wir durch die Strassen dieser Stadt, in der, wie überall für die "richtigen" Touristen - grosse Hotels und dergleichen gebaut wird. Die Preise sind hoch - auch für Food - und die Stadt hat keinen besonderen Charme. Eine Promenade entlang des Hafens jedoch ist ganz nett, insbesondere wenn man einen kleinen Halt bei "Christie's" macht, einer Bar, die schon am Nachmittag Charme hat.

Abends, als wir dann wieder in unserem Zimmer liegen, sehe ich in meinem Augenwinkel sich etwas bewegen und sehe mich um, zuerst kann ich gar nicht sagen, was es genau ist, aber nach Kurzem bewegt sich wieder was: Ein Auge, welches durch ein kleines Loch, das in der oberen Isolation in unserem Zimmer gebohrt wurde, mich auf dem Bett liegend beobachtet. Ich warte ein paar Minuten, bis dass ich in einem schnellen Satz zur Tür springe und den Mann "in Flagranti" an einem Eisengestell hängend erwische. Leider leider hatte er für alle dann sich versammelnden Leute eine Erklärung parat, die nicht anzweifelbar war: Er wolle am Schrein, der sich gerade hinter dem Gerüst befindet beten gehen und weil es auch einen anderen Schrein, der sich unmittelbar unter der Decke befindet gibt, habe er auf das Gerüst klettern müssen - ha ha. Er hatte zumindest nicht mehr die Möglichkeit, in unser Zimmer zu blicken: Dank unserem Klebeband und jede Menge Papier haben wir alle "Löcher" in unserer Wand zugeklebt.

Der nächste Morgen sollte meinen Geburtstag ein bisschen markieren und so gingen wir, nachdem wir die Rucksäcke gepackt hatten wiederum zu "Christie's" um einen echten "Stack of Pancakes" zu essen. (Seit wir in Asien sind, gibt's überall sogenannte "Pancakes". Ich meide sie, weil sie nichts mit der Art von Pancake zu tun haben, welche ich seit meiner Kindheit kenne. Nur Christies hat per Zufall die original amerikanische "Aunt Jemaima's"-Pancake-Mischung und serviert sie so, wie sie sein sollten: Im Stapel und mit viel Butter und Ahornsirup - ein echtes Geschenk des Himmels - Probieren! Der Unterschied ist "himmel"-weit!)

Nach dieser Stärkung machen wir uns auf eine wiederum sehr, sehr kurze Etappe. Da Nang nach Hoi An - ca. 35 km. Hoi An ist ein kleines Dörfchen, welches in den letzten Jahren einen unglaublichen Aufschwung touristenweise erlebt hat. Es ist auch verständlich: Keine hässlichen offiziellen Bauten, nur kleine, alte Häuschen und viel, viel Kultur. Es ist auch klein, dieses Dörfchen, alles kann bequem zu Fuss erkundet werden. Wir quartieren uns in ein kleines, nettes Hotel ein und das Wetter lässt mich auch dieses Jahr nicht im Stich, denn es fängt an zu regnen - wie schon das letzte Jahrzehnt, soweit ich mich erinnern kann. Das hält aber Chantal nicht davon ab, eine geheime Konspiration mit den Hotel-Jungs zu beginnen, um mich kurz darauf mit einem Kuchen, Kerzen und dem unverzichtbaren "Happy Birthday" zu überraschen. Danke, Chantal!

Gegen abend entschloss sich das Wetter dann doch noch ein bisschen Güte zu zeigen und bescherte uns warmes und einigermassen trockenes Wetter, welches unser geplantes Essen im Café "Rose" am Hafen ermöglichte. Draussen sitzen und die Spezialität des Hauses "Shrimp mit Zitronengras und Knoblauch im Bananenblatt" (Einmal essen - tausendmal wieder wollen) geniessen. Der Besitzer erkannte uns wieder und wie jedes Mal, enttäuschte seine Cuisine nicht! Heute Abend genehmigten wir uns auch einen Französischen Weisswein, der bestens zu unserem nur-Fisch Menü passte. Ein wunderbarer Abend.

Die nächsten paar Tage verbrachten wir wieder mal mit faulem Herumliegen, unsere gebrochene Bremshalterung schweissen lassen, spazieren, gut essen (!) und den ultra-günstigen Gin&Tonic's der "Treats" (sinniger Name, nicht?) Bar. Von Hoi An aus wollen wir endlich wieder mal der N1 entfliehen und entscheiden uns, von Quang Ngai aus (60 km von Hoi An) mittels der N27 in die zentralen Hochländer zu fahren - erstes Ziel wäre Kon Tum, oder so.

Die Fahrt nach Quang Ngai verläuft ziemlich schnell und uninteressant, abgesehen davon, dass hier schon mit der Reisernte begonnen worden ist (120 km weiter nördlich haben die Leute gerade erst den Reis gesetzt) und so befinden wir uns ziemlich schnell in dieser recht freundlich wirkenden Stadt mit guten Food-Shops und vielen kleinen, netten Läden. Das Hotel gehört dem Staat und so fühlt es sich auch an - sie können noch nichts mit der neuen Offenheit anfangen. Man muss länger in Vietnam gewesen sein, um dieses Gefühl zu bekommen, beschreibbar oder fassbar ist es nicht immer leicht.

Morgen haben wir eine recht grosse Etappe vor uns: 190 km über voraussichtlich nicht besonders gute Strassen, mal sehen wie es wird - schlimmer als im Norden wohl kaum.