18. - 19.9.98
Tagebuch Seite 14
Abschnitt 1/4
Macau-Guangzhou-Nanning-Beihei
Um Punkt 10.00 stehen wir an der Bushaltestelle und werden in einen Bus gesetzt, der aber nur bis zur Grenze mit China fährt. Dort werden wir wieder ausgeladen und Richtung Zollhaus geschickt. Die Macau-Immigration ist sehr einfach: nur einen Stempel & das wars. Nachher müssen wir einen recht weiten Weg durch eine Art Niemandsland - analog zu Hong Kong - mit hohen Stacheldrahtzäunen gehen. In China wieder eine Arrival-Card ausfüllen und unser Visa abstempeln lassen. Der Zollbeamte prüft meinen Pass besonders gut, weil er durch den dauernden Schweiss im Bauchgürtel ziemlich in mitleidenschaft gezogen wurde. Nach dem Zoll wechseln wir wieder unser Geld und sind alles in allem glücklich, wieder in China zu sein.

Der Bus, der auf der anderen Seite auf uns wartet ist aber dafür eine Überraschung: Ein brandneuer Hyundai mit genügend Platz für die Beine - Aircon und dem obligaten VCD-Spieler für die Videos. Ohne weitere Wartezeiten fährt der Bus ab und bringt uns durch ein China, wie es wahrscheinlich in ein paar Jahren ziemlich überall aussieht: Grosse Häuser und Wolkenkratzer, Hochglanz Karaoke-Discos und breite und schnelle Strassen. Wir fahren mit einer noch nie dagewesenen Geschwindigkeit von 110 über die fast leeren Autostrassen und kommen ohne irgendwelche Zwischenfälle irgendwelcher Art 3 Stunden später in Guangzhou an. Dort werden wir ausgeladen und wir marschieren gleich zum Hauptbahnhof, damit wir vielleicht einen Zug über die Nacht nach Nanning erwischen, denn nochmal eine Nacht in Guangzhou wäre nichts für uns. Am Bahnhof wandern wir herum, und finden den Ticketschalter (Wir suchen immer nach den Menschenmassen) nicht sofort. Ein junger Mann bietet uns an, beim Einkauf der Tickets behilflich zu sein - gerne antworten wir. Dieses Mal wollen wir Soft-Sleeper ausprobieren und die Strecke, kurz wie sie ist, eignet sich hervorragend dafür. Es ist 15.00 und der Zug fährt 15.20 - auch das ist perfekt!

Ich gebe dem Mann soviel Geld wie er nach der Verhandlung mit der Dame hinter dem Ticketschalter benötigt (600 Yuan) und dann bekommen wir die Tickets zurück. Nur, wo ist das restliche Geld, denn die Tickets summieren sich nur auf 520 Yuan? Ah, das sei seine Service Charge, erklärt der Mann. Diese Summe (Wir hätten ihm bestimmt was für seine Dienste gegeben) können wir nicht akzeptieren. Er macht uns klar, dass wir uns eher beeilen sollten, als über das Geld zu studieren - wo er auch recht hat - aber wir können ihn nicht mit dem davonkommen lassen. Ich fordere das Geld zurück - Sofort! Inzwischen sind auch mehr als 50 Schaulustige zusammengekommen, um dem Schauspiel beizuwohnen. Als dann der Mann auch noch Anstalten macht, in der Menge unterzutauchen, packe ich ihn am Kragen, stelle ihn mit dem Rücken an ein Gitter und fordere ihn ein letztes Mal zur die Herausgabe des Geldes auf. Auf einmal recht nervös rückt er dann das Geld heraus und ist schneller verschwunden, als ich vom Geld aufsehen kann. Warum er so nervös war, wurde mir erst einige Sekunden später klar, als ich in die Menge schaute: Ein PSB (Public Security Bureau) Mann war auf dem Weg zu mir und schaffte es nur einige Sekunden nachdem der andere weg war, durch die inzwischen unglaublich grosse Zuschauerrunde. Ich erkläre ihm das alles in Ordnung und nichts weiter passiert sei und dann machen wir uns auf die Socken zum Zug, den wir in den aller letzte Minuten erreichen.

Unser Soft-Sleeper-Abteil ist das genau gleiche Modell, wie in der Trans-Sib. Der Wagen, alles ist das selbe, nur die Farben sind etwas anders. Und da ist auch der Drehregler, der uns ermöglicht, das Gedudel zu regulieren oder auszuschalten! Die ersten paar Stationen lang sind wir noch alleine, aber dann bekommen wir ein chinesisches Paar ins Abteil gesetzt und wir rollen in aller Ruhe in die Nacht hinein. Am nächsten Morgen lernen wir noch eine wichitge Lektion über die Art der Chinesen: Obwohl sie die Möglichkeit hätten, die Musik und das Gequake abzuschalten, werden wir am Morgen dadurch geweckt, dass der Mann in unserem Abteil die Musik voll aufdreht. Sie *brauchen* diese Kakophonie irgendwie und sind sehr schwer davon zu überzeugen, dass wir ganz glücklich darum wären, wenn es zumindest ein bisschen leiser wäre.

Um 9,00 morgens kommen wir in Nanning an und siehe da, was für ein Zug steht auf dem Gleis gegenüber? Ja, der nach Beihei! Wir rennen aus dem Bahnhof, rüber zu den Ticketschaltern und bekommen nach ungaublichen 5 Minuten ein Ticket für den Zug nach Beihei. (Reisen in China sollte immer so effizient sein!) In einem Hard Seat-Abteil machen wir uns dann auf die 4-Stündige Fahrt Richtung Beihei, mit den "schönsten" Stränden (Zitat Lonely Planet: "Southern Thailand it is not") Chinas.


19. - 27.9.98
Tagebuch Seite 14
Abschnitt 2/4
Beihei - Silver Beach
Jeder, der mit dem Zug im Bahnhof Beihei einfährt, wird sich zunächst mal fragen: War's das? Aus dem Zugfenster kann man auf der einen Seite eine unglaubliche Baggereinöde sehen und die andere Seite kommt mit einem einsamen Perron und einem sehr einfallslosen Bahnhofsgebäude daher. Einziger Lacher: der Ausgang ist mit riesigen Lettern als "THE OUT" angeschrieben.
Alles andere ist nicht sehr amüsant: Betonruinen, Betonstrassen und Einöde. Erst nachdem wir schon fast das Gelände Richtung Busbahnhof verlassen haben, werden wir von einem Hotelyogi angesprochen (Wir hatten uns schon gefragt, wo denn der abgeblieben war) und schlägt uns einen Aufenthalt in seinem Hotel vor (was sonst?). Die Preise sind ganz angenehm und wir gehen mit ihm mit. Nach einer längeren Fahrt mit einem altersschwachen Stadtbus, der es nie über 10 km/h schaffte und uns durch eine Gegend brachte, die zwar mit dreispurigen Strassen und verfallenden Grossbauten durchzogen war, aber im grossen
und ganzen nicht bewohnt war, kamen wir in einer art Zentrum an (Kreuzung zweier grosser Strassen), in welchem einigermassen Leben zu sehen war.

Unser Hotel ist in einer sehr kleinen Nebenstrasse in einem eher heruntergekommenen Viertel angesiedelt und ist ganz bestimmt kein Ort, an dem Foreigners zugelassen sind (das unser Gefühl sich als richtig herausstellen sollte, kommt später). Wir bekommen für 50 Yuan ein Auditorium-grosses 3-Bettzimmer mit eigenem WC/Dusche (Was sich ebenfalls später herausstellen sollte, ein sehr, sehr guter Preis!) Das Hotel und die kleinen Restis in der Umgebung sind alles Familien-Betriebe und dementsprechen geführt und liebenswürdig. Speziell interessieren sie sich alle für die zwei Foreigners, welche hier sind und anscheinend nichts dagegen haben, mit allerlei komischem gefüttert zu werden.

Die nächsten Tage sind dem Strand gewidmet, der ca. 10 km ausserhalb der "Stadt" liegt. Chinesen verstehen aber unter "Fun under the Sun" ganz was anderes als wir Europäer! Der Silver-Beach-Abschnitt kostet erst mal heftig Eintritt, dafür bekommt man gratis dazu einen Schlüsselanhänger (exklusiv), der beweist, dass man da war. Für Chinesen ist das besonders wichtig, denn sie schaffen es - gemäss den Aussagen vieler - nur ein einziges Mal im Leben an den Strand. Technisch gesehen ist der Strand ganz OK. Der Sand ist fein und weiss, das Meer sauber und klar.

Chinesen aber haben ein Problem mit der Sonne, eine braune Haut zu bekommen ist nicht wünschenswert. Je weisser die Haut, desto besser! Ergebnis: Chinesen am Strand ziehen nur langarmige Hemden an, die bis zum obersten Knopf zu sind und haben lange Hosen an. Zudem tragen sie meist einen Hut und gehen während des Aufenthaltes am Strand nicht aus dem Schatten des Sonnenschirmes. Weil sie dann in voller Montur nicht daran interssiert sind, die Kleider voller Sand zu bekommen, sitzen sie unter den Schirmen an kleinen Tischchen in Plastik-Gartenstühlen. Im Endeffekt sieht der ganze Strand wie eine riesige Ansammlung von kleinen Picknicks aus. Der Hammer kommt aber noch: Erinnern wir uns an die Erkenntnis aus der Fahrt Guangzhou-Nanning - die Chinesen brauchen Beschallung - Der Strand ist unter konstanter Beschallung durch drei grosse Lautsprecher, die den gleichen Düdel-Propaganda-Sound von sich geben, den man auch im Zug zu hören bekommt. (Gewöhnungsbedürftig sowieso schon, aber am Strand speziell noch mehr!)

Der Rest des Strandes wie auch die nähere Umgebung ist mit der komischsten Architektur bebaut, die man in China überhaupt zu sehen bekommt: Hotels gleichen Kirchen (Kreuz auf dem Dach inkl.) oder geparkten UFO's, oder kleinen Schlösschen (runder Turm inkl.) etc. Als hätten die Architekten während der Planung einfach ein Foto eines Europäischen Gebäudes genommen und es 1:1 nachgebaut. Im Beach-Park, zu dem man mit dem Ticket für den Strand auch Zutritt hat, bietet täglich mehrere Darbietungen von russischen Tänzerinnen, Hochseilakte (je nach Wind) und jede Menge (12 an der Zahl) Karaoke-Bars. Ruhe und Abgeschiedenheit gibts für Chinesen hier keine (ist auch irgendwie nicht gewünscht) - aber Foreigners leiden noch mehr: Alle 15-20 Minuten kommt wieder eine Gruppe und will sich mit uns (mitten unter den Leuten, ca. 20 cm grösser als der Durchschnitt) ablichten lassen. Sollte niemand in der Gruppe einen Fotoapparat haben, wird schnell einer der fliegenden Fotografen bestellt.

Alles in allem, wenn man sich daran gewöhnt, ist der Tag am Strand ganz ok. Jeweils am Abend essen wir in einem der kleinen Restis und versuchen mit unseren wenigen Worten Chinesisch den ganzen Fragen der Leute gerecht zu werden. Das geht alles gut, bis am 6. Tag. Am Nachmittag dieses Tages kommt der Hotelbesitzer und versucht uns mitzuteilen, dass wir nicht mehr in diesem Hotel bleiben können, die Polizei sei unten und verlange die Einquartierung der Foreigners in einem zugelassenen Hotel. (In China sind nur sehr wenige (leider immer die teureren) Hotels für die Unterbringung von Foreigners zugelassen und ein nicht zugelassener Besitzer kann, je nach dem wie schlecht seine Beziehungen zu der lokalen Police-Force sind, sogar eine massive Busse bekommen)

Auch meine direkte Intervention kann nichts daran ändern, dass wir innert 10 Minuten aus dem Hotel draussen sein müssen. Nach einigem Hin und Her und aufopfernder Hilfe durch den Hotelbesitzer (seine Beziehungen scheinen gut zu sein) bekommen wir ein Zimmer im günstigsten Hotel der Stadt, welches zugelassen ist. Der Preis für das Zimmer (halb so gross und recht schlecht beieinander) ist glatt dreimal so hoch wie das andere Hotel. Angesichts dieser Situation entschliessen wir uns, so schnell wir möglich von hier wieder wegzukommen, um in Nanning unser Vietnam-Visum zu beantragen.


27.9. - 1.10.98
Tagebuch Seite 14
Abschnitt 3/4
Nanning
Nanning begrüsst uns mit viel Lärm, Verkehr, teuren Hotels und keinerlei grösseren Sights. Wir gehen gleich am Montag zum FIT-Büro, um unser Vietnam-Visum zu beantragen. Dort gibt's ausser dem total aus der Luft gegriffenen Preis (800 Yuan pro Pass) und der Tatsache, dass durch den bevorstehenden Nationaltag und dem Moon-Festival die Bearbeitung des Visas sehr verzögernt wird, keine grösseren Probleme. Wir können unser Visa in ca. 10 Tagen abholen. Uns schwant schon das Grauen: 10 Tage hier in dieser grossen und uninteressanten Stadt - uäh! Wir entschliessen uns darum, von Nanning aus so schnell wie möglich nach Guilin und dann wieder nach Yangshuo zu kommen, welches 1. mal günstiger und 2. sicher besser zum warten ist, als in Nanning. Der Bahnhof ist wie immer ein grosses Chaos und dies wird dadurch verstärkt, dass die meisten Leute der Stadt für den Nationalfeiertag zurück zu ihren Familien auf's Land fahren. Wir bekommen ein Ticket nach Guilin erst für den 1.10. Wir
kaufen uns im lokalen Bookshop die einziegn vier englischen Bücher, die sie überhaupt haben und verbringen unsere Zeit mit Lesen, Mangos essen und im lokalen Park herumhängen. (Zumindestens ist das Wetter und die Temperatur ok: Praller Sonnenschein und 35-40°C - Was im übrigen dazu führt, dass gegen den Abend, wenn alle nach Hause zurückkommen und die
Klima-Anlage einschalten, das Stromnetz von Nanning jeweils zusammenbricht und wenn wir im Hotel sind, während einiger Stunden der riesige Diesel-Generator (gleich vor unserem Zimmer, wo sollte er denn sonst sein?) mit ohrenbetäubendem und markerschütterndem Lärm den für's Hotel nötigen Strom erzeugt.) am 1.10. durch den Tag durch fahren wir wieder nach Guilin (Wegen dem Nationaltag ist der Zug zum bersten voll und es wird viel mehr als sonst die Nationalhymne gespielt und wichtige Durchsagen gemacht), um dann für den lokalen Preis von 5 Yuan mit dem Bus nach Yangshuo zu fahren.

1. - 10.10.98
Tagebuch Seite 14
Abschnitt 4/4
Yangshuo III
Halb China scheint hier zu sein.. ein Zimmer zu bekommen ist am Abend, an dem wir ankommen, unmöglich. Nur durch grosse Überredungskünste bekommen wir ein Notbett in einem bereits belegten Zimmer.

Am nächsten Tag haben wir das gleiche Problem. Am dritten Tag ist die Situation so prekär, dass nur noch eine Matratze auf dem Dach eines Hauses als Variante angeboten wird. Dies machen wir dann auch und es stellt sich als eine wunderschöne Möglichkeit heraus: Fast Vollmond und angenehme Temperaturen inmitten dieser speziellen Hügel und weit weg über dem normalen Lärm trinkender Horden die Nacht hindurch. Der Tag degeneriert zu einem für uns sehr angenehmen Zyklus: Schlafen, Essen, Lesen, Essen, mit anderen Reisenden Reden, Essen und wiederum Schlafen.

Am 8. telefonieren wir nach Nanning, ob unser Visa bereits schon fertig ist - ja, ist es. Mit dem Zug fahren wir am 10. von Guilin wieder nach Nanning.