10. - 14.8.98
Tagebuch Seite 24
Abschnitt 1/2
Lijang und die Tiger Leaping Gorge
Auf den 2400m, auf denen Lijang liegt, sollten wir wenigstens vor den Fluten des Jangzes sicher sein. Nach einem Tag des Ausruhens wechseln wir wieder zu einem billigeren Hotel und haben schon die schlimmsten Befürchtungen: Unser Zimmer liegt ziemlich nahe an der Hotel-eigenen Karaoke-Bar.

Als einzige Attraktion der Gegend kann Lijang mit der Tiger Leaping Gorge aufwarten, einer Schlucht, in der der junge und kleine Jangze seine erste grosse Beuge macht. Die Schlucht ist per öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar, was sie für uns Budget-Touristen erschwinglich und interessant macht. Nach Anfrage bei der öffentlichen Stelle erhalten wir folgende Auskunft: Theoretisch ist das Erreichen der Schlucht kein Problem - öffentlicher Bus bis zum ersten Erdrutsch, dann mit Hilfe von Autostop oder Bauernfahrzeugen zum nächsten Fluss, der - unverhoffterweise - die Brücke stark beschädigt hat. Dann diesen irgendwie überqueren (es soll in den letzten zwei Tagen tatsächlich Foreigners gegeben haben, die das geschafft haben) und dann wieder irgendwie per was-auch-immer zur Schlucht gelangen... klingt machbar, nicht?

Na ja, wir fühlen uns nicht danach und entschliessen uns diese Tour nicht zu machen und dafür Lijang zu erkunden. Lijang hat zwei Teile - den neuen und den alten. Der neue Teil ist nach bester absolut uninteressanter 0815-China-postkulturrevolution-Architektur gebaut und dementspechend (trotz ewig lächelndender Mao-Statue) ergreifend. Sehr erfrischend ist dafür der alte Teil - durch das Erdbeben von 1996 stark beschädigt, sind die meisten der einstöckigen Häuschen und Kopfsteinpflastersträsschen restauriert und wunderschön. Inmitten dieses Dorfes in der Stadt hat es einen Dorfplatz mit farbenprächtigem Markt und einem Café, welches *echten* Cappucino macht (eine Sache, die wir seit mehr als 2 Monaten nicht mehr gehabt hatten)!

Nach einigen Tagen des Nichtstuns und nächtlichem Raub des Schlafes durch die besagte Karaoke Bar - manchmal hätte ich ihnen gerne um 2 Uhr morgens, nach dem siebten mal der gleichen Nummer, den Stecker rausgezogen - entschliessen wir uns nach Dali weiterzuziehen.


14. - 24.8.98
Tagebuch Seite 24
Abschnitt 2/2
Dali, old town - new business
Die Busfahrt zwischen Lijang und Dali ist fast nicht der Nennung wert, weil sie ohne irgendwelche   zwischenfälle ablief und nur 5 Stunden lang war. Die Gegend an der wir vorbeigefahren sind, ist auf jeden Fall eine Erwähnung wert: Nach dem Verlassen des Lijang-Plateaus fahren (kriechen) wir mit dem Bus auf einen 3400m hohen Pass, um dann in das Nebental mit dem Erhai-See (Bodensee x 3) und der Stadt Neu-Dali als grösste Siedlung, zu gelangen. Das Plateau auf dem neu und alt-Dali sind, liegt auf 1900m. Rund herum türmen sich die Berge auf über 4500 m. Die Gegend drängt jedoch kein alpines Feeling auf.

Beim Verlassen des Busses werden wir - wie schon oft - von Hotel-Yogis umringt, die uns ihr Hotel oder Restaurant anbieten. Wir gehen mit dem ruhigsten und unagressivsten - unsere übliche Taktik, die noch nie fehlschlug - und wieder einmal zeigt sich, dass es sich gelohnt hat: Das MCA (Mekong Culture and Art)-Guesthouse überrascht uns mit Bambushütten, Swimmingpool und sehr günstigen Zimmern. Die Dormitories sind die kuriosesten, die wir je gesehen haben: Sie sind tagsüber eine Art-Gallerie und abends werden dann die Matrazen ausgelegt. Unser Doppelzimmer ist ungefähr doppelt so gross, als alles übrige, das wir je in China gehabt haben. Das wichtigste: Es ist sehr, sehr ruhig - und all das für 5 Fr./Kopf pro Nacht!

Nachdem wir unsere Sachen ausgepackt haben, ziehen wir sofort unsere Badesachen an, und gehen in einen der Liegestühle etwas Musik hören (Eine Anlage beschallt mit dezenter Musik), sonnenbaden und vor allem bestellen wir *am Pool* ein Club-Sandwich. So sollte das Leben immer sein. Nach einigen Stunden gehen wir in die Stadt. Dali-Alt, 20 km von Dali-Neu entfernt, hat noch die alten Stadttore und alte Gebäude. Hauptsächlich wird hier Business mit den Touristen gemacht. Batik, Silber, Seide und jedemenge kitschiger Krimskrams, der ohne weiteres von all den chinesischen Bustouristen gekauft wird. Wir kommen dann an die Strasse mit all den Cafés, welche alle versuchen, den China-Food-Kranken, möglichst westlichen Food zu verkaufen. Zudem organisiert jedes Café Touren, welche von Reiten, auf dem See Kormoranfischern zusehen, bis Biketouren um den See reichen. Wir interessieren uns für eine der Touren, die am nächsten Tag uns zuerst mal ein "Dragon-Boat-Race" (Rudern) und dann am Abend ein "Lantern-Festival" (Uraltes Ritual mit Fackeln) sehen lassen wird. Dann, zugegeben, auch wir sind etwas müde vom ewigen öligen China-Nudel-Reis Gemisch, essen wir mal wieder was richtig Westliches - Beafsteak mit Fritten.

Für unsere Jeans haben wir inzwischen keine wirkliche Verwendung mehr, und Chantal will einen Rock haben. Also lassen wir uns für 20 Fr. nach Mass zwei lange Hosen, ein Leinenhemd und einen Rock machen - morgen soll es schon fertig sein.

Am nächsten Morgen (ahh, kein Karaoke, kein Lärm hat den Schlaf gestört) machen wir uns auf den Weg zur Busstation, um nachher mit dem Boot über den See zum Rennen gebracht zu werden. Auf der anderen Seite werden wir abgeladen und es wird mit uns ein Abholort und Zeit ausgemacht (15.30, bei der Pagode). Es ist 10.45 und um 12.00 soll das Rennen losgehen. Wir spazieren ein wenig den Strassen des Dorfes entlang und machen uns kurz vor 12.00 auf, einen guten Platz zu finden, um dem Rennen zuzusehen. Wir folgen einem chinesischen Paar, das zu wissen scheint, in welche Richtung es geht   - und tatsächlich, wir kommen nach einigen hundert Metern an eine Stelle, wo man den See bestens überblicken kann.

Zur gleichen Zeit beginnt es zu regnen und starker Wind setzt ein. Wir sind zwar für den Regen vorbereitet, aber der Wind senkt die Temperaturen drastisch. Das chinesische Paar stellt sich als eines aus Peking heraus, welches sogar (unglaublicherweise) einigermassen englisch spricht. Wir bekommen so in unserem Gespräch viel über den Sinn und Hintergrund des Rennens heraus. Ob dem ganzen Reden vergeht die Zeit so schnell, dass wir gar nicht merken, dass es schon 13.00 ist, und sich auf dem See noch gar nichts getan hat. Irgendwann um 13.45 machen sich dann die ersten Boote unter lautem Kracher-Lärm und Geschrei der Ruderer auf den Weg zum Start. Dann wieder, Musik ab Konserve, die von grossen Lautsprechern über den See "geblastet" wird. Der Regen ist nun richtig stark geworden und der Wind hat auch nicht nachgelassen - kalt, speziell, wenn man warten muss und sich offensichlich nichts tut. Erst um 14.15 werden die ersten Boote in Position gebracht und drehen um das Renngelände eine Runde. Das chinesische Paar hat sich inzwischen - schlecht auf das Wetter vorbereitet - mit den Worten "This is not funny - we go" verabschiedet und Chantal hat auch ungefähr die gleiche Meinung und ist schwer davon zu überzeugen, noch einige Minuten zu warten, damit wir wenigstens eines der Rennen sehen können.

Erst um 15.00 gehts dann mit dem Rennen los, und knapp nach dem ersten Rennen - interessant aber nicht sehr gut ersichtlich, weil das Rennen - wahrscheinlich den Zuschauern zuliebe - mitten auf dem See veranstaltet wurde. Auf 1 km Distanz sind halt die Boote naturgemäss etwas klein... Kurz danach müssen wir uns schon auf den Weg zurück zur Pagode machen, damit wir das Boot zurück noch knapp erwischen können.

Wieder in Dali gehen wir unsere Kleider abholen (cooles Zeug) und essen was, bevor wir schon wieder zurück zur Bushaltestelle gehen müssen, um ans "Lantern Festival" zu kommen. Das Fest wird im ganzen Tal veranstaltet, aber ein Dorf soll besonders schön sein, und wir werden dort hingebracht. Als wir ankommen, ist das Ganze bereits in vollem Gange. Die Riesenfackel, welche das Zentrum des ganzen darstellen sollte, steht, nicht einmal richtig brennend, irgendwo in einer Ecke des Dorfplatzes. Dafür gibt's für jeden eine Bambus-Fackel und jeder soll sie anzünden. Angezündet wird sie durch das Zusammenstehen verschiedener Leute und jemand mit einer brennenden Fackel kommt, um die restlichen anzuzünden. Leider gibt's auch Leute, speziell Kinder, mit einem heimtüschen Pulver. Dieses, wenn ins Feuer geworfen, ergibt sofort in einem Flammenball - wir können glücklich sein, alle unseren Haare noch zu haben, es gab mehrere die nicht so glücklich waren. Zudem wird an vielen kleinen Tischständen jede Menge Feuerwerk verkauft - speziell die zahlreich erschienenen Laoweis hatten ihre Freude daran.

Als uns das ganze Brennen und Krachen, das schon einen irrsinnigen Level erreicht hatte, zuviel wurde, sind wir den Hügel hinter dem Dorf hinaufgestiegen und haben dort in einem kleinen Dorfkern die wahrscheinlich echtere Version des Festivals gesehen: Die alten Frauen gehen, mit Reisbüscheln in der Hand, um die Grosse Fackel, während die Männer jeweils eine Fackel in der Hand halten und hie und da zusammen ein Lied singen. Diese liessen sich aber nicht gerne von Laoweis in ihrem Ritual stören, was uns wieder in das erste Dorf zurückbrachte, wo kein Vergleich mit dem III. Weltkrieg gescheut werden musste: Leute feuerten Feuerwerke aufeinander ab und Kracher wurden in die Menschenmengen geworfen.

Irgendwann hatten wir einen sicheren Hochstand entdeckt und sahen dem Treiben kopfschüttelnd zu, bis auf einmal einer der Tischläden voller Feuerwerk in Flammen aufging - jetzt spätestens hatte der III. Weltkrieg begonnen: ein unglaublicher Lärm und Feuer überall. Auf der Stelle wurde es ruhig unter den Zuschauern, und alle sahen gebannt auf die Händler, die verzweifelt versuchten, ihre Ware in Sicherheit zu bringen. Kurz darauf aber ging es mit der Kracherei wieder los. Wir waren richig froh, als wir wieder in den Bus zurück nach Dali einstiegen, um eine wohlverdiente Ruhe im Bett zu geniessen. Die folgenden Tage bis zu unserer Abfahrt verbrachten wir mit Sonnenbädern, kleinen Exkursionen rund um die Stadt, Bekanntschaften schliessen, lange und gut schlafen und gut essen.

Dali ist wirklich eine der 2 Mekkas für Backpackers in China und hat zur gleichen Zeit aber geschaft, seinen Charme beizubehalten - jederzeit als Destination zu empfehlen! Wir kaufen uns, im Gegensatz zu den meisten Reisenden, die eh' keine Zeit haben, ein Ticket für den Tagesbus, statt Sleeperbus, nach Kunming.