30.8. - 4.9.98
Tagebuch Seite 9
Yangshuo - Teures Getaway
Zitat Lonely Planet: "With it's Western-style cafes, Hollywood movies, Bob Marley tunes and Banana pancakes, Yangshuo may not seem like the 'real China'. But who cares?" (Wir!) Am Morgen gehen wir zum Busbahnhof und legen uns im Kopf zurecht, wieviel eine solche Fahrt maximal kosten sollte (1 h = 5-10 Yuan). Als wir dann ankommen, werden wir sogleich umzingelt und man will von uns den Preis von 20 Yuan. Wir können den Busfahrer dann doch noch überzeugen, dass wir 10 Yuan Rabatt brauchen, und als dieser diesen Konditionen zusagt, steigen wir ein. Für die Backpacks benötigt er noch 5 Yuan pro Stück, wir handeln auf die Hälfte. Dies erscheint uns immer noch als ein schlechter Deal, aber es ist ein massiv guter Deal gegenüber dem, was die anderen (nichtsahnenden und nicht ganz so erfahrenen) Travellers im Bus bezahlt hatten (das Doppelte). Sie werden zurecht sehr sauer und das geht soweit, dass der Geldmann des Busses während der Fahrt aussteigt, um weiterem Ärger aus dem Weg zu gehen...

Yangshuo ist so stark durch Lonley Planet beworben, dass wahrscheinlich jeder Traveller in China hier herkommt. Das manifestiert sich auch in der Tatsache, dass, als wir ankommen, mindestens 15 Hotel- und Hostelvertreter am Bus stehen und uns fast mit Gewalt in ihr Etablissement schleppen wollen. Wieder nach der Methode (ruhigster und unagressivster) folgen wir Andy, der eigentlich kein Hotelyogi ist, sondern Touren mit dem Velo verkauft. Wir sagten ihm, dass wir ein ruhiges und nicht an der Strasse gelegenes Hotel suchen, das nicht zu teuer ist. Das Sihai Hotel an der "Laowei Lu" (Ausländerstrasse - kein Scherz!) ist genau im Zentrum und nach einigem Handeln genauso teuer wie in Dali.

Es ist tatsächlich so, wie der Lonely Planet es beschrieben hat: Ein Café mit Westfood nach dem anderen - jeden Abend Filme ab raubkopierten VCD's (Deep Impact, Saving Private Ryan, Lethal Weapon 4 etc.) und so gut wie keine Chinesen - perfektes China, oder? Man kann nirgendwo sitzen, ohne dauernd wegen einer Tour angesprochen zu werden, oder irgendwelchen Fusel verkauft zu bekommen - schrecklich.

Wir entfliehen diesem Wahnsinn, indem wir spazieren gehen und uns die - zugegebenermassen unglaublich schönen - Umgebung ansehen. Der Li-Fluss geht genau am Dorf vorbei und wir haben schon etliche Angebote für Fahrten mit dem Boot (105 Yuan/Kopf) bekommen. Die Schiffe fahren aber mit unglaublichem Tempo durch die Gegend, und die Fahrt dauert ca. 2 1/2 Stunden - und weil es hier keine chinesischen Touristen gibt, ist man schön unter sich -> Nicht so unserem Fall. Als wir so dastehen, spricht uns der Englischlehrer der lokalen Grundschule an. Wir reden so dahin, bis wir uns über die unglaublich überhöhten Preise und den Touristenrummel beklagen, und ihm sagen, dass wir zwar schon gerne auf den Fluss gehen würden, aber eher bedächtig und nicht so teuer. Er hat die Lösung parat: Sein Onkel ist Fischer und würde, wenn wir ihn fragen, uns bestimmt, obwohl verboten, für einiges weniger (80 Yuan oder so für beide) einen kompletten Tag lang zum Fischen auf den Fluss auf einem Bambusboot mitnehmen. Gut sagen wir, wir schauen uns das mal an.

Übermorgen, gleicher Ort um 8.30 treffen wir uns hier wieder, denn morgen ist Waschtag und entspannen angesagt. Die Preise für das Essen sind auch ziemlich gepfeffert - es ist fast so teuer wie in Guilin ohne Handeln - nur dass hier die Preise klar angeschrieben sind, und auf Handeln nicht eingegangen wird. Unser Enspannungstag ist ein wunderschöner:35°, Sonne und 80% Feuchtigkeit. Wir lassen es uns in den Cafés gutgehen und waschen zwischendurch die Kleider. Abends treffen wir unverhoffterweise auf Carina, die wir seit Leshan nicht mehr gesehen haben. Dies führt dazu, dass wir erst sehr spät ins Bett kommen.

An nächsten Morgen gehen wir zum vereinbarten Zeitpunkt zum vereinbarten Ort und treffen den Lehrer wieder. Danach geht's mit einem kleinen Floss etwas den Fluss hinunter und drüber - zum Fischerdorf. Wir kommen in die Familie und lernen alle kennen. Wie üblich wird mir eine Zigarette angeboten - diesmal eine Selbstgedrehte, mit einem sehr eigenartig riechenden Tabak. Dieser erweist sich als so stark, dass ich kaum mehr als halbe Lungenzüge davon nehmen kann, ohne dass mir schlecht wird. Zigaretten anzubieten ist eine Höflichkeit, und dient dazu mit der betreffenden Person in ein Gespräch einzusteigen oder z.B. Preise zu verhandeln. Uns wird auch Tee und Essen angeboten, wir hatten aber eben gefrühstrückt. Nach einer kurzen Zeit geht's dann zum Fluss und dort sehen wir zum ersten Mal unser "Boot": 4 Bambus-Stämme zusammengebunden mit einem grossen Korb in der Mitte. Für uns werden noch zwei kleine Hocker auf die Stämme gelegt. Als wir dann auf das Boot aufsteigen, sieht der alte Mann, dass nur diese 4 Stämme uns nicht tragen werden und bindet sogleich noch einen 5. Stamm ans Boot. Danach wird noch der Kormoran aufs Boot gebracht und festgebunden - es kann losgehen!

Leise und bedächtig gleiten wir auf dem Wasser entlang und es wird manchmal, wo das Wasser schneller wird, sogar noch spannend. Der alte Mann, wahrscheinlich sein ganzes Leben nichts anderes machend, führt das Boot gekonnt um alle Gefahren herum. Auf dem Fluss sehen wir andere Fischer, die den ganzen Tag ihren Kormoran fischen lassen, oder Wasserbüffel, die sich im Wasser abkühlen. Alles in allem mit der unglaublichen Landschaft sind wir nachhaltig beeindruckt. Was uns dann wieder sehr komisch vorkommt, ist die Tatsache, dass die anderen Westi's, obwohl gleich einige Meter weiter ein perfekt authentischer chinesischer Fischer in perfekter Umgebung seiner Arbeit nachgeht, diese Touris *uns* fotografieren! Schräge Welt, wirklich. Unser alter Mann zeigt uns, als wir irgendwo auf dem Fluss halten, wie man mit einem Kormoran fischt. Dem Vogel wird ein Gummiband um den Hals gezogen, das ihm zwar ermöglicht, zu atmen und winzige Fische, aber nicht die grösseren Fische zu schlucken - er wird vom Boot weggesandt und mittels einiger Zeichen dazu aufgefordert, mit dem Tauchen anzufangen. Dies tut er auch. Es ist ein sehr komischer Anblick, einen Vogel zu sehen, der tief luft holt, um dann minutenlang unter Wasser zu bleiben und nach Fischen zu suchen. Er taucht auf, mit einem Fisch im Schnabel, um ihn zu schlucken. Gleich darauf geht er schon wieder zurück in die Tiefen. Dies kann ein solcher Vogel den ganzen Tag lang machen, erklärt uns unser alter Mann. Der Vogel, an dessen Bein einer kleine Schlinge festgebunden ist, wird mittels eines Stockes mit einem Hacken wieder an Bord gebracht und dort (sieht recht brutal aus) an den Füssen hochgehalten und mit der Hand am Hals wird der gefangene Fisch wieder aus dem Hals hervorgezaubert!

Wir gehen hernach noch ein wenig baden und kehren dann, dem Fluss entlangstachelnd wieder Richtung Yangshuo zurück. Da wir beim Stacheln mithalfen, spürten wir unsere Arme am Abend sehr gut. Auch die Sonne tat ihr eigenes dazu - wir sind, dank grosszügig aufgetragener Sonnencrème braun und nicht rot geworden. Gegen Abend werden wir von Andy überzeugt, doch noch eine Tour mit ihm zu machen - wir haben einen guten Preis verhandeln können. Den Rest des Abends verbingen wir mit einem tschechischen Paar und feiern Geburtstag - mit einer exorbitant teuren Flasche Wein. (Wäre nicht "Wein" auf der Flasche gestanden, wir hätten es nicht gewusst. Schade ums Geld, aber es war eher die Geste die gezählt hat). Der Abend als solches war aber richtig schön und wir gingen erst in den frühen Morgenstunden ins Bett.

Am nächsten Morgen holt uns Andy direkt vom Frühstück ab. Fahrräder sind nicht im Tourpreis enthalten - nicht so schlimm, sie kosten eh' nur 5 Yuan. Auf erstaunlicherweise genügend grossen Fahrrädern geht's dann auf Feldstrassen an Reisfeldern und Entenkolonien tief ins Hinterland hinein. Andy gibt sich grosse Mühe - er erklärt uns, soweit möglich, alles was man über die verschiedenen Gebäude und das Leben hier auf dem Lande wissen muss. Ein kleiner Höhepunkt ist der Besuch bei seinen Eltern. Sie leben ca. 10 KM ausserhalb von Yangshuo und haben eine kleine Farm mit Schweinen und Enten. Das Haus ist sehr einfach gehalten: 1 Stube mit vier Zimmern, die von der Stube aus erreichbar sind. Das Haus hat erst seit ein paar Jahren überhaupt Stromversorgung. Das Wasser wird immer noch von Hand mit der Pumpe im Hinterhof geschöpft. Das Tempo ist, wegen der grossen Hitze ein wenig langsam, und wir sind froh, unsere Hüte nicht vergessen zu haben! Weiter durch's Hinterland zeigt uns Andy ein Bambus-Wasserrad, welches, ohne weitere Energie Wasser für die Reisfelder pumpt. Geniale Konstruktion und Konzept - muss man gesehen haben, wenn es auch nur wegen der Idylle ist, die dieses Rad in der Landschaft erzeugt!

Keine 10 km weiter kommt dann die Hauptattraktion der ganzen Tour: Der "Moon Hill". Vor langer Zeit haben hier Wasser weiche Gesteine in einem Berg herausgewaschen, um einen Berg aus "Lime-Stone" mit einem herausgewaschenen Halbkreis zu formen. Von unten sieht das ganze schon spektakulär aus, aber wenn man sich die Mühe macht, die endlosen Stufen hinaufzusteigen (1 1/2 Liter Wasser mussten im Verlaufe der Besteigung dran glauben), wird man mit einer der schönsten Aussichten direkt durch den Berg hindurch belohnt. Wenn man sich dann von den Frauen, die oben vom Goldring über die Postkarte bis zum Wasser einem alles verkaufen wollen, nicht stören lässt, ist das Ganze zudem noch eine sehr friedliche und ausgleichende Sache. Es ist im übrigen bei diesen Anblicken nicht schwer verständlich, warum ein grosser Teil der chinesischen Kunst und Kultur sich in Bildern, Märchen und Erzählungen aus dieser Gegend zusammensetzt! Man muss das einfach mal gesehen haben.

Wieder am Fusse des Berges verrät uns Andy sein kleines Geheimnis: Wir werden bei der Familie zu Mittag essen, dessen Tochter er beabsichtigt zu heiraten. (Einziges Problem: Weder sie noch die Familie weiss davon, weil die Tochter noch zu jung ist und in China der Mann nicht unerhebliche Finanzen aufbringen muss, um zu heiraten. Er wolle aber diesen Winter, wenn das Tour-Business ruht, sie mal zum Karaoke einladen...). Nach einer sehr kurzen Fahrt kommen wir bei dem Haus an und sehen die Zukünftige - moll, moll, er hat sich eine wirklich Hübsche ausgesucht! Nach dem guten Essen geht's dann weiter Richtung Fluss in dem wir noch baden gehen - an diesem Tag eine ausgezeichnete Idee - es ist noch heisser und feuchter als gestern! Wie dieser Ort ausgesehen hat ist nicht beschreibbar - ich hoffe nur, dass wir mal ein Foto von dem Ort hier haben werden! Noch einige km und schon sind wir wieder in Yangshuo.

Wir werden im Hotel immer von "Bob, your Uncle" zum Kauf irgendwelcher Tickets gedrängt - es lohnt sich nicht bei ihm zu kaufen, die Konkurrenz (in unserem Falle Andy) ist schneller und günstiger (er wird uns die Tickets weiter nach Guangzhou besorgen - ganze 10 Yuan günstiger als Bob "this is my last offer!"). Auf jeden Fall entschliessen wir uns, übermorgen Yangshuo zu verlassen, um nach Xing Ping - einem noch kleineren Dörfchen entlang dem Flusses - zu gehen. Gemäss einem (zufälligerweise) Schweizer, den wir in Lijang getroffen hatten, gibt es dort ein wunderschönes kleines Hotel direkt am Fluss, welches Foreigners annimmt und so klein ist, dass kaum Touristen dorthinkommen. - Genau was wir brauchen! Morgen machen wir ausser ein bisschen spazieren mal zur Abwechslung nichts - genau, nichts!

Am Tage unserer Abfahrt nach Xing Ping gehen wir zum Busbahnhof und fragen nach dem Bus nach Xing Ping - einfach, er stehe dort drüben. Gut denken wir, und weil wir von Andy den chinesischen Preis kennen, wissen wir, dass die Fahrt nicht mehr als 5 Yuan pro Kopf kosten darf. Ha! Der Busfahrer (weil wir Langnasen sind) will unglaubliche 20 Yuan + 5 Yuan pro Gepäckstück und will auf kein Handeln eingehen. In einem solchen Fall wenden wir unsere schon fast patentierte Lösung "Plan B" an: "OK, Du willst uns zum chinesischen Preis X nicht mitnehmen, das ist OK mit uns...Ciao"... und gehen irgendwo in Sichtweite des Busses warten. Wenn dann die Zeit für die Abfahrt gekommen ist, lohnt es sich für den Busfahrer doch noch, uns trotz chinesischem Preis mitzunehmen - manchmal muss man dann schnell einsteigen, weil obwohl für den Busfahrer genügend Marge auch im Chinesischen Preis eingerechnet ist, sind die Leute leicht frustriert und gereizt, dass ein Laowei den Spiess mal umkehrt. Auf jeden Fall klappt diese Taktik auch dieses Mal und wir sitzen keine 15 Minuten später im Bus nach Xing Ping - für die 5 Yuan, die die Reise eigentlich kosten sollte.