25. - 28.8.98
Tagebuch Seite 9
Abschnitt 1/2
Kunming - die gigantische Baustelle
Jetzt kommt es uns wieder wie das China vor, das wir bereits kennen. Unser Bus nach Kunming hätte eigentlich um 7.00 abfahen sollen, aber macht erst um 8.15 das, was er eigentlich tun sollte - nämlich fahren. Die Fahrt selber ist eher unspektakulär, abgesehen vom platten Reifen und der ersten "Autobahn", die nach dem aussieht, was wir uns gewöhnt sind. Dies hielt den Bus aber nicht davon ab, mitten auf der Stecke anzuhalten, um neue Passagiere aufzuladen - für Chinesen sind Autobahnen nichts anderes als bessere, grössere Strassen, also auch hier können kleine Stände am Strassenrand aufgebaut werden und Busse angehalten werden...

Mit 2 Stunden Verspätung lädt uns dann der Bus mitten im Nichts eines Industriegebietes ab. Wir müssen also zur nächstgrösseren Strasse gelangen, um irgendwas fahrbares dazu zu bringen, uns in die Stadt zu bringen. Wir haben Glück, und bald finden wir ein Taxi, das uns direkt zum Hotel bringt. Kunming ist eine sehr grosse Stadt, mit allem, was zu einer chinesischen Stadt dazugehört: Hässliche Mega-Bauten, ewigem Verkehrsinfarkt und heruntergekommenem alten Teil. Die Preise sind auch gesalzen: wir zahlen hier im Dormitory wesentlich mehr pro Bett, als wir in Dali für das ganze Zimmer gezahlt haben. Zumindest haben wir das günstigste Hotel der Stadt gewählt und es ist unglaublicherweise ziemlich zentral gelegen. In der Lobby gibt es sogar einen Reiseservice, den wir um Tickets nach Guilin anfragen: Morgen nach Guilin - Hahaha! Wir können für Sie nichts besseres als Hard Seat für morgen besorgen (33h uäää!). Nein, das wollen wir sicher nicht nochmal durchmachen. Hard Sleeper gibt's erst für übermorgen und sie verlagen eine solch hohe "Service Charge", dass wir uns entschliessen, selbst am Bahnhof uns um unsere Tickets zu kümmern.

Am gleichen Abend gehen wir zum Bahnhof um zu sehen, ob wir Tickets bekommen können. Als wir die Ticket-Halle betreten sieht es aus, wie an einem Rockkonzert-Ticket-Outlet: x 1000 Menschen stehen an und drängeln. Wir schütteln nur unsere Köpfe, und versuchen herauszufinden, wo und ob ein Ticketschalter für Foreigners vorhanden ist. Leider können wir nichts solches finden und entschliessen uns morgen früh wiederzukommen. (Vielleicht weniger Leute um 8.00) Den Dorm haben wir heute Abend für uns alleine und wir hoffen, dass das auch so bleiben wird.

Am nächsten Morgen um 6.45 werden wir jäh aus den Federn gejagt; der Hotelangestellte schaltet die Leuchtstoffröhren im Zimmer an und lässt einen weiteren Gast ins Zimmer herein. Wir, die eigentlich sowieso früh aufstehen wollten, fangen an, mit dem Neuankömmling zu sprechen - Edward aus Hong Kong, ein sehr netter Mensch, den wir im Laufe unseres Aufenthaltes in Kunming richtig gut kennenlernen konnten. Irgendwann läutet dann auch noch der Wecker, den wir gestellt hatten. Auf geht's zum Bahnhof! Als wir dann wieder die Halle betreten, werden unsere schlimmsten Befürchtungen wahr: Die wartende Menge ist noch grösser als die von gestern Abend! Zum Glück erblicken wir verschiedene Foreigners, die schon recht weit in einer Schlange drinnenstehen und fragen sie, ob sie nicht auch unsere Tickets kaufen könnten - natürlich, kein Problem, sie stünden schon seit über einer Stunde da. Schliesslich und endlich kommen wir nach noch einer halben Stunde zu unseren Tickets - für übermorgen. Unsere Service Charge sei ein Bier auf dem Zug - kein Problem (bei 60 Rp. für 0.6 l).

Nach diesem Hin und Her gehen wir Frühstücken und hernach die Stadt etwas auskundschaften. Kunming bereitet sich auf eine Expo im Mai 99 vor. Viele der Lokale, die in unserem Führer erwähnt sind gibt es gar nicht mehr. Ganze Strassen wurden abgerissen und moderne Wolkenkratzer werden zur Zeit in 24h-Schichten hochgezogen. Man muss sich nur diese Geschwindigkeit vorstellen mit der gebaut wird, wenn Ende August 98 noch nicht mehr als ein eingezäunter Flecken Erde von einem im Mai 99 fertiggestellten 50-Stöckigen Hochhaus zu sehen ist. Ansonsten ist Kunming für einen westlichen Touristen eher uninteressant. Fast keine Pagoden oder sonstige interessanten alten Gebäude sind mehr zu sehen und alle Touristenattraktionen ausserhalb der Stadt sind nur im Tourbus zu erreichen und auf die Bedürfnisse chinesischer Touristen ausgerichtet. Die Stadt, wären da nicht die chinesischen Lettern überall, könnte irgendwo auf der Welt sein - die Preise genauso.

Am Abend gehen wir mit Edward und einem Italiener gut essen und schlafen dann gelegentlich ein. An nächsten Tag erkundeten wir mit dem Fahrrad die Stadt und Umgebung. Mit alten, schweren chinesischen Eingängern machen wir uns auf den Weg. Nach einiger Zeit sind wir wirklich weit weg von der Stadt und verfahren uns durch einige Dörfer, die sicher seit geraumer Zeit keine Westler gesehen haben. Es ist immer wieder komisch, wenn Menschen sich ansammeln, wenn man gesehen wird, tuscheln und mit dem Finger auf einen Zeigen und das ewig präsente "Hullau" rufen. Irgendwann schaffen wir es doch noch an den See, der im Süden von Kunming liegt und spannen dort dann ein wenig aus. Auf dem Weg zurück kommen wir dann in den "Stossverkehr" mit 10000den Velos auf der Strasse und keinen ersichlichen Verkehrsregeln. Abends, hungrig von einem ganzen Tag auf dem Fahrrad, gehen wir - mit den Übersetzungskünsten von Edward - in einem richtig lokalen Restaurant für fast kein Geld uns den Bauch vollschlagen. Abends setzen wir uns noch in die Lobby und trinken einen richtigen Kaffee, das Beste auf einen vollen Magen.

Am nächsten Morgen machen wir unsere Rucksäcke bereit und marschieren Richtung Bahnhof, um den Zug Richtung Guilin zu erwischen. Der Waggon, den wir bekommen haben, scheint einer der neueren Generation zu sein - Aircon inkl.. Es ist auch das erste Mal, dass wir andere Foreigners im Waggon haben. Gegen Abend wollen wir unser Versprechen betreffend dem Bier halten, und gesellen uns zu den anderen 5, die schon mit anderen Bieren angefangen haben. Obwohl uns ja der Wein mehr zusagt, ist Bier das einzige, was in China einigermassen trinkbar ist - und wir haben uns zwangsweise etwas an den Konsum gewöhnt (wer uns einen wirklich grossen Gefallen tun will, der sende uns eine Flasche Wein!). Irgendwann um 10.30 wurden dann die Lichter ausgeschaltet, als unsere kleine Party voll am laufen war. Wir liessen uns aber durch das in keinster Weise stören - es mag zwar kindisch klingen, aber es machte uns allen 7 mal Spass den Chinesen das ewige Lärmen, Trampeln, Schreien und Bettenverschieben zu jeder Nachtzeit und den Raub so mancher Schlafstunde hier und jetzt mal heimzuzahlen. Irgendwann, spät - sehr spät löste sich die ganze Gesellschaft auf und wir gingen schlafen.

Die chinesische Rache für unsere Taten am Vortag kam Punkt 6.30 am Morgen, als im Waggon die Lichter angingen und die chinesische Nationalhymne gespielt wurde, gefolgt von dem ewigen quaken über wie das Volk gemeinsam die Ziele der Partei erreichen soll etc. Ha - no good deed goes unpunished! Irgendwann - so um 9 Uhr ging unser Lautsprecher aus, und ich dachte so für mich: Ahhh, um nur 5 Minuten später wieder in vollen Geplärr wieder von vorne anzufangen. Die Abstände wurden immer kürzer und am Schluss klang es so, als hätte der Lautsprecher Wackelkontakt, bis ich mal in den Gang sah und einen kleinen Knaben beobachtete, der mit einem kleinen, sehr versteckten SCHALTER(!!!) spielte. In den neuen Wagen kann man dieses Geplärre doch tatsächlich abschalten! Ich und meine ganze Authorität als Laowei ging zum Buben und machte ihm unmissverständlich klar, dass dieser Schalter nicht mehr zu berühren sei und er so (ausgeschaltet) bleiben soll - sonst...

Der Rest des Morgens war der Himmel auf Erden für uns 7 "Westler" im Wagen. Irgendwann dann hatte irgend ein Chinese wieder das Bedürfnis nach Propaganda und schaltete das Gedüdel wieder ein - aber dann störte es uns schon nicht mehr so. Nach 35 h kamen wir - recht entspannt und eine sehr wichtige Erkenntnis reicher in Guilin an.


29. - 30.8.98
Tagebuch Seite 8
Abschnitt 2/2
Guilin - Rip-Off City
Angekommen in Guilin, werden wir sofort von mehreren Busfahrern umringt, die uns nach Yangshuo, dem 2. Backpacker's Mekka, bringen wollen. Wir aber wollen noch ein bisschen in Guilin bleiben, weil so viele Leute in der CH uns gesagt hatten, wie schön es dort doch sei. Guilin hat sich aber in der letzten Jahren, wie so manch andere grössere Stadt zu einem Ort entwickelt, der für Backpackers fast nicht mehr erschwinglich ist. Zudem hat die Stadt neuerdings sehr viele neue Hochhäuser etc. Die Gegend ist die gleiche geblieben - komische Hügelchen in sonst flacher Gegend.

Am Abend gehen wir allen Verkäufern aus dem Weg und suchen ein Restaurant auf der Strasse - die günstigste Variante, um zu essen. 2 Bier, zwei fried Rice und ein paar Greenies sollen dort 40 Yuan kosten! Wir können den Preis auf die Hälfte runterdrücken - immer noch viel zu viel! Das Eis (Magnum) kostet hier anfänglich mehr als irgendwo auf der Welt. Auch im Hotel müssen wir handeln, um ein Zimmer für einen angepassten Preis zu bekommen - warum denken die Chinesen immer, unsere Portemonnaies platzten vor Geld? Ziemlich sauer gehen wir ins Hotel zurück und entschliessen uns, morgen nach Yangshuo weiterzuziehen.