9.11. - 2.12.98
Tagebuch Seite 
Die Berge Nordvietnams

Tag 7 - 13 Sa Pa

Früh aufgestanden und das Hotel gewechselt. Das neue Zimmer ist gross, hat ein eigenes Badezimmer, Veranda und eine grandiose Aussicht direkt auf den Fansipan-Gebirgszug. Das Wetter ist grossartig und so gehen wir ins Dorf, denn heute soll der grosse, farbige Markt der Minoritäten sein. Da hier aber so viele Touristen sind, ist die ganze Sache eher beschwerlich - Gruppen von Minoritätenfrauen ziehen im Dorf herum und umzingeln jeden Touristen, den sie sehen. Das einzige Wort, dass sie kennen ist meistens "OK?". Also hat man ein - zugegeben wunderschönes, leider nicht den westlichen Grössen angepasstes - Minoritätenhemd vor sich und sobald man sich das Ding auch nur mal ansieht, kommen gleich noch 6-10 andere Frauen und stehenherum und halten einem die Ware ins Gesicht. Nicht besonders angenehm. Der Markt an und für sich ist interssant, wenn man sich irgendwo bei den Leuten hinsetzt und versucht, mit ihnen zu reden und nicht nur fotografieren will.

Wir treffen später noch auf Ross und er lädt uns zu einer Flasche Chivas Regal in Duty-Free Grösse plus Abendessen auf unserer Veranda ein - er wohnt im Zimmer neben uns. Den Rest des Tages verbingen wir bei strahlendem Sonnenschein lesend auf der Veranda. Mit Chivas, einigen Soda-Büchsen und dem Essen aus der Hotelküche verbringen wir einen lustigen Abend. Später stösst noch eine Engländerin zu uns, die Ross früher am Tage kennengelernt hat - auch sie ist in der Stimmung, noch ein bisschen was zu trinken und so brechen wir Ross' zweite Duty-Free-Flasche an. An nächsten Tag reist Ross dann weiter und wir bleiben mal so richtig lange im Bett liegen, was einerseits mit unserer unglaublichen Faulheit zu tun hat, aber andererseits von Chantals Erkältung, die sich über die Nacht entwickelt hat. Weil Chantal nicht gerade besonders Unternehmungslustig ist, mache ich mich alleine auf den Weg, um nach Seitenracks für unsere Minsk zu finden, damit wir für die Reise in den Süden, wenn wir zwei Rucksäcke transportieren müssen, genügend Stauraum haben.

Ich finde einen Menschen, der so ein Ding übrig hat, und er schweisst das Ding innert Minuten so zurecht, dass es an unsere Machine passt. Den Rest des Tages verbingt Chantal im Bett und ich mit der ihrer Versorgung mit Tee und Streicheleinheiten.

Am nächsten Tag geht es Chantal nicht unbedingt sonderlich besser, aber wir entscheiden uns doch noch für eine kleine Fahrt ins Tal, an welchem Sa Pa liegt. Wir fahren nicht sonderlich weit, aber trotzdem geht's über 1 m breite, schaukelnde Zugbrücke und auf kleinen Wegen durch Reisterassen. Irgendwann geht's dann aber trotzdem nicht mehr und wir kehren zurück, um Chantal ins Bett zu verfrachten.

Am nächsten Tag ist die Situation nicht besser: Chantal hat zu allem Übel auch noch ein bisschen Fieber bekommen. Da uns das Geld am ausgehen ist, mache ich mich mit Donna, die auch noch einiges Erledigen muss, auf den Weg zur Grenzstadt Lao Cai, um unsere letzten Cash-Dollar-Reserven in Dong zu wechseln. In Sa Pa bekommt man - in Ermangelung einer Bank - nur einen sehr, sehr schlechten Wechselkurs. Die Fahrt runter ist sehr angenehm und vor allem geteert. Alle Geldsachen sind schnell erledigt und dann gehts schon wieder in die Höhe. Wiederum haben wir dieses unglaublich lästige Problem mit dem Kraftverlust und müssen aus diesem Grunde immer wieder halten, um die Machine auskühlen zu lassen. (Gestriges Telefonat mit Markus ergab, dass dies ein komisches Problem sein muss, da dieses Phänomen normalerweise nur bei absoluter Belastung und grosser Hitze auftritt.) Nachdem wir (Donna und ich) wieder in Sa Pa angekommen sind, sehe ich nach Chantal und da sie immer noch schlafen möchte, machen wir uns auf den Weg, um auf dem Pass einige Fotos vom Sonnenuntergang zu machen. Die Szenerie ist dort oben noch viel, viel besser als mitten am Tag - es lohnte sich, nochmal raufzufahren! Am Abend, zusammen im Restaurant entschliesst sich Donna, morgen selber ein Motorrad zu mieten (Eine Minsk, was denn sonst?), um mit uns - Chantal hat inzwischen kein Fieber mehr - nochmal ins Tal zu fahren.

Am nächsten Tag fahren wir um 9.00 los und fahren ins Tal runter, bis die Strasse einfach aufhört: Richtig gelesen, einfach weg, das Ding! Dort lernen wir ein interessantes Paar kennen, welches mit einem ultramodernen Landcruiser mit Fahrer auch bis tief ins Tal vorstossen wollte. Dieses Paar ist stationiert in Bangkok - er arbeitet für die belgische Botschaft und sie ist eine Mitarbeiterin der mexikanischen Botschaft - Chantal fühlt sich nicht besonders und fragt, ob sie mit ihnen ins Dorf rauf könne - kein Problem, heisst es. Alleine auf dem Motorrad bedeutet viel mehr freiheit, was die befahrbaren Strecken und vor allem "Wegchen" anbelangt und ich überzeuge Donna, dass wir am besten nun noch ein bisschen "dirtbiking" machen sollten. Sie ist nicht dagegen und so fahren wir von der Strasse und im ersten Gang wir über Stock und Stein - voller Spass! Irgendwann nach einigen Minuten stirbt dann mein Bike und ich mache mich daran, das Ding zu reparieren. Irgendwie komme ich nicht dahinter, warum ich keinen Funken mehr habe. Nach nochmal 15 Minuten habe ich dann wieder einen Zündfunken und frage lieber nicht genau nach, warum er sich entschieden hat, wieder zu kommen. Zudem entscheiden wir uns, wieder auf die Strasse zurückzukehren, damit wenn wieder was passiert, die Chance jemanden zu treffen, der sich mit diesen Monstern auskennt, grösser ist. Am Weg zurück - immer noch knapp ein Dutzend Kilometer von Sa Pa weg - habe ich wieder Zündfehler (kommt immer wieder vor und lässt sich einfach durch ein bisschen "Blasten" (Zündkerze dreckig, Vergaser verstopft) aus der Welt schaffen) und "Blaste" mal einige Sekunden lang. Während diesem Prozess stirbt das Bike und hinter dem seitlichen Blech kommen durch die Lüftungsschlitze Flammen an meinen Oberschenkeln hoch - das verdammte Ding ist doch tatsächlich in Flammen aufgegangen! Was der Fehler war, ist schnell klar: Die Spule, die den Strom für den Zündfunken erzeugt, ist irgendwie auf einem anderen Teil kurzgeschlossen gewesen und in Ermangelung irgendwelcher Sicherungen ist halt immer ein bisschen Strom durch diese Spule kurzgeschlossen gegen die Masse geflossen und hat die Spule erhitzt. Das Elektrolyt wurde irgendwann flüssig, hat dann weniger Strom an die Kerze gebracht und somit meine "Kraftlosigkeit" hervorgerufen. Bei einem Halt wurde dieses Harz dann wieder hart und schon konnte es wieder losgehen. Dieses mal aber hatte es zuviel Hitze gegeben und das Elektrolyt hat Feuer gefangen (und nebenbei die Spule so zerstört, dass garantiert kein Funke mehr zustande kommen kann - danke). Die Flammen waren nur von kurzer Dauer und wurden dann durch einen sehr ätzenden Rauch ersetzt.

Cool: Ich bin noch Meilen von Sa Pa entfernt und mein Bike ist sehr, sehr tot. Als ich dann mit dem Assessment, was für Möglichkeiten des Bastelns noch da sind, halten immer wieder Leute mit Minsks an und schütteln nur den Kopf, als sie ihre Runde der Startversuche hatten - obwohl ich immer wieder sagte, dass es einfach keinen Strom mehr für die Kerze gibt. Na ja, zumindest bin ich nicht alleine und lasse mich von Donna - das erste Mal in Ihrem Leben auf einem manuell geschalteten Motorrad - wieder ganz langsam nach Sa Pa abschleppen. In Sa Pa fahren wir direkt zum Reparaturmenschen, der nach kurzem auch den Kopf schüttelt. Ich schicke Donna los, um nach Chantal zu sehen und ihr zu sagen, was passiert ist. Ich fange an mit dem Jogi und Digby in Hanoi, einem Freund von Markus (Digby hat im Übrigen ein sehr gutes Buch über das Reisen in Nordvietnam mit einer Minsk geschrieben - Ein Muss für jeden, der in dieser Region reist oder einfach so interessiert ist - Ein Mail genügt, um nachzufragen, wie man zum Buch kommen kann - und natürlich wie viel die neueste Version kostet) über die wirklich notwendigst auszutauschenden Teile zu diskutieren - So oder so: Die Reparatur wird für vietnamesische Verhältnisse ein Vermögen kosten, denn so ziemlich die teuersten Teile sind kaputt gegangen. Über wieviel Geld sprechen wir hier denn? Nicht lachen: Gleich erledigen und gleich Zahlen (plus unsichtbarer Ausländerzuschlag): Knapp 30 Franken. Es geht dann immer noch über eine Stunde, bis Chantal und Donna mit dem Motorrad kommen und wir fahren dann wieder zurück zum Hotel.

Was hat denn Chantal so lange gemacht? Es kommt dann recht schnell heraus: Das Diplomatenpaar hat Chantal zu ihnen ins Hotel eingalden und das ist nicht irgendein Hotel: Es ist das Sa Pa Victoria Hotel - 5 Sterne, mit allem Luxus eingebaut. Die Preisliste ist in Dollar und eine simple Cola kostet dort die Kleinigkeit von 1.5 USD. (In einer Vietnamesischen Bar kostet das gleiche Cola nur 0.12 USD). Es kommt aber noch besser: Sie haben sich so gut verstanden, dass wir morgen zum Essen eingeladen sind - komplett auf ihre Kosten - zu (und jetzt kommt's:) Raclette und Fondue. Der Chef im Victoria ist ein Schweizer (und nebenbei Minskfahrer) und so gibt's Schweizer Speisen dort.

Unser Motorrad ist zwar schon am Abend fertig, aber wir gehen erst am nächsten Morgen hin, um das Ding abzuholen. Dort lasse ich den Jogi noch ein bisschen an unserem Vergaser schrauben und feilen, um an noch mehr Kraft zu kommen. Er leistet ganze Arbeit und so können wir ab sofort durchschnittlich einem Gang höher fahren. Cool! Durch den Tag lassen wir unsere Schuhe reinigen und putzen uns etwas raus, damit wir ein bisschen besser in die Welt im Victoria reinpassen.

Am Abend fahren wir die lange Auffahrt bis zum Hügel in Sa Pa, wo das Victoria gebietend draufsitzt und den Gästen so eine unglaubliche Sicht auf die Berge gibt (wir haben für einen Bruchteil des Preises zumindest eine ähnliche Sicht). Wir gehen rein und werden von unseren neuen Freunden im Bar/Billard/Cheminé-Raum empfangen. Hernach geht's in den Speiseraum und - sehr ungewohnt und mit einem etwas komischen Gefühl im Bauch - wird bestellt. Für uns zwei Männer gibt's eine Fondue und für die zwei Frauen - da Chantal Fondue nicht mag - Raclette. Wein? Ja, ja - Weisswein sollte es schon sein, meinen wir - ob wir einen Walliser Fendant möchten (was?!!? Wir sind knapp an der Chinesischen und Laotischen Grenze in Vietnam, in den Bergen, im Nichts - und jetzt das!) - jaja, meint unser Botschafter - zwei Flaschen.

Der Abend ist toll - das Essen ist toll und alles stimmt einfach. Bis am Schluss, als wir Calvados zum Kaffee trinken, bleibt alles so, wie ein gutes Essen sein sollte - Gut, gut, gut. Wir versprechen, uns zu melden, sobald wir nach Bagkok gehen, da sie uns (falls niemand vor uns auftaucht) ein Bett in ihrer Wohung angeboten haben - no strings attached.

Nachdem wir uns von Ihnen verabschiedet haben, kehren wir mit unserer Minsk zurück zu unserer Traveller-Absteige und zurück zum Traveller-Alltag. Am nächsten Tag bleiben wir vor lauter vollem Magen länger liegen und Chantal geht es nur marginal besser. Wir entscheiden uns, trotzdem morgen nach Bac Ha weiterzufahren, um den Minoritätenmarkt in Bac Ha zu sehen, der anscheinend viel farbiger und besser sein soll, als der in Sa Pa und zudem viel weniger touristisch, denn uns gehen die ewigen Händlerinnen langsam auf den Geist hier. Wir gehen früh schlafen, damit wir morgen fit sind für unsere Etappe. Sa Pa war trotz allen Touristen und Händlerinnen auf jeden Fall den Besuch wert - die Gegend und das schöne Wetter machen es schon aus: Zudem ist es für jeden Touristen innert eines Tages von Hanoi aus erreichbar. Nach Konsultation unserer Karten und dem Packen unserer Habseligkeiten gehen wir zum letzten Mal in unserem Sa Pa-Aussichtszimmer schlafen. Gute Nacht.

Tag 14 - Sa Pa - Bac Ha

Der Nebel während der Nacht hat alles sehr feucht werden lassen - unsere Machine springt in der Folge auch nur sehr unwillig an. Bis nach Lao Cai an der chinesischen Grenze ist auch das Wetter, obwohl wir dort gute 1000 Meter tiefer sind, noch sehr kalt. Wir fahren dann während etlichen Kilometern entlang einem Fluss, auf unserer Seite ist Vietnam und auf der anderen China - komisches Gefühl. Dieser Fluss ist auch gleichzeitig eine Zeitzonengrenze. Wir wechseln wieder mal und Chantal fährt entlang dem Tal, bis zur Strasse, die nach Bac Ha führt. Diese Strasse (10% und mehr Steigung) fährt Chantal auch noch, bis zum Moment, als sie sich bei einem sehr steilen Stück verschaltet und dann im 1. Gang stehenbleibt. Beim Versuch, wieder in Gang zu kommen, führt zu viel gas und eine hastig losgelassene Kupplung zu einem spektakulären Wheelie. Ich falle flach auf den Rücken und Chantal verbrennt sich das Bein am Auspuff. Nach genauerem Hinsehen ist dann aber nichts Schlimmes passiert ausser dass Chantal jetzt einen Heidenrespekt vor der Kupplung hat.

In Bac Ha angekommen erschliesst sich der Markt für uns und er ist tatsächlich wesentlich besser als der in Sa Pa. Viel farbiger, authentischer und schöner. Wir essen mit den lokalen, als der Markt schon am Enden ist. Den Nachmittag verbingen wir mit einigen Reisenden und trinken Bia Hoi. Irgendwie kommt am Nachmittag beim Studium unserer Karten die Idee auf, dass wir nicht unbedingt wieder den gleichen Weg zurück ins Tal müssen, sondern über eine von Digby als "Difficult" beschriebene Strasse in ein anliegendes Tal kreuzen können. Es wären nur 100 km - eine schaffbare Etappe für einen 11-12 Stündigen Tag. Wir gehen nach einem guten Essen mit vielen anderen Leuten früh ins Bett, damit wir morgen schnell wegkommen können.