Wir lassen uns wieder mal frühmorgens von einem Samlaw abholen und
zum zweiten Busbahnhof fahren, der nichts anderes ist, als eine Ansammlung von
Essensständen rund um einen staubigen Platz an der Hauptstrasse Richtung Udomxai. Dort
decken wir uns zuerst mal mit Essen ein und suchen nachher nach dem Vehikel, welches uns
zu unserem Ziel fahren wird. Zuerst sieht es danach aus, als würde man uns in einen
kleinen Lastwagen verfrachten, doch dieser ist derart schnell von den Laoten, ihren
Hühnern und anderen Waren gefüllt, dass wir gar keine Chance bekommen, dort überhaupt
noch mitzufahren. Bald danach aber werden wir zu einem kleinen
altersschwachen Büsschen dirigiert, in welchem wir, weil gerade daneben stehend, die zwei
besten Plätze bekommen: Die direkt hinter dem Fahrer (Beinfreiheit). Auch dieses
Büsschen füllt sich innert kürzester Zeit und so fahren wir recht bald los. Die Fahrt
bringt uns wieder über Pässe und durch Gegenden, in denen in jedem Dorf von der UNO die
verschiedenen Granaten und Bomben auf einem Plakat erklärt werden und vor allem, dass man
diese unter keinen Umständen anfassen soll. Leider versuchen immer wieder arme laotische
Jäger diese UXO (unexploded ordonance) zu öffnen und diesen dann das Schiesspulver zu
entnehmen, um sie in Ihren 1. Weltkriegs-Macheten einzufüllen. Fast unnötig zu
erwähnen, dass jährlich viele Unfälle bei dieser Tätigkeit passieren.
Die Gegend ist offensichtlich arm, sehr arm. Wir sehen viele der
Bergvölker in ihren traditionellen Gewändern, die wir schon im Norden von Vietnams
gesehen haben. Besonders hier fehlt uns die Freiheit, welche uns die Minsk während dem
Reisen gab - anhalten, wenn es was zu sehen gibt (Busse haben die Eigenschaft, an den
besten Stellen einfach in vollem Karacho vorbeizufahren). Laos wäre ein ideales
Motorrad-Land. Trotz aller Armut sieht man in manchen Dörfern, die einen eigenen
Generator haben, Satellitenschüsseln mit welchen die ultrabrutalen Thai-Filme empfangen
werden können.
In Udomxai angekommen, fühlen wir uns wie am Ende der Welt. Trotz,
oder gerade wegen dem Flugplatz (Staubpiste), hat diese "Stadt" den Anschein,
als wäre sie vor erst einigen Jahren gegründet worden, nur um in einigen Jahren wieder
als Geisterstadt unterzugehen, sobald das, was hier Geld brachte, nicht mehr verfügbar
ist. Wir checken in einem Guesthouse ein, welches uns ein Doppelzimmer mit Bad für
weniger als Fr. 2.-- anbietet. Leider ist an diesem Zimmer schon seit langem nichts mehr
gemacht worden und sieht aus, wie als wäre ein Bett in einen Rohbau gestellt worden.
Abends essen wir in einem der drei wenigen Orte, die an der Hauptstrasse entlang Essen
anbieten. Nichts besonderes.
Happy Birthday, Chantal. Heute hat Chantal Geburtstag und es stellt
sich als eher einfach heraus, hier mitten im Nichts eine Geburtstagstorte mit Kerzen
aufzutreiben - Chantal weiss nichts davon und so ist die Überraschung, als ich wieder in
unser "Beirut"-Zimmer mit der Torte zurückkomme, gross. Wir bewegen uns erst am
Nachmittag wieder und erkunden zu Fuss die umliegenden Hügel. Interessant, aber viel
interessanter ist der Markt, an dem man mehr chinesische und vietnamesische Produkte
erstehen kann, als laotische oder thailändische. Klein, chaotisch und sogar am Nachmittag
noch voller Leben.
Am nächsten Morgen gehen wir wieder zum Staubplatz, der hier als
Busstation dient und kaufen unser Ticket nach Muong Khaw. Die Strassen, die von Udomxai
aus nordwärts (China) führen, bauten die Chinesen vor gut 20 Jahren und wurden seither
nicht mehr unterhalten. Entsprechend holprig ist die Fahrt nach Muang Khua. Diesmal fahren
wir in einem 8-Plätzer-Büsschen, in dem - wenn wir Grossen, die einen vollen Platz
benötigen, nicht dabei gewesen wären - knapp das Doppelte an Passagieren mitgenommen
hätte. Von den Waren, die sie trotz allem mitnahmen und in den Fahrgastraum quetschten,
wollen wir mal gar nicht anfangen... Im Dörfchen angekommen überrascht uns, dass es noch
viel ruhiger ist, als alles, was wir in Laos bisher gesehen haben. Wir checken in ein
kleines Guesthouse direkt am "Hauptplatz" ein. Ein paar Hühner, ein einzelnes
Restaurant, in dem es ausser Bier und Reis mit Ei sonst nichts gibt und ein paar Leute,
die in ihrem kleinen Laden auf Kundschaft warten. Wir erkundigen uns nach dem Boot,
welches uns ein Stück Richtung Süden bringen soll. Am Fluss, wo die verschiedenen Boote
sein sollen, ist um 2 Uhr am Nachmittag nichts los. Alle sitzen nur herum und sehen dem
Nichtstun der anderen zu. Am Fluss kann man auch den Bänken entlang die Überreste einer
weggebomten Militär-Pontonbrücke sehen. Zur Zeit gibt es ausser einer behelfsmässigen
Fähre, die aus einem der Ponton-Elemente, verbunden mit einem kleinen Bötchen besteht,
nur noch eine Bambus-Brücke, die für die Fussgänger errichtet wurde. Wir bekommen
leider nicht heraus, wann morgen - wenn überhaupt, der Fluss führt recht wenig Wasser -
Boote fahren. Wir sehen am Hang, der am Fluss liegt, in den Bambushütten des Dorfes eine
Hütte, welche ein, zwei "Beer Lao"-Fähnchen ausgehängt hat. Obwohl auch sonst
sehr zum aushängen beliebt, vermuten wir, dass dort oben ein kleines Resto ist und machen
uns auf den Weg hinauf. Es stellt sich als ein ausschliesslich aus Bambus bestehendes
Resto, welches nur diese Veranda hat. Wir sitzen dort und reden mit zwei anderen
Travellern, trinken Bier, werden hungrig, essen, trinken Bier und lassen die Zeit einfach
vorbeigehen.
Wir werden von laotischem Rock beschallt und bleiben bis um 22 Uhr
der Strom abgestellt wird. Dann, im Mondlicht gehen wir wieder Richtung Guesthouse und
sind wahrscheinlich die einzigen Seelen in diesem Dorf, die noch wach sind. Eigentlich
wollten wir schon am nächsten Tag weiterfahren, aber der Frieden und die schöne Umgebung
lassen uns entscheiden, morgen noch einen weiteren Tag hier zu bleiben. Wir spazieren ein
bisschen in den umliegenden Hügeln herum, sehen uns den Wat des Dorfes an und gehen dann
wieder in das Resto, um uns dort auszuspannen. Wiederum bleiben wir hängen und diesmal
sind noch weitere Leute da. Es scheint, dass heute Abend alle Touristen, die im Dorf
anwesend sind, an diesem Tisch sitzen. Es ist ein spezieller Schlag Leute, die bis hier
her kommen, diesem Ort, der auf dem Weg nach Nirgendwo ist. Der Abend ist unglaublich
schön und wir bleiben dieses Mal sogar nach Stromschluss und trinken die letzten Tropfen
Láo-Lào (Reisschnaps) bei Kerzenlicht.
Die Fahrt auf dem Fluss am nächsten Tag stellt sich als interessant
heraus: Morgens am Fluss wird ein Boot erst nach unserer Nachfrage innert einer Stunde
bereitgemacht. Das "Boot" ist ein umgebautes Langboot in dessen hinteren Teil
ein Vierzylinder-Toyota-Minibus-Motor eingebaut wurde. Es wird so stark beladen, sodass
das Wasser in Strömen hereinfliesst und einen der Bootstypen vollzeit mit Schöpfen
beschäftigt. Der Flussstand ist recht tief und so sind die Stromschnellen, die wir hie
und da durchqueren recht interessant: Alle bekommen ihre Portion Wasser ab und sind bald
sehr nass. Immer wieder halten wir in kleinen Dörfchen an, um Leute und Waren ein- und
auszuladen. Der Fluss schlängelt sich durch hohe Berge, welche direkt vom Flussbett aus
auf über tausend Meter aufsteigen. Obwohl wir uns genügend Beinfreiheit sichern, sind
die kleinen Schemel nach einigen Stunden so unbequem, dass wir bei jedem Halt die
Gelegenheit ergreifen und aussteigen, um unsere Hinterteile mit Blut zu versorgen.
Wir schaffen die gesamte Strecke innert 7 Stunden und kommen dann in
einem noch kleineren Dorf, welches nur aus einigen bunt zusammengewürfelten Hüttchen
besteht. Dort ist es aber dann soweit: zum ersten Mal in Laos werden wir vom Boot aus
abgeholt - wie sonst in Asien - von einem Typen von einem der 3 (!) Guesthouses vom Ort
(eigentlich schade, dass es hier auch soweit ist, es war richtig schön, ohne diesen
Stress). Wir gehen mit ihm und logieren in einem Haus, welches keine sanitären Anlagen
hat. Waschen und Duschen können wir gegenüber des Hauses an einem öffentlichen
Wasserhahn. Die Leute hier sind aber unglaublich nett und machen den Aufenthalt sehr
angenehm. Abends sitzen wir herum und essen und trinken mit den Leuten vom Haus und
einigen anderen Travellern, die wir während der Fahrt kennengelernt hatten.
Geweckt von den Hähnen lassen wir uns am nächsten Morgen von einem
kleinen Pickup in das nächste Dorf bringen und versuchen dort - an der Strasse nach Luang
Pha Bang - einen Bus oder einen Truck dorthin zu bekommen. Nach kurzem finden wir dann ein
kleines Büsschen und weil wir die ersten sind, bekommen wir auch die Sitze gleich neben
dem Fahrer - sonst eine gute Wahl - dieses Mal aber sollte dies uns aber leid tun! Das
Büsschen ist innert Kürze voll und schon steigt der Fahrer ein und es kann losgehen.
Schon nach kurzem fällt uns auf, dass dieser Fahrer irgend ein schwerwiegendes Problem
haben muss. Kleines Beispiel: Auf eine Brücke zufahrend, die mindestens doppelt so breit
ist, als das Fahrzeug selbst, lenkt er ruckartig hin und her und tut so, als ginge es um
Millimeter. In Kurven lenkt er immer zuerst geradeaus, dann zieht er ruckartig am Lenkrad
und lässt es kurz darauf wieder los und zieht wieder ruckartig daran, falls es nicht um
die Kurve reichen sollte - selbstredend, dass wir bei dieser Methode die ganze Strasse
benötigten und dass es jeweils zu sehr starken Ausweichmanövern kam, falls da ein
anderes Fahrzeug auf der Strasse war. Dieses Verhalten - gleich neben dem Fahrer sitzend
macht uns von Minute zu Minute nervöser. Als er dann fast die Kontrolle über das
Fahrzeug verliert, während dem er sich eine Zigarette anzuzünden versucht (Ein Ellbogen
auf dem Steuerrad), wird es uns zu bunt, ich nehme das Steuerrad lächelnd in die Hand und
halte es solange, bis er seine Zigarette (bei vollem Fahrtwind) angezündet hat. Wir
dachten zuerst, dass er vielleicht noch nie gefahren ist und diese Fahrt vielleicht nur
macht, um einem Freund auszuhelfen. Aber als dieser mit einem anderen Pickup ein Rennen
anfängt und im Laufe dieses Rennens bei Tempo 80 auf einer schlechten Strasse beim
Überholen diesen Pickup rammt und diesen fast von der Strasse schickt, wird uns klamm ums
Herz und auch wir fangen an, wie alle Laoten im Fahrgastraum, uns irgendwo festzuhalten
und besorgt dreinzuschauen. Zumindest führt er sich bei diesen Temperaturen immer wieder
mal Tee aus einer 1.5 Liter-Flasche zu.
Als wir dann in Luang Pha Bang ankommen - endlich (!) und glücklich
diese Fahrt überlebt zu haben - begreifen wir, was mit diesem Mann nicht in der Ordnung
war: Er war sturzbetrunken und hat während der Fahrt keinen Tee getrunken, sondern
Lao-Lao! Die Flasche war bei der Abfahrt voll und war knapp zu drei Viertel leer, als wir
ankamen! Ein Wunder, dass er es überhaupt bei Bewusstsein bis hierher geschafft hat. Die
nächsten Tage verbringen wir wieder mit dem Geniessen der Umgebung, der Ruhe und dem
guten Essen von Luang Pha Bang, bevor wir uns auf den Weg Richtung Süden machen.
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