10. - 14.9.98
Tagebuch Seite 12
Hong Kong - "Warning: Taifun Signal 1 is Hoisted!"
Auf der anderen Seite des Flusses, geschützt durch hohen Stacheldraht und einer Art "Todeszone" mit Wachtürmen - erinnert irgendwie an die Österreichisch-Tschechische Grenze vor einigen Jahren - liegt Hong Kong. Wie eine Warnung liegt die nicht mehr benutzte Leuchttafel, die die Rückkehr von Hong Kong zum "Mutterland" proklamiert auf der chinesischen Seite. Hier auf der Hong Kong-Seite ist alles auf einmal spürbar organisierter und vor allem ist alles erst mal in Englisch und dann erst in Chinesisch (Cantonesisch) angeschrieben und das Englisch ist nicht "Chinglish", sondern echtes, verständliches Englisch. Die Immigration ist denkbar einfach: Arrival-Card ausfüllen und Stempel in den Pass bekommen. Es ist sogar heute noch so, dass Chantal mit ihrem Schweizerpass nur 3 Monate Aufenthalt bekommt und ich mit meinem englischen Pass das doppelte. Chantal brauchte doppelt so lange, um durch die Immigration zu kommen, da die Englischen Pässe per Maschine gelesen werden und die Datenbank meine Daten bereits enthält.

Der erste Schock kommt bei der Bezahlung unseres Zugtickets nach Kowloon Tong: 66 HK$! (HK$=Yuan*1.7) Whoa! Spass macht es aber trotzdem mal, mit einem richtigen Suburbanen Zug zu fahren, mit Aircon und Ansagen in Englisch. Sogar das in England übliche "Mind the Gap" fehlt nicht. Nach 20 Minuten wechseln wir das Transportmittel und gehen in die Tiefe, zur MTR (Mass Transit Railway). Für 9 HK$ werden wir dann bis vor die Haustüre der Mirador Manisons (Jedermann bleibt in den Chongking Manisons - also wir in dem Falle nicht!) in der Umgebung von Tsim Sha Tsui. Auf dem 13. Stock haben wir ein gutes Guesthouse empfohlen bekommen, das wir mal ansehen wollen. Der nächste Schock kommt mit den Zimmerpreisen: 200-250 HK$ ist der Durchschnitt, für ein Zimmer mit der Gundfläche von 5m²+kombinierte WC/Dusche auf 1.5 m² (Muss man gesehen haben, was man auf solch kleinem Raum alles anstellen kann!). Was uns aber gefällt, ist die Tatsache, dass das Merryland Guesthouse Doppelbetten anbietet! In China ist es nicht üblich, eine grosse Matratze zu haben, sondern zwei einzelne Betten. (Nur die sogenannte "Honeymoon"-Zimmer haben solche Betten und diese kommen seltener vor, als Pagoden in der CH)

Wir haben also seit gut drei Monaten kein gemeinsames Bett mehr gehabt und freuen uns schon darauf! Leider ist das Guesthouse (7 Zimmer) heute voll und wir müssen wieder mit zwei einzelnen Betten in einem anderen Guesthouse auf dem 8. Stock Vorlieb nehmen. Gleich nach dem Einziehen ins Zimmer für heute Nacht gehen wir dann an das Pier hinunter und bestaunen die eindrückliche Szenerie von Hong Kong Island: Tausende Leuchtreklamen jeder grösseren Firma der Welt und als spezielles Highlight ein 70-Stöckiges Hochhaus, dass im Zyklus des Regenbogens seine Farbe langsam ändert! Wir sind irgendwie stolz auf uns, es auf dem Landweg bis hierher geschafft zu haben. Nach einem ausgedehnten Spaziergang dem Pier entlang gehen wir wieder ins Zimmer zurück, geben unsere Pässe mit einem zusätzlichen Foto der Merryland-Besitzerin (Ein sehr nützlicher Service, der einem viel Zeit erspart), damit sie für uns ein neues China-Visum besorgt und telefonieren mit Edward (Kunming), um mit ihm was für Morgen auszumachen. 10.30 MTR-Tsim Sha Tshui. Gut: wir stillen unseren Hunger in einem MCD - schon lange nicht mehr gehabt - und gehen recht bald schlafen.

Am nächsten Morgen treffen wir uns mit Edward, drahtig wie immer und einem Lächeln von einem Ohr zum anderen, zum ausgemachten Zeitpunkt am ausgemachten Ort. Wir fahren mit der MTR auf die andere Seite der Bay, auf die HK Island und werden von Ihm in ein recht schickes, lokales Restaurant geführt, in welchem, gemäss ihm Hong Kong's bester "Dim Sum"-Brunch zu bekommen ist. Dim Sum sind kleine Häppchen, welche aus Fisch, Teig oder Fleisch bestehen, die aus einem Wagen, mit Babus-Dampf-Dingern, welche das Essen warm halten, kommen. Am besten geschmeckt hat uns das "Ba" - eine Teigtasche aus luftigem Brotähnlichem Teig mit Fleisch in der Mitte eingelagert in einer Art Sauce - Mhh! Während des Essens beantwortet Edward uns eine der Fragen, die uns sonst niemand so richtig beantworten konnte: Warum gibt es in Hong Kong soviele verschiedene Noten der gleichen Denomination? Einfache Antwort: In Hong Kong sind zur Zeit drei Banken berechtigt, Noten auszugeben. Keine der Noten sind irgendwie alt oder nicht mehr gültig, es gibt hier einfach kein Monopol auf die Herstellung und Ausgabe von Geld. Nach dem Essen, auf dessen Bezahlung er bestand ("Es kommen selten genug Leute aus der Schweiz mich besuchen - und wenn sie kommen, sollen sie auch meine Gäste sein!") gehen wir in einen noch kleineren Ort einen Kaffee trinken.

Er schlägt uns vor, seine Frau bei der Arbeit besuchen zu gehen - sie würde sich sicher freuen, meint er (wir auch), und es sei nur einen Steinwurf weit weg - nur zu! Unser Ziel ist eines, welches sicherlich von nur den wenigsten Besuchern in Hong Kong gesehen wird: Die Herz-Lungen-Spezialklinik auf Hong Kong Island. Edwards Frau Cathrin arbeitet dort als Schwester und sinnigerweise hatten sich die zwei dort auch kennengelernt: Edward, der Patient und Cathrin, eine junge Krankenschwester in Ausbildung. Nach einem kleinen Schwatz und einer kleinen Führung geht's dann wieder in die Stadt und Edward zeigt uns noch einige interessante Sehenswürdigkeiten (und unter anderem einige Computer-Supermarkets, die wir morgen mit einem Mexikanischen Paar besuchen werden, die nach dem Anblick unserer kleinen Maschine unbedingt auch so ein Ding brauchen...). Bald einmal ist unsere Zeit mit Edward vorüber - er arbeitet im Shangri-La, einem der besten Hotels in Asien als Manager und muss um 16.30 zu seiner Abend-Schicht einrücken. Er bringt uns noch zum Peer, damit wir mit der Fähre (wesentlich günstiger als die MTR) wieder nach Kowloon zurückkommen.

Am Abend gehen wir noch ein bisschen in der Stadt herum, wehren all die zahllosen Angebote von Indern ab, uns neue Anzüge zu fertigen und genauso alle Angebote garantiert "Echter"-Rolex-es. Hong Kong hat an und für sich nicht besonders viele "Sehenswürdigkeiten" - es ist die Stadt selber, die die Sehenswürdigkeit ist: Weil Platz Mangelware ist, hat sich auf engstem Raum ein unglaublicher Mix von Kulturen, Menschen und Firmen angesammelt. Manchmal kann man vor lauter Werbungen, die über der Strasse hängen, den Himmel kaum sehen. Wir gehen heute Abend mal ins "Spaghetti-House", um richtige Pasta (ich weiss nicht, ob man das so sagen kann, denn die "Pasta" kam ja ursprünglich durch Marco Polo von China nach Italien) zu essen - und das Spaghettihouse hält, was es verspricht. (Leider können wir uns den Wein einfach nicht leisten - 50 Fr. aufwärts für 0.5 l offenen italienischen 0815 Chianti).

Wieder zurück im Guesthouse ist bereits nach einem Tag unser neues China-Visum fertig - guter Service. Am nächsten Morgen treffen wir uns mit den Mexikanern, die wir in Yangshuo kennengelernt hatten und trinken erst mal einen Kaffee um wachzuwerden. Dann, bei einem der Billig-China-Stalls in den Chonking Manisons essen wir unseren Brunch, um gestärkt in die Computermarkets zu tauchen. Das Angebot ist umwerfend. Viele Produkte sind hier seit langem erhältlich (sprich: veraltete Sonderangebotsware) sind in Europa noch gar nicht erhältlich. Wer aber nach Schnäppchen sucht, ist hier am falschen Ort - der soll lieber nach Tokyo fliegen. Wer aber nach der neuesten Ware sucht, und bereit ist, den entsprechenden Preis dafür zu zahlen, ist hier goldrichtig. Wir finden nur noch die neuesten Modelle der HPC's und diese Kosten halt schon noch 500 us$ - ein bisschen viel für unsere Mexikaner. Aber nur der Anblick dieser Mega-Shops, die eher an eine Messe bei uns als einen Shop erinnern, ist es schon mal wert.

Zwischendurch versuchen wir einen Ort zu finden, wo man *echten* Kaffee trinken kann. Es scheint eine sehr schwierige Sache zu sein. Schliesslich und endlich finden wir ein Hotel (Imperial), welches echten Colombo-Kaffee für 44 HK$ die Tasse anbietet - Wenn man wirklich desperat ist, mag sich das noch lohnen, aber sonst sollte man wirklich für den Moment mit dem Standard - löslichen Nescafé - vorlieb nehmen. Wir gehen zurück auf die Kowloon-Seite und trennen uns bis zum Abend, wo wir dann gemeinsam Shoppen (Seide etc. - wir Window-Shopping / sie echtes Shopping) gehen. Wir gehen uns ernähren - im MCD, das Günstigste weit und breit (sogar günstiger als China-food), und gehen noch ein bisschen spazieren.

Heute wurde im übrigen das Taifun-Signal No. 1 gesetzt. Das bedeutet, dass ein Taifun im Anmarsch ist, und die Bevölkerung im Fernsehen oder am Radio nach Anweisungen der Behörden handeln soll. Es hat heute erst leicht angefangen zu regnen, was uns aber nicht stört - der Regen ist warm und immer noch besser als 31° mit 94% Luftfeuchtigkeit ohne Regen. Was uns aber ein wenig unsicher macht, ist dass ohne weitere Vorwarnung die Schiffahrt eingestellt werden kann, nach eigenem Gutdünken der Reederei. Vielleicht kommen wir am Montag gar nicht von Hong Kong weg, weil keine Schiffe mehr fahren! Das Shoppen am Abend ist eher eine müssige Sache - wenn man nur zusehen kann, macht es auf Dauer keinen Spass. Später im Guesthouse treffen wir wieder auf die Franzosen vom Grenzübergang und reden mit ihnen bis spät in die Nacht hinein. Nächster Morgen - Mail austauschen und Keneth Starr-Report vom Internet auf den Cassiopaia laden. Das Surfen hier macht richtig spass, weil lokale Gespräche gratis sind, und somit auch längere Informationssuche möglich wird. Am Nachmittag versuchen wir herauszufinden, ob die Fährschiffe nach Macau noch fahren und wenn ja, wann. Antwort: Sie fahren, immer um xx:20. Gut, wir packen mal wieder unsere Habseligkeiten in den Rucksack und schlafen heute mal wieder früh, denn morgen wollen wir beizeiten in Macau sein.

9.00 - uäääh, so früh - aber wir sind wach. Wir schultern unsere Backpacks und gehen zum neuen Pier, den man auf Kowloon eingerichtet hat. Wir erreichen nach 10 min Fussmarsch ein Hochhaus, auf welchem die Lettern stehen, die wir suchen (New China City), aber sehen kein Pier. Erst nach einigem hin und herlaufen, entdecken wir, dass der Pier in die unteren Geschosse des Hochhauses eingelassen(!!) ist, und wir nur hineingehen müssen. Das ganze Interieur ist wiederum flughafenmässig aufgebaut - mit Gates, check-in Zeiten und Boarding-Zeiten. Wir gehen durch die Immigration und verlassen auf dem hinteren Teil des Gebäudes in einem Art Fingerdock Hong Kong, um auf unserer Fähre Platz zu nehmen. Die Fähre innen sieht eher wie ein Flugzeug aus - Videoscreens zeigen das korrekte Anlegen der Rettungswesten, in der Mitte gibt's eine kleine Minibar für die Getränke und Chips und die Sitze haben einen Gurt (Für was in aller Welt brauchen wir eine Gurte?) Pünktlich auf die Minute geht's dann los, und wir vermuten schon, dass dies kein normales Boot ist, weil mit der Geschwindigkeit, mit der wir hier über's Wasser flitzen geht kein normales Boot. Durch die starken Winde ist das Meer sehr Rauh, und das Boot hebt nicht wenige Male aus einer Welle ab, um krachend auf der nächsten zu landen. Alles in allem eine sehr interessante Erfahrung. Nach 1.40h kommen wir dann in Macau Jet-Foil Pier an.