9.11. - 2.12.98
Tagebuch Seite 19
Die Berge Nordvietnams

Tag 4 - Tuan Giao - Dien Bien Phu

Obwohl wir heute nur 83 Kilometer vor uns haben, fahren wir wiederum knapp nach Sonnenaufgang los. Bei einem kleinen Shop lassen wir unser Hinterrad aufpumpen, da es bei grösseren "Bumps" am Felgen anschlägt. Danach gehts wiedermal im morgentlichen Nebel los. Kurz darauf fahren wir durch ein Tal, auf dessen Talboden zwar kein Nebel mehr zu sehen ist, jedoch auf ca. 50 m Höhe eine sehr dichte "Hochnebeldecke" war. Daraus resultierend ergab sich eine sehr surrealistische Gegend, welche zwar hohe Berge an den Seiten andeutete, jedoch praktisch nichts davon zur Sicht preisgab. Viele Leute sind früh am Morgen in den Feldern am Arbeiten. Sie räumen die Felder auf, schlagen den Reis von den Stauden, filtern ihn und füllen ihn dann in grosse Säcke. Das unglaubliche daran: alles ist Handarbeit! Die ganze Familie hilft mit und wenn dann der Sack mit dem Reis dieser Familie an der Strasse bereit zum Abholen steht, stellt dies die Arbeit einer ganzen Saison dar.

Nach einer sehr angenehmen Fahrt über dieses Plateau - langsam, da wir ja viel Zeit haben - kommen wir in Dien Bien Phu an. Am Eingang dieser Stadt halten wir zum tanken bei einer "Petrolimex"-Tankstelle und verschätzen uns um einen Liter, was die Aufnahmefähigkeit des Tankes betrifft. Da   das Öl und das Benzin bereits gemischt in den Tank kommen sollte, geht bei einer Tankstelle in Vietnam das Tanken etwas anders als normal vor sich: Das nötige Öl wird in einem kleinen Behälter mit einem Liter Benzin gemischt, danach wird der Rest des Benzins ab der Zapfsäule in den Tank gelassen. Schliesslich wird dann der Behälter mit dem Öl in den Tank gekippt, damit sich das Öl mit möglichst viel Benzin mischen kann und sich nicht im Vergaser (wenn man vergessen hat das Benzinhähnchen vorab zu schliessen - was übrigens dazu führt, dass man unter Umständen eine tolle Zeit damit hat, das Motorrad wieder in Gang zu bringen) oder am Boden des Tanks (was weniger schlimm ist, weil man vor der Abfahrt eh' immer noch ein bisschen das Motorrad schüttelt, um das Öl und das Benzin noch besser zu mischen) anreichert. Wenn man sich nicht verschätzt, hat man am Schluss die geforderten 6-8% Öl plus die gewünschte Anzahl Liter Benzin im Tank. Was aber, wenn es für den Liter mit dem Öl keinen Platz mehr hat? Einfach, oder? Man nimmt das Benzinschläuchchen vom Vergaser und lässt einen Liter ab. Gut, was ist aber, wenn das Schläuchchen - zugegeben alt - während diesem Prozess genau so reisst, dass zwar das ablassen des Benzins kein Problem ist, aber es nicht mehr schaffbar ist, den Tank mit dem Vergaser ohne zu lecken zu verbinden? In der CH hätte man sicherlich eine interessante Zeit - in Vietnam sind solche Sachen aber keinerlei Problem: Im Vergaser befindet sich normalerweise noch Benzin für ca. 1. km - genauso weit muss man in Vietnam höchstens fahren, bis man einen Reparaturmenschen für sein Motorrad findet! Was dann aber das Beste daran ist: Die Reparatur wird JETZT, nicht irgendwann, nicht morgen, nicht in ein paar Stunden, sondern in dem Augenblick an dem man hinfährt, erledigt. Damit Leute, die einige Minuten warten müssen, bis die Reparatur erledigt ist, nicht verhungern oder verdursten, oder mit zu langen Haaren dastehen, siedeln sich neben solchen Reparaturläden immer andere Café-Läden, Coiffeure, etc. ein, die von diesem Shop leben. Marktwirtschaft mal ganz einfach beobachten - mit allen Abhängigkeiten einfach ersichtlich!

Wir bekommen nach ca. 10 Minuten (Er musste noch zu einem Shop weiter unten an der Strasse, um ein bisschen Gummischlauch zu besorgen) ist unsere Minsk mit einem neuen Schlauch ausgerüstet und wir haben inzwischen eine Cola getrunken - besser könnte doch das Ganze nicht ablaufen, oder? Wir fahren weiter und kommen kurz darauf ins "Zentrum" von Dien Bien Phu. Dort finden wir nach kurzem Suchen ein angenehmes Gasthaus und mieten uns dort ein. Der Nachmittag liegt noch vor uns und wir entscheiden uns, ins Kriegsmuseum von Dien Bien Phu zu gehen.

Dien Bien Phu war 1954 Schauplatz einer der berühmtesten Schlachten dieses Jahrhunderts. Die Franzosen hatten (unter tatkräftiger finanzieller Unterstützung der USA) angefangen gegen die Vietnamesen (welche ihrerseits von China und der Sowjetunion unterstützt wurden) zu kämpfen. Um den Vietnamesen den Nachschub abzuklemmen, beschlossen die Franzosen das Tal um Dien Bien so zu festigen, dass es uneinnehmbar werden würde. Die Vietnamesen aber - mit der Unterstützung der umliegenden Bergvölker - fingen an mit Fahrrädern und von Hand, schwere Waffen und alles mögliche Kriegsmaterial durch den unwegsamen Dschungel zu schleppen, bis kurz vor der Festung. Als dann alles bereit war, fing die Belagerung an, die 55 Tage lang dauern sollte. Es wurde bis zum letzten Mann um jeden kleinen Hügel gekämpft, jedoch brachte ein Tunnel unter einem strategischen Hügel (das Ding war nicht grösser als ein Häuserblock und keine 30 m hoch (!!) - man stelle sich nur den Irrsinn vor), der in Wochenlanger, geheimer Arbeit von den Vietnamesen gegraben wurde und dann mit 1000 Tonnen Sprengstoff gefüllt und in die Luft gesprengt wurde, die Wende - am nächsten Tag kapitulierten nämlich, in Anbetracht der Vietnamesischen Übermacht, die übrigbleibenden Franzosen.

Das Museum - klein, aber fein - zeigt in einer audiovisuellen Show die wichtigsten Etappen der Schlacht und einige Artefakte beider Parteien werden ausgestellt. Man kann zum Beispiel bei einem Fahrrad lesen: "Mit diesem Fahrrad transportierte Herr Soundo während 4 Monaten täglich 280 kg Reis für die siegreichen vietnamesischen Truppen. Dieses Gewicht lag 140 kg über dem vorgegebenen." Und so weiter... Draussen vor dem Museum stapelt sich Kriegsschrott und man kann ein (sehr kommunistisch angehauchtes) Denkmal bewundern, welches der Schlacht gedenkt.

Nach dem Besuch des Museums, fahren wir mit unserer Minsk wieder Richtung Hotel, als eines unserer wichtigsten Teile unserers Motorrades den Geist aufgibt: Die Hupe! Nach einer genaueren Analyse ergibt sich, dass der ganze Strom weg ist. Angesichts der Tatsache, dass dieses Motorrad keinerlei Batterie, Sicherungen oder sonstigen elektronischen Teile hat, die kaputt gehen können, muss das Problem irgendwo bei einem Kurzschluss liegen. Da unser Hotel gleich nebenan einen Reparaturjogi hat - wir sind ja in Vietnam, nicht? - bringe ich unser Motorrad gleich zu ihm und er fängt an, sich damit zu beschäftigen (ja,ja, gleich!) während Chantal im Hotel einen Tee trinkt und auf meine Rückkehr wartet. Kurz darauf (das Motorrad ist bereits in allen Einzelteilen) kommt Chantal und sagt, dass sie einen ehemaligen Major kennengelernt hat, der uns einlädt, mit ihm in seinem Jeep (mit Fahrer) zu einem Schlachtfeld etwas ausserhalb der Stadt zu kommen. Major Ross Kenny - Pensionierter Major der Australischen Armee stellt sich als ein sehr umgänglicher und weitgereister Mensch heraus. Er war während des Vietnamesisch-Amerikanischen Krieges zwei mal hier und hat ausserdem in anderen Kriesengebieten in Asien gearbeitet.

Er ist ein wandelndes Lexikon betreffend Daten, Schlachten und politischen Situationen in den letzten 40 Jahren. Nachdem wir das Schlachtfeld (es gab dort nichts ausser Reisfeldern) gesehen hatten (war eine schöne Aussicht, trotz allem), fuhren wir wieder zurück ins Hotel und wurden von ihm eingeladen, mit ihm essen zu gehen. Noch so gerne: Es wird sicher interessant, denn er hat unzählige Geschichten seiner Erlebnisse auf Lager. Inzwischen ist auch der Reparaturjogi fertig und siehe da, der Strom ist wieder da und unsere Hupe (noch etwas schwach auf der Brust) quäkt voller Lebenslust. Die ganze einstündige Reparatur - das ist ja das beste dran - kostet weniger als einen Franken.

Nachdem wir geduscht hatten - früher am Nachmittag gab es leider keinen Strom, der unser Wasser im kleinen Boiler in unserem Zimmer hätte erwärmen können - trafen wir uns mit Ross und gingen essen. Der Abend war wirklich sehr angenehm und es scheint, dass wir in den nächsten Tagen noch mehr von seinen manchmal unglaublichen Stories hören können, denn seine Route und Etappen entsprechen den unseren. Wieder im Zimmer sehen wir uns die Karten für unsere morgige Strecke an: 103 Kilometer - aber gemäss unseren Karten ist kein einziger Kilometer dieser Strecke geteert! Mal sehen wie's wird... Ross hat uns versprochen, morgen in Lai Chao einen Drink kaltzustellen. Kurz danach schlafen wir satt, zufrieden und müde ein. - Gute Nacht!

Tag 5 - Dien Bien Phu - Lai Chao

Wiederum um 6.30 nach einem einfachen Frühstück auf dem Rad machen wir uns auf den Weg ins 103 km entfernte Lai Chao. Es ist schon komisch, dass in diesem Land um 6.00 alle schon auf den Beinen und am arbeiten sind. Zunächst ist die Strecke zwar nicht geteert, aber recht breit und vor allem nicht allzu holprig. Nach einigen weiteren Kilometern wird die Strecke aber zunehmend schlechter, es müssen kleine Bäche durchquert werden, die Strasse exsistert manchmal einfach nicht und vor allem ist die Piste unglaublich staubig! Bereits nach 20 Kilometern sehen wir aus wie professionelle Fahrer auf der Paris-Dakar Rally - komplett überzogen mit einer feinen, deckenden Schicht von weissem Staubsand und Dreck.

Die Gegend sieht sehr unbewohnt aus und ist auf einmal wieder sehr grün - wenig Reisfelder oder sonst bebaute Flächen - mit Bananenstrauchwäldern und vielen grösseren Versionen der Pflanzen, die wir schon von zu Hause her kennen. Wir halten immer wieder mal, um Chantals Hinterteil, welches auf diesem Terrain immer wieder mal um Vergebung schreit, eine Pause zu gönen. Bei solchen Halts kam es immer wieder mal vor, dass mitten aus dem Nichts ein einzelner Mann oder eine Gruppe aus dem Wald gerade neben uns herauskam, um uns zu begutachten und uns die vietnamesische "Wie geht's"-Frage zu stellen, die hier eher lautet "Wohin geht ihr?" Wenn wir sagen, dass wir die Strasse weiter runterfahren werden, dann antwortet er, dass er nachher wieder in den Wald gehen wird. Begrüssung vorüber!

Kurz vor Lai Chao wird die Strasse wirklich interessant, denn während der Regenzeit werden die Strassen hier öfters entweder weggewaschen oder von Erdrutschen mitgenommen und unser Strassenstück hier ist eine kleine Strecke lang nur noch ein Rinnsal, welches sich durch die lehmigen Überreste eines Erdrutsches kämpft. Und hier sollte es auch sein, wo wir unsere erste Lektion betreffend Lehm, darauf fahren und unserem Motorrad, bekommen sollten. Wir haben eh' schon fast angehalten, als wir uns entschliessen hier doch nicht zu halten und eher noch ein bisschen weiterzufahren. Wir fahren in diesen Lehmteil rein und als sich die Rillen unserer Reifen mit Lehm gefüllt hatten, war das gefühl sehr "eisig". Keine Traktion in irgendeine Richtung und schon kurz darauf haut uns das Hinterrad ab und wir liegen am Boden. Nichts passiert, nur dreckig geworden (macht eh' keinen Unterschied mehr..) und gelernt, was Lehm auf der Strasse heisst.

Kurz darauf kommen wir in Lai Chao an. Eigentlich sollte gemäss unserer Karte dieser Ort der lokale Bezirkshauptort sein, aber diese 20 Häuser entlang einer Strasse in einem Tal und am Fluss können es doch nicht sein. Als wir aber beim lokalen Hotel Ross' Jeep sehen, stellt es sich heraus, dass es eben doch so ist. Ross sitzt auf der Veranda und begrüsst uns mit der Bestellung eines kalten Getränkes. Wow, genau was wir brauchen!

Wir mieten uns im Zimmer ein und können gleich auch Duschen gehen. Es war wahrscheinlich eine der effektvollsten Duschen, die wir jemals gehabt haben. Nachdem der Wasserstrahl uns traf, floss erst mal minutenlang eine braun-rote Sauce an uns runter. Den Nachmittag dieses wiederum brilliant schönen Tages verbringen wir auf der Veranda des Gasthauses und entspannen in der Sonne. Später am Nachmittag geht Chanal zum ersten mal alleine Tanken und repariert am Moto etwas. Augenblicklich ist sie Zentrum allem männlich-vietnamesischen-Interesses - eine Frau fährt Motorrad und repariert selbst - WOW! (Hätten sie noch gewusst, dass Chantal auch Reisschnaps mag und trinkt - na, das wäre wahrscheinlich zuviel für sie gewesen!) Abends essen wir wiederum mit Ross und ziehen uns noch einige seiner unglaublichen Stories 'rein. Er ist neben einem sehr altgedienten Söldner auch ein brillianter Geschichtenerzähler. Auch nach 3 Stunden "Warstories" ist noch bei weitem keine Langeweile da. Recht früh gehen wir schlafen, damit wir für unsere "Mega"-Strecke morgen nach Sa Pa von 190 Kilometern auf nicht besseren Strassen als heute, einigermassen fit sind.

Tag 6 - Lai Chao - Sa Pa

Ganz Früh, um 5.45, rufen in Lai Chao die lokalen Lautsprecher der Partei die braven und arbeitsamen Vietnamesen zur Arbeit, während wir unsere Habseligkeiten wieder in unseren Rucksack packen und dann auf unsere Minsk laden. Die Sonne ist um 6.15 über dem Nebel bereits schon aufgegangen, wir aber - unter dem Nebel - sind immer noch in einer sehr gespenstigen Welt. Als wir am Dorfausgang über eine Hängebrücke älteren Datums fahren, sieht diese Brücke, dessen Pfeiler in den Nebel hochragen, aus wie das Tor zu Dantes Inferno. Hernach geht's auf einer Strasse, so schlecht wie gestern, erst mal steil in die Höhe. Dann, auf einer Art Plateau fahren wir einem Fluss entlang und die ganze Gegend sieht mit all dem Nebel, Dschungelartigem Busch und dem Fluss aus, als wären wir in einem prähistorischen Land und hinter dem nächsten Baum würde demnächst ein kleiner Dino hervorlugen - und es sähe zu allem hin sehr passend aus!

Durch einige Dörfer mit verschiedenen sehr farbigen Minoritäten, dessen Männer auch im Berg-Look angezogen sind. (Sieht je nach Design der Minorität und Farbwahl sogar sehr avantgardistisch aus und würde sich bei uns im urbanen Dschungel exzellent machen!) Bisher waren es eher die Frauen die das traditionelle Gewand trugen. Wir kommen vorbei an einigen Märkten, zu denen alle die Leute aus den umliegenden Dörfern in den umwegsamen Tälern und Bergen kommen und ihre Waren anbieten. Sieht alles sehr anders und "komisch" für uns aus - die Leute sind klein, scheu und bekommen, je weiter dass wir in diese Gegend kommen, eher einen Schrecken bei unserem Anblick, als dass sie sich freuen und uns zu winken oder grüssen.

Als wir dann wiederum mal aus dem Nebel rausfahren, schlägt uns wieder eine unbarmherzige Sonne entgegen und die Strasse wird so richtig schlecht: Grössere Steine, keine richtige Spur mehr und sehr, sehr, sehr holprig - Chantal hebt manchmal bis zu 50 cm vom Sattel ab und hält sich nur noch an meinen Schultern... Kurz vor der kleinen Stadt Phong To treffen wir auf zwei noch viel wahnsinnigere Leute als wir (Wir betrachten uns schon als gut und richtig "Non-Touristy", weil wir das ganze nicht im Aircon-Büsschen mit lauter anderen Touristen machen): Ein Australisches Paar, dass diese ganze Strecke per FAHRRAD macht. Sie haben den Rest ihrer vietnamesischen Ferien (2 Wochen), nach einer Woche am Strand, ganz dem Norden gewidmet. (Wir würden zuerst fahren und dann an den Strand - aber jedem das Seine). Wir sprechen mit ihnen noch eine Weile - es scheint als waren sie auch reif für eine Pause, bevor wir, knapp nach Mittag und schon mehr als 6 Stunden unterwegs, in Phong To in einem kleinen Laden ein kleines, leichtes Mittagessen zu uns nehmen. Die Stärkung war eine gute Idee, denn der schwerste Part sollte noch vor uns liegen!

Die Strasse in Phong To war geteert bis zum Dorfausgang. Dort biegt der geteerte Teil nach rechts ab und geradeaus geht nur eine sehr kleine, enge, holprige und staubige Piste weiter. Für vietnamesische Logik ist klar, welches die dicke, rote Strasse auf der Karte ist - uns war es erst nach fragen - es ist dieses kleine Holpersträsschen (was denn sonst?). Wir steigen und steigen auf einem kleinen Strässchen Haarnadelholperkurve nach Haarnadelholperkurve einige weitere hundert Höhenmeter, bis wir wieder mal auf einem Plateau sind. Keine Wolke trübt den Himmel über uns und die Sicht ist grandios, denn je weiter wir in die Höhe kommen, um so weiter sehen wir über die Gegend. Weit im Hintergund sehen wir die ersten wirklich hohen Berge des Fansipan-Gebirgszuges (3000+ m.Ü.M). Wie so oft auf unserer Fahrt, ist das genau dort, wo wir hin müssen, denn Sa Pa liegt genau hinter diesen Bergen! In einem kleinen Dorf gönnen wir unserer Minsk noch ein bisschen Benzin mit mehr Öl als üblich, bevor es mit dem Aufstieg so richtig beginnt. Wir fahren auf einer Strasse, die sich nicht besonders windet, sondern eher direkt in einer sehr steilen Linie dem Berg entlang raufgeht. Als wir meinen, schon einen grossen Teil der Steigung hinter uns zu haben, kommen wir in ein Tal, wo wir die Strasse (gespickt mit Steinen und Schlagöchern) in einer geraden Linie bis an das Talende sehen können. Am Ende dieses Tales gibt es nichts als hohe Berge in alle Richtungen! Am Ende dieses Tales wird die Strasse nochmal schlechter. Es ist ein besserer Wanderweg 12-16% steil und über manche Strecken nur im ersten Gang zu bewältigen. Irgendwann kommt dann ein Teil, in dem die Strasse in einem Bachbett läuft und zu zweit mit unserem Gewicht auch im ersten Gang nicht zu bewältigen ist. (Wir versuchten es, aber die Kupplung überhitzte, fing an zu kleben und würgte den Motor ab.) Als wir in diesem Teil warteten, bis alle Teile so ausgekühlt waren, dass wir sie auseinandernehmen konnten, fingen an (wir erinnern uns - wir sind nirgendwo im nirgendwo) Scharen von Leute sich für die zwei einsamen Fremden zu interessieren, die anfingen, ihr Motorrad in Einzelteile zu zerlegen.

Nach dem sehr öligen Job der Kupplungsdemontage und dem auseinanderdrücken der verklebten (gemäss Markus hat noch niemand dieses Phänomen mit einer Minsk gehabt) Kupplungsscheiben, geht dann unsere Kupplung wieder und ich fahre alleine über diesen Teil, bis die Strasse wieder einigermassen zu zweit befahrbar wurde. Immer wieder müssen wir wegen unserem Problem des Kraftverlustes anhalten - zum Glück ist nach einigen Fotos und einer Zigarette alles wieder in Ordnung - wir wurden von allen Leuten auf dieses Problem vorbereitet und so ist das Ganze nicht gar so schlimm. Ausserdem vermuten wir, dass aufgrund des schönen, warmen Tages die ganze Sache verschärft vorkommt.

Die Strasse im oberen Teil wird zur Zeit "wiederhergestellt", was heisst, dass es manchmal gar keine Strasse mehr gibt, dass wir Bäche durchqueren müssen und manchmal über behelfsmässige Brücken aus manchmal sowenig wie 3 Bambusstämmen fahren. Interessant, aber anstrengend. Die Gegend jedoch belohnt uns zigfach: Die Berge hier müssen den Vergleich mit den schweizer Alpen nicht scheuen und dank einem kleinen Wind sehen wir weit, weit hinaus, bis hin zu den ersten Laotischen Hügeln. Das einzig komische: Wir sind zwar schon lange über der Baumgrenze, aber die Berge sind nicht karg oder unbewachsen - sie sind grün bis zur Spitze - komischer Anblick! Fast oben am Pass halten wir an einem Ort, an dem fast ein unsichtbares Schild zu hängt scheint: "Hier Halten!". Der Ausblick ist unglaublich: 270° auf mehrere dutzend Gipfel im 3000er Bereich und mehrere dutzend Quadratkilometer Berge und Hügel (und unserer kleinen Todespassstrasse, die sich über mehrere dutzend Kilometer in der Tiefe bis zu uns hinauf windet). Wir überqueren den Pass auf knapp 2000 Meter und machen uns auf eine kurze, angenehme Rollpartie bis nach Sa Pa bereit. Von diesem Aussichtspunkt bis zum Dorf ist die Strasse wieder komplett und gut geteert. Warum? Sa Pa ist DER Ort, zu welchem die Touristen, welche den Norden Vietnams besuchen, kommen. Dieser Aussichtspunkt ist nur 16 km von Sa Pa entfernt und wird natürlich täglich von zig Touristen besucht. Sa Pa wurde von den Franzosen zu einem Höhenkurort ausgebaut und sieht heute noch so aus, wie irgendwo in den französischen Alpen.

Als wir dann - ziemlich geschafft - aber glücklich in Sa Pa ankommen, genehmigen wir uns zuerst mal ein Getränk und sehen dem Treiben auf dem Minoritätenmarkt an, welcher aber schon ziemlich fertig ist (wir erinnern uns - Vietnamesen sind Frühaufsteher und Minoritäten stehen nicht nur früh auf, sondern wohnen auch ziemlich weit im Kraut draussen - was also sucht ein Minoritätenmann um 4 Uhr nachmitags noch am Markt? Genau!) und nur noch die in Shorts bekleideten und mit ihren Kameras bewaffneten Touris machen den Markt aus. Wir mieten uns in einem Hotel für 4 USD ein und geben unsere Jacken und Hosen zum Waschen - sie haben es dringend nötig! Wir werden morgen in ein anderes Hotel umziehen und dort dann ein leicht teureres, dafür mit toller Aussicht und eigener Veranda ausgestattetes Zimmer haben. Als wir die letzten Formalitäten mit dem Hotel mit Aussicht am Diskutieren sind, kommt draussen Ross' Jeep an. Aus allen über 40 (!!) verfügbaren Hotels hat sein Fahrer dieses hier gewählt - cool. Wir sind aber so geschafft, dass wir nach einem Essen - ohne Ross - bei dem Hotel, in unser grosses Bett kippen und ziemlich gleich - aber unheimlich beeindruckt durch den Tag - einschlafen.