9.11. - 2.12.98
Tagebuch Seite 22
Die Berge Nordvietnams

Tag 18 - Lang Sön - Tra Co

Wir machen uns wieder früh auf den Weg zu unserem Ziel am Meer, einer kleinen Insel an der chinesischen Grenze namens Tra Co. Das Wetter ist bestens und die Strasse ist auf den ersten 20 km sogar geteert. Dann aber hört der Teer schlagartig auf und wir sind wieder auf einer sehr holprigen Staubpiste. Hier haben wir unseren ersten "Verkehrsunfall" in Vietnam: Auf einer Strecke, holprig, aber gerade, kommt ein "Xe Om"-Fahrer ohne weitere Warnung hinter einem Busch am Strassenrand, knapp 20 Meter vor uns auf die Strasse. Nicht, dass dies nicht sonst passieren würde - Wasserbüffel, Hühner und Schweine sind genauso eine Gefahr - aber er ist an unserem Anblick so überrascht, dass er mitten in der Strasse stehenbleibt und uns einfach anstarrt. Wir haben überhaupt keine Chance mehr, rechtzeitig anzuhalten und so muss ich das Motorrad mit einem blockierten Hinterrad querstellen und wir schlagen mit unserer Seite in sein Motorrad. Aus reinem Reflex hebt Chantal ihr Bein an. Keiner der beiden Motorräder fällt, aber der Fahrer ist immer noch etwas verwirrt, was nun passiert ist. Wir fragen kurz nach, ob etwas passiert ist und machen uns dann so schnell davon, wie wir nur können, bevor er sich das anders überlegt und von den Fremden Geld verlangt. Einige Kilometer später halten wir an und machen "damage assasment": Ausser einer Delle im Auspuff und einigen anderen Kratzern ist nichts passiert und wir beide haben gar nichts abbekommen.

Am Ende dieser Holperstrasse gehen wir in einem Pho'-Laden essen und haben wieder mal einen Heidenspass mit den Kindern im Dorf. Kinder sind viel neugieriger und unbelasteter als Erwachsene und spielen gerne. Zudem ist für sie die Barriere der Sprache nonexsistent. Die letzte Strecke bis zur Grenzstadt Mong Cai ist nicht besonders interessant: Flach mit nur einigen kleineren Hügeln. Zudem ist die Strecke "ausgebaut" (Sprich geteert) und aus diesem Grunde sind alle Lastwagen und Busse in einem unglaublichen Tempo unterwegs und machen kaum Platz für uns Motorfahrer.

Ultimativ unschön wird dann die Fahrerei, als kurz vor Mong Cai es noch anfängt zu regnen. Angekommen in Mong Cai fühlen wir uns wie in China. Die Stadt und all ihre Häuser sehen aus, als wären sie aus China importiert worden und die Stadtplaner alle Chinesen waren. Zum Glück bleiben wir nicht hier, sondern fahren nochmal 10 km bis zur Insel (eine langezogene Sandbank), die durch einen Deich mit dem Festland verbunden ist. Es hat zwar mehrere Hotels und alles sieht aus, als wären immer immens viele Touristen da - aber: Der Ort ist leer! Wir checken in einem kleinen, netten Hotel direkt am Meer ein und haben ein Zimmer mit einer grossen Fensterfront. Wir spannen aus und essen gut, aber teuer. Das Wetter lädt uns nicht besonders ein, romantisch dem Meer entlang zu spazieren, denn es regnet und es bläst ein kühler, sehr feuchter Wind direkt vom Meer and Land - mal sehen, vielleicht ist morgen alles besser. Nur "gestört" von der Brandung und den Holzwürmern, die unsere Möbel im Zimmer am verdauen sind, schlafen wir sehr schnell und wiederum geschafft ein. Wir werden - Wetter hin oder her - einige Tage hier bleiben. Einerseits wegen der Ruhe und Abgeschiedenheit und um uns ein bisschen auszuspannen. Gute Nacht.

Tag 19-20 - Tra Co

Wir schlafen mal lange aus (9.00) und gehen dann zu einem Pho'-Laden frühstücken. Während dem, dass Chantal Zigaretten holen geht, holt mich der Besitzer des Lokales (Bambus-Hüttchen, offen) in den hinteren Teil und sagt, dass wenn ich mehr als nur Pho' haben will, dass ich nur noch eineinhalb Stunden warten müsse, bis es gegrillten - in diesem Moment hält er mir einen grossen, gehäuteten Hund vor's Gesicht - Hund gäbe. An und für sich würde ich gerne mal Hund probieren - speziell, weil es als eine Spezialiät gehandhabt wird, aber auf leeren Magen und "früh" Morgens ist das schon was anderes, und ich versuche ihm zu sagen, dass wir trotz allem lieber eine Pho' essen würden.

Den Rest des Tages verbringen wir im/vor'm/um's Hotel, weil das Wetter kein bisschen besser geworden ist, sondern eher noch ein bisschen kühler. Die jungen Girls aus dem Hotel sind immer um uns herum und versuchen mit uns zu reden und interessieren sich ungemein für Chantals Brustgrösse, die zugegebenermassen etwas grösser als die der Girls ist. Nur die Situation ist schon etwas komisch.

Abends gibt's Fisch zum essen - sehr gut, aber wieder sehr teuer. Am nächsten Tag fahren wir an die Grenze nach Mong Cai und sehen zwei Grenztore - beide versuchen grösser und besser zu sein, als das Gegenstück auf der anderen Seite der Grenze. Die Stadt selber ist aber auch beim zweiten Hinsehen nicht besser, als beim ersten Hinsehen. Wir lassen unser Motorrad waschen und gehen wieder auf die Insel und fahren die 18 Kilometer Länge ab, um am anderen Ende gegenüber die chinesische Küste zu sehen. Zumindest hat es aufgehört zu regnen, aber der Wind und die Temperatur sind gleich geblieben. Viel Entspannung und Schlaf in Hotel - tut gut, mal nichts zu machen. Morgen fahren wir wieder weiter - an die Weltberühmte Halong-Bucht - 150 Kilometer geteerte Strasse - sollte eine kurze, angenehme Fahrt sein. Gute Nacht.

Tag 21 - Tra Co - Bai Chai

Früh aufgestanden und mit der geldhungrigen Hotelbesitzerin, die meint, wir schwimmen nur so in Dollars (wäre ja schön, ist aber leider nicht so...) den Preis nochmal nachrechnen. Die gleiche Strasse runter, die wir schon bis zur Grenze raufgefahren sind. Unterwegs essen wir Frühstück in einem Pho'-Laden (Pho' ist schon was einzigartiges!). Nach längerem Fahren kommen wir dann in hügeligeres Gebiet und fahren durch die Kohlenstädte im Norden der Bucht. Hier wird Kohle im Tagbau abgebaut. Die Strassen in den Städten werden nass gehalten, damit der Kohlenstaub gebunden bleibt. Die Folge ist, dass wir innert kürzester Zeit schwarz sind - überall. Unser Motorrad, heute Morgen noch wie neu, sieht wieder aus, als sei es die letzten 100 Jahre nicht gewaschen worden.

Auf einmal kommen wir ans Meer und sehen, was die Halong Bucht so einzigartig macht: Die kleinen Karsthügelchen, die wir schon so oft beschrieben haben ragen hier in "Clusters" einzeln aus dem Meer heraus. Bai Chai ist nur ein Teil einer Agglomeration von Häusern auf beiden Seiten einer Meerenge. Das ganze wurde futuristisch "Halong City" getauft und steht für die unglaubliche Entwicklung, die diese Gegend in den letzten Jahren gemacht hat. Vor gut 6 Jahren gab es Bai Chai noch gar nicht, vor 4 Jahren gab es nur ein Gästehaus und heute ist es urbaner Teil von Halon City mit hunderten Hotels, Bars und allem, was eine grosse Touristenstadt braucht. Nachdem wir mit der Fähre auf die andere Seite übersetzt haben, kommt die unglaublichste Werbeaktion für ein Hotel: Ein Typ überholt uns und gibt uns während der Fahrt eine Visitenkarte seines Hotels und sagt uns, dass wir ihm folgen sollen. Gut, machen wir und es stellt sich als ein sehr schönes, kleines Minihotel heraus, welches eine schöne Aussicht auf das Meer und umliegende Inselchen hat. In diesem Hotel logieren auch die unglaublichsten Reisenden, die wir bisher getroffen haben: Ein Paar, welches von Guernsy aus mit dem Land-Rover bis hierher gefahren sind! Wild. Wir gehen auch mit ihnen Abendessen und werden uns morgen entscheiden, ob wir zusammen eine Bootstour zur Halong-Bucht machen wollen.

Tag 22 - Die Halong-Bucht

Morgens gehen wir mal keine Pho' essen, sondern lassen uns ein Sandwich an einem kleinen Stand zusammensetzen (Wir danken hier wiederum einmal den Franzosen, die es Möglich gemacht haben, dass wir hier, soweit von zu Hause weg, trotzdem so bekannte und geliebte Sachen wie "La vache qui rit" in unser Baguette bekommen können!). Nachher lassen wir wieder mal unser Motorrad waschen und hier haben wir wieder mal Glück: Nach dem Waschen - wir sind nur 10 m daneben gesessen und haben einen Café getrunken - haben die Jogis unglaubliche Mühe, unser Motorrad in Gang zu bekommen. Dies ist eigentlich normal, aber die Jungs üben wirklich zu lange, die Tatsache berücksichtigend, dass die den ganzen Tag nichts anderes machen, als Motorräder waschen. Ich gehe hin und überprüfe, was meist das Problem ist: Der Zündkerzendeckel. Nur: Wo ist der Zündkerzendeckel hingekommen? Ein kleiner Draht kommt aus dem Kabel von der Spule und war einfach um die Zündkerze gewickelt worden. Na danke - ich sehe die Jungs sehr, sehr böse an und bekomme nur Sekunden später den Deckel wieder zurück. Hätten sie das Motorrad anbekommen, hätte ich doch gar nicht nachgesehen und sie hätten einen Deckel mehr gehabt! (Also nochmal: Nie, nie vom Motorrad weggehen, wenn Leute mit dem Ding rumhantieren!)

Gegen Mittag entscheiden wir uns dann doch noch für eine Tour der Halong-Buch mit dem Land-Rover-Paar. 5 Stunden zu viert alleine im Boot - klingt recht schön. Chantal wirft sich ins Zeug, um einen substanziellen Rabatt auf den initialen Preis zu bekommen - und kriegt ihn auch. Ich hätte nie diese Geduld! Kurz darauf werden wir mit dem Motorrad zu Pier gefahren und schon kann es losgehen. Unser Boot ist klein und hat bequeme Bänke, auf denen wir uns hinhängen. Das Wetter ist klar, schön und vor allem HEISS! Die Bucht ist - in kurzen Worten gefasst - wunderschön und wir fangen an zu verstehen, warum sie auf den meisten, auch noch so kurzen Touren in Vietnam drauf ist. Wir halten bei einer Höhle und gehen diese besichtigen. Dank den Geldern, die für die Erhaltung dieser "World Heritage Site" von der UNESCO fliessen, haben die Vietnamesen diese Höhle mit sehr schönem Licht ausgeleuchtet und die Formationen sind von den schönsten, die wir überhaupt je gesehen haben. Nachher wieder auf dem Boot - es ist viel schöner als eine vorgefertigte Tour - können wir den Kurs bestimmen. Wir kurven durch die kleinen Inseln und sehen eine schönere als die andere. Es ist gut verständlich, warum diese Gegend bei den Schmugglern beliebt war (und ist), man kann sich bestens verstecken und die Inseln sind voller Höhlen. Insgesamt muss man das Ganze gesehen haben, um begreifen zu können, was es heisst 1969 Inseln "auf einen Streich" sehen zu können. Ein Muss für jeden Vietnamreisenden! Wieder zurück in Bai Chai essen wir mit dem Paar noch zu abend und gehen dann schlafen. Morgen kehren wir wieder nach Hanoi zurück und freuen uns irgendwie auf etwas "westlichen"-Food und unserem kleinen, speziellen Hotel.

Tag 23 - Bai Chai - Hanoi

Heute sind wir nicht besonders früh aufgestanden, da die geplante Strecke nicht besonders lange ist. Wir essen wieder in unserem "Bahn My" (Brot)laden wieder ein Paté-Brot und fahren los. Die Strasse ist sehr schön, breit und absolut neu. Eigentlich eine kurze Strecke wird doch noch mal länger, als wir gedacht hatten, denn 50 km vor Hanoi gibt unsere Minsk wieder auf. Kurz die Zündkerze herausgenommen und geprüft. Schneeweiss - zu wenig Benzin. Der Tank hat noch mindestens 3 Liter drinnen, und der Vergaser hat jede Menge Benzin drin. Unsere Machine entscheidet sich zu starten, nur um nach 2-3 Kilometer wieder zu sterben. Was ist los. Wir nehmen den Vergaser auseinander, um ihn zu reinigen. Zugegeben, er ist schon sehr dreckig und es hat sich recht viel Dreck angesammelt, der nun im Schwimmerraum liegt. Den unteren Teil ausgewaschen und die Jets (es hat zwei) ausgeblasen, springt unser Motorrad nach dem ersten Kick wieder an. Nach nochmal 4 Kilometern ist aber wieder Schluss und das Symptom ist wieder kein Benzin. Wir bringen unser Rad zu einem Reparaturjogi, der das genau Gleiche macht, wie wir auch schon gemacht haben - den Vergaser auseinandernehmen und alles nochmal reinigen.

Nach der "Reparatur" fahren wir weiter, nur um nach nochmal 2 Kilometern stehenzubleiben. Nochmal zu einem Reparaturjogi, der die Kerze reinigt und nachstellt. Auch hier sind wir wieder nach 3 Kilometern tot. Was ist los? Mit diesem Tempo sind wir erst übermorgen in Hanoi! Als letzte Möglichkeit entscheiden wir uns, 8 Liter in den Tank einzufüllen und somit vollgetankt zu sein - siehe da: unsere Probleme sind weg! Es scheint, dass der Benzindruck einfach zu klein war, um bei schnellerer Fahrt den Motor und den Vergaser mit genügend Benzin zu versorgen. Wieder in Hanoi angekommen macht uns der dichte und chaotische Verkehr zu schaffen. Nicht so schlimm - eigentlich. Wir fahren zu unserem Hotel und checken dort ein. Nachher rufen wir Markus an, um wieder an unseren zweiten Rucksack mit Cassiopaya ranzukommen. Als wir bei Markus' Haus ankommen, sind alle Bewohner da und da alle Minskfahrer sind, gibt's das grosse Austauschen der Fahrtgeschichten. Später werden wir noch zu einem Spaghetti-Essen im Hause eingeladen und haben mit allen einen wunderschönen Abschluss unserer genauso schönen Ausfahrt in die Berge im Norden Vietnams. Zurück im Hotel laden wir unsere E-Mail auf den Cassiopeia und lassen mit den riesen Emails, die wir bekommen haben, den Server abstürzen.

Hier nochmal die Bitte: NUR TEXT senden, keine Files, keine Grusskarten oder sonstwas! Die Verbindungskosten sind hoch genug und wir können in der Regel die Files eh' nicht ansehen, weil wir mit Windows CE (hat nichts mit Windows 95 oder so zu tun!) die Files nicht mal öffnen können. Morgen geht's halt wieder mal zur Buu Dien (Telecom), um mit den Jogis dort die Sache mit unseren Mails wieder geradezubügeln. Froh, wieder da zu sein, kippen wir in unser bequemes Bett.