16.-20.2.99
Tagebuch Seite 30
Abschnitt 1/2
Luang Pha Bang - Goldene Dächer und Unesco-Schutz
Als wir am Tag zuvor beim "Busbahnhof" uns betreffend dem Bus nach Luang Pha Bang erkundigen wollten, gab es ausser einer Schiefertafel, welche ausschliesslich in Lao (die Laoten schreiben sogar die Ziffern anders) geschrieben war, nur noch einen kleinen Zettel, der uns (in Englisch) aufmerksam machte, dass wir für das Ticket zu einem speziellen kleinen Resto gehen sollten, um dort das Ticket zu buchen. Taten wir. So kam es, dass wir am nächsten Tag um 9 Uhr mit einer sehr grossen Gruppe anderer Reisenden um einen Bus standen, der uns wundern liess, wo die Sitze für all diese Leute denn herkommen würden. Wie sich dann herausstellte, wurden zuerst im Bus die normalen Sitze gefüllt, dann kamen kleine Sitze in der Mitte dran und schliesslich wurden die noch nicht Platzierten auf's Dach geschickt. Dies ist wahrscheinlich der einzige Bus in ganz Laos, auf dessen Dach auch Frauen mitfahren dürfen. Sonst ist dies eine Sache der Unmöglichkeit, weil es aufgrund eines Glaubens der Männer dort der Kraft und der Aura des Mannes und seiner Amulette, welche er deswegen trägt, schädlich ist, wenn eine Frau über einem Manne sitzt! (Wenn man auf den Wäscheleinen mal genau hinsieht, entdeckt man, dass auch dort die Wäsche der Männer immer über der Wäsche der Frauen hängt)

Auf jeden Fall fahren wir recht pünktlich ab und machen uns auf den Weg in die Berge. Bisher war es eher flach, nun aber geht's ernsthaft in die Höhe. Als wir bald darauf recht weit in die Landschaft blicken können, bekommen wir die Bestätigung dessen, was wir schon mehrfach gehört und gelesen haben: Die Gegend sieht richtig gespenstisch aus. Die Menschen hier krallen sich an eine sehr karge Existenz, ein Minimum an Nutzen aus dem Boden ziehend. Kein Baum, kein Strauch, nur dichtes Grünes Gras und hie und da ein bisschen niederes Gebüsch vermag hier zu wachsen (wenn überhaupt). Dies kommt von der Tatsache, dass die USA über Laos alleine weit mehr Bomben abgeworfen hat, als sie weltweit während des gesamten zweiten Weltkrieges benutzt hat. Laos ist somit das meistbebombteste Land überhaupt - pro Kapita über 600 kg! Zudem haben die Amerikaner ungezählte Hektoliter an Herbiziden und Entlaubungsmittel (ähnlich Vietnam, nur mehr pro Quadratmeter) über das Land gesprüht und somit für längere Zeit sichergestellt, dass hier nichts mehr wächst. (In diesen Herbiziden befand sich auch eine grössere Menge der giftigsten Substanz, die man kennt: Dioxin. Über 180 Kg sollen es insgesamt gewesen sein - wenn ich mich recht erinnere, traten in Seveso knapp 500 Gramm aus.)

Andererseits ist die laotische Landbebauungsart auch nicht besonders "umweltfreundlich": Sollte denn irgendwo noch etwas wachsen - es gibt auch Wälder und Orte, wo die Vegetation ein "Comeback" macht - schneiden die Bauern alles Kurz und klein und brennen das geschnittene Grünzeug, um das Land für die nächste Periode urbar zu machen. Insgesamt sieht es meist wie eine grüne Mondlandschaft aus.

Nach knapp 7 Stunden kommen wir in Luang Pha Bang an und mieten uns in ein kleines Guesthouse am Rande des Städtchens ein. Eigentlich gibt es, wie so oft in Laos eigentlich gar nicht so viel zu "sehen". Ein Wasserfall, eine Höhle und die vielen Wat's. Eigentlich sollte man sich Zeit nehmen, einige Wat's anzusehen, denn der Wasserfall ist schon nett, aber nicht umwerfend und auch nicht ein "Muss". Die Wat's jedoch sind auch ohne echtes Vorhaben einen zu besuchen, locker zu sehen (oder besser: nicht zu übersehen). 32 davon gibt es alleine auf dem Gebiet des Städtchens und sie nehmen mehr Fläche ein, als die restlichen Häuser. Die ganze Stadt besteht aus dem ruhigen Wandern der Mönche und den goldenen Wat's, die einander scheinbar in Schönheit und Erhabenheit (7 oder mehr Dächer übereinander) zu überbieten versuchen. Es ist verständlich, dass UNESCO diesen Ort unter ihr "World Heritage" Programm gestellt haben, denn die Kultur und die Schönheit dieses Ortes darf nicht einer unkontrollierten Entwicklung - welche Laos in den nächsten Jahren sicherlich untergehen wird - zum Opfer fallen.

Wir lassen uns es gutgehen, essen gut und nehmen die Gelassenheit des Lebens hier in uns auf. Das geht soweit, dass wir uns sogar eine einstündige laotische Massage mit ätherischen Ölen angedeihen lassen - für knapp 2 Fr. ist das kein Luxus. Die Zeit aber rennt nur so dahin - nur noch 15 Tage Visum und wir haben noch kaum etwas von diesem Land gesehen - so entscheiden wir uns, noch ein kleines Stück weiter in den Norden zu fahren. Eine kleine Stadt namens Udomxai ist unser nächstes Ziel.

 


21.-28.2.99
Tagebuch Seite 30
Abschnitt 2/2
Northern Roundtrip
Wir lassen uns wieder mal frühmorgens von einem Samlaw abholen und zum zweiten Busbahnhof fahren, der nichts anderes ist, als eine Ansammlung von Essensständen rund um einen staubigen Platz an der Hauptstrasse Richtung Udomxai. Dort decken wir uns zuerst mal mit Essen ein und suchen nachher nach dem Vehikel, welches uns zu unserem Ziel fahren wird. Zuerst sieht es danach aus, als würde man uns in einen kleinen Lastwagen verfrachten, doch dieser ist derart schnell von den Laoten, ihren Hühnern und anderen Waren gefüllt, dass wir gar keine Chance bekommen, dort überhaupt noch mitzufahren.

Bald danach aber werden wir zu einem kleinen altersschwachen Büsschen dirigiert, in welchem wir, weil gerade daneben stehend, die zwei besten Plätze bekommen: Die direkt hinter dem Fahrer (Beinfreiheit). Auch dieses Büsschen füllt sich innert kürzester Zeit und so fahren wir recht bald los. Die Fahrt bringt uns wieder über Pässe und durch Gegenden, in denen in jedem Dorf von der UNO die verschiedenen Granaten und Bomben auf einem Plakat erklärt werden und vor allem, dass man diese unter keinen Umständen anfassen soll. Leider versuchen immer wieder arme laotische Jäger diese UXO (unexploded ordonance) zu öffnen und diesen dann das Schiesspulver zu entnehmen, um sie in Ihren 1. Weltkriegs-Macheten einzufüllen. Fast unnötig zu erwähnen, dass jährlich viele Unfälle bei dieser Tätigkeit passieren.

Die Gegend ist offensichtlich arm, sehr arm. Wir sehen viele der Bergvölker in ihren traditionellen Gewändern, die wir schon im Norden von Vietnams gesehen haben. Besonders hier fehlt uns die Freiheit, welche uns die Minsk während dem Reisen gab - anhalten, wenn es was zu sehen gibt (Busse haben die Eigenschaft, an den besten Stellen einfach in vollem Karacho vorbeizufahren). Laos wäre ein ideales Motorrad-Land. Trotz aller Armut sieht man in manchen Dörfern, die einen eigenen Generator haben, Satellitenschüsseln mit welchen die ultrabrutalen Thai-Filme empfangen werden können.

In Udomxai angekommen, fühlen wir uns wie am Ende der Welt. Trotz, oder gerade wegen dem Flugplatz (Staubpiste), hat diese "Stadt" den Anschein, als wäre sie vor erst einigen Jahren gegründet worden, nur um in einigen Jahren wieder als Geisterstadt unterzugehen, sobald das, was hier Geld brachte, nicht mehr verfügbar ist. Wir checken in einem Guesthouse ein, welches uns ein Doppelzimmer mit Bad für weniger als Fr. 2.-- anbietet. Leider ist an diesem Zimmer schon seit langem nichts mehr gemacht worden und sieht aus, wie als wäre ein Bett in einen Rohbau gestellt worden. Abends essen wir in einem der drei wenigen Orte, die an der Hauptstrasse entlang Essen anbieten. Nichts besonderes.

Happy Birthday, Chantal. Heute hat Chantal Geburtstag und es stellt sich als eher einfach heraus, hier mitten im Nichts eine Geburtstagstorte mit Kerzen aufzutreiben - Chantal weiss nichts davon und so ist die Überraschung, als ich wieder in unser "Beirut"-Zimmer mit der Torte zurückkomme, gross. Wir bewegen uns erst am Nachmittag wieder und erkunden zu Fuss die umliegenden Hügel. Interessant, aber viel interessanter ist der Markt, an dem man mehr chinesische und vietnamesische Produkte erstehen kann, als laotische oder thailändische. Klein, chaotisch und sogar am Nachmittag noch voller Leben.

Am nächsten Morgen gehen wir wieder zum Staubplatz, der hier als Busstation dient und kaufen unser Ticket nach Muong Khaw. Die Strassen, die von Udomxai aus nordwärts (China) führen, bauten die Chinesen vor gut 20 Jahren und wurden seither nicht mehr unterhalten. Entsprechend holprig ist die Fahrt nach Muang Khua. Diesmal fahren wir in einem 8-Plätzer-Büsschen, in dem - wenn wir Grossen, die einen vollen Platz benötigen, nicht dabei gewesen wären - knapp das Doppelte an Passagieren mitgenommen hätte. Von den Waren, die sie trotz allem mitnahmen und in den Fahrgastraum quetschten, wollen wir mal gar nicht anfangen... Im Dörfchen angekommen überrascht uns, dass es noch viel ruhiger ist, als alles, was wir in Laos bisher gesehen haben. Wir checken in ein kleines Guesthouse direkt am "Hauptplatz" ein. Ein paar Hühner, ein einzelnes Restaurant, in dem es ausser Bier und Reis mit Ei sonst nichts gibt und ein paar Leute, die in ihrem kleinen Laden auf Kundschaft warten. Wir erkundigen uns nach dem Boot, welches uns ein Stück Richtung Süden bringen soll. Am Fluss, wo die verschiedenen Boote sein sollen, ist um 2 Uhr am Nachmittag nichts los. Alle sitzen nur herum und sehen dem Nichtstun der anderen zu. Am Fluss kann man auch den Bänken entlang die Überreste einer weggebomten Militär-Pontonbrücke sehen. Zur Zeit gibt es ausser einer behelfsmässigen Fähre, die aus einem der Ponton-Elemente, verbunden mit einem kleinen Bötchen besteht, nur noch eine Bambus-Brücke, die für die Fussgänger errichtet wurde. Wir bekommen leider nicht heraus, wann morgen - wenn überhaupt, der Fluss führt recht wenig Wasser - Boote fahren. Wir sehen am Hang, der am Fluss liegt, in den Bambushütten des Dorfes eine Hütte, welche ein, zwei "Beer Lao"-Fähnchen ausgehängt hat. Obwohl auch sonst sehr zum aushängen beliebt, vermuten wir, dass dort oben ein kleines Resto ist und machen uns auf den Weg hinauf. Es stellt sich als ein ausschliesslich aus Bambus bestehendes Resto, welches nur diese Veranda hat. Wir sitzen dort und reden mit zwei anderen Travellern, trinken Bier, werden hungrig, essen, trinken Bier und lassen die Zeit einfach vorbeigehen.

Wir werden von laotischem Rock beschallt und bleiben bis um 22 Uhr der Strom abgestellt wird. Dann, im Mondlicht gehen wir wieder Richtung Guesthouse und sind wahrscheinlich die einzigen Seelen in diesem Dorf, die noch wach sind. Eigentlich wollten wir schon am nächsten Tag weiterfahren, aber der Frieden und die schöne Umgebung lassen uns entscheiden, morgen noch einen weiteren Tag hier zu bleiben. Wir spazieren ein bisschen in den umliegenden Hügeln herum, sehen uns den Wat des Dorfes an und gehen dann wieder in das Resto, um uns dort auszuspannen. Wiederum bleiben wir hängen und diesmal sind noch weitere Leute da. Es scheint, dass heute Abend alle Touristen, die im Dorf anwesend sind, an diesem Tisch sitzen. Es ist ein spezieller Schlag Leute, die bis hier her kommen, diesem Ort, der auf dem Weg nach Nirgendwo ist. Der Abend ist unglaublich schön und wir bleiben dieses Mal sogar nach Stromschluss und trinken die letzten Tropfen Láo-Lào (Reisschnaps) bei Kerzenlicht.

Die Fahrt auf dem Fluss am nächsten Tag stellt sich als interessant heraus: Morgens am Fluss wird ein Boot erst nach unserer Nachfrage innert einer Stunde bereitgemacht. Das "Boot" ist ein umgebautes Langboot in dessen hinteren Teil ein Vierzylinder-Toyota-Minibus-Motor eingebaut wurde. Es wird so stark beladen, sodass das Wasser in Strömen hereinfliesst und einen der Bootstypen vollzeit mit Schöpfen beschäftigt. Der Flussstand ist recht tief und so sind die Stromschnellen, die wir hie und da durchqueren recht interessant: Alle bekommen ihre Portion Wasser ab und sind bald sehr nass. Immer wieder halten wir in kleinen Dörfchen an, um Leute und Waren ein- und auszuladen. Der Fluss schlängelt sich durch hohe Berge, welche direkt vom Flussbett aus auf über tausend Meter aufsteigen. Obwohl wir uns genügend Beinfreiheit sichern, sind die kleinen Schemel nach einigen Stunden so unbequem, dass wir bei jedem Halt die Gelegenheit ergreifen und aussteigen, um unsere Hinterteile mit Blut zu versorgen.

Wir schaffen die gesamte Strecke innert 7 Stunden und kommen dann in einem noch kleineren Dorf, welches nur aus einigen bunt zusammengewürfelten Hüttchen besteht. Dort ist es aber dann soweit: zum ersten Mal in Laos werden wir vom Boot aus abgeholt - wie sonst in Asien - von einem Typen von einem der 3 (!) Guesthouses vom Ort (eigentlich schade, dass es hier auch soweit ist, es war richtig schön, ohne diesen Stress). Wir gehen mit ihm und logieren in einem Haus, welches keine sanitären Anlagen hat. Waschen und Duschen können wir gegenüber des Hauses an einem öffentlichen Wasserhahn. Die Leute hier sind aber unglaublich nett und machen den Aufenthalt sehr angenehm. Abends sitzen wir herum und essen und trinken mit den Leuten vom Haus und einigen anderen Travellern, die wir während der Fahrt kennengelernt hatten.

Geweckt von den Hähnen lassen wir uns am nächsten Morgen von einem kleinen Pickup in das nächste Dorf bringen und versuchen dort - an der Strasse nach Luang Pha Bang - einen Bus oder einen Truck dorthin zu bekommen. Nach kurzem finden wir dann ein kleines Büsschen und weil wir die ersten sind, bekommen wir auch die Sitze gleich neben dem Fahrer - sonst eine gute Wahl - dieses Mal aber sollte dies uns aber leid tun! Das Büsschen ist innert Kürze voll und schon steigt der Fahrer ein und es kann losgehen. Schon nach kurzem fällt uns auf, dass dieser Fahrer irgend ein schwerwiegendes Problem haben muss. Kleines Beispiel: Auf eine Brücke zufahrend, die mindestens doppelt so breit ist, als das Fahrzeug selbst, lenkt er ruckartig hin und her und tut so, als ginge es um Millimeter. In Kurven lenkt er immer zuerst geradeaus, dann zieht er ruckartig am Lenkrad und lässt es kurz darauf wieder los und zieht wieder ruckartig daran, falls es nicht um die Kurve reichen sollte - selbstredend, dass wir bei dieser Methode die ganze Strasse benötigten und dass es jeweils zu sehr starken Ausweichmanövern kam, falls da ein anderes Fahrzeug auf der Strasse war. Dieses Verhalten - gleich neben dem Fahrer sitzend macht uns von Minute zu Minute nervöser. Als er dann fast die Kontrolle über das Fahrzeug verliert, während dem er sich eine Zigarette anzuzünden versucht (Ein Ellbogen auf dem Steuerrad), wird es uns zu bunt, ich nehme das Steuerrad lächelnd in die Hand und halte es solange, bis er seine Zigarette (bei vollem Fahrtwind) angezündet hat. Wir dachten zuerst, dass er vielleicht noch nie gefahren ist und diese Fahrt vielleicht nur macht, um einem Freund auszuhelfen. Aber als dieser mit einem anderen Pickup ein Rennen anfängt und im Laufe dieses Rennens bei Tempo 80 auf einer schlechten Strasse beim Überholen diesen Pickup rammt und diesen fast von der Strasse schickt, wird uns klamm ums Herz und auch wir fangen an, wie alle Laoten im Fahrgastraum, uns irgendwo festzuhalten und besorgt dreinzuschauen. Zumindest führt er sich bei diesen Temperaturen immer wieder mal Tee aus einer 1.5 Liter-Flasche zu.

Als wir dann in Luang Pha Bang ankommen - endlich (!) und glücklich diese Fahrt überlebt zu haben - begreifen wir, was mit diesem Mann nicht in der Ordnung war: Er war sturzbetrunken und hat während der Fahrt keinen Tee getrunken, sondern Lao-Lao! Die Flasche war bei der Abfahrt voll und war knapp zu drei Viertel leer, als wir ankamen! Ein Wunder, dass er es überhaupt bei Bewusstsein bis hierher geschafft hat. Die nächsten Tage verbringen wir wieder mit dem Geniessen der Umgebung, der Ruhe und dem guten Essen von Luang Pha Bang, bevor wir uns auf den Weg Richtung Süden machen.