4. - 5.8.98
Tagebuch Seite 5
Abschnitt 1/2
Leshan & der grösste Buddah der Welt
Die Busreise gestaltet sich für unsere Verhältnisse und Erfahrungen sehr angenehm: Der Bus ist klimatisiert und bietet auch unseren "Lao Wei"-Beinen (Mensch-Fremde) genügend Platz. Wir bekommen während der Fahrt zu sehen, wie stark es in den vergangenen Wochen in verschiedenen anderen Teilen Chinas geregnet haben muss - Teilweise besteht die Strasse nur noch aus Wasser und der Bus muss immer wieder abbremsen, um im Schrittempo durch die Wassermassen zu fahren. Nach ca. 5 Stunden erreichen wir die Stadt Leshan. Wir wollen schon vom Bus steigen, als der Busfahrer uns zum Sitzenbleiben auffordert. Wir verlassen die Stadt wieder, um am anderen Ufer am Fusse des Berges, der zum Budda führt, abgeladen zu werden. Das war eigentlich nicht unsere Meinung - mit voller Bepackung diesen Trail zu machen - aber Pech, wir können leider unseren Punkt nicht durchbringen, weil sich der Busfahrer, der bis anhin erstaunliche Englischkenntnisse zu besitzen schien, plötzlich kein Wort mehr verstehen kann...

Kurz darauf erleben wir im Taxi, welches (wir sind nun wirklich nicht an einem Ort, an dem normalerweise Taxis warten) wundersamerweise genau dort gewartet hatte, wo wir ausgestiegen sind, "Lao Wei"-Rip-Off at it's best: Für 15 Yuan (später erfahren wir, dass Taxifahrten um Leshan grundsätzlich nur 5 Yuan kosten dürfen) erklärt sich der Fahrer bereit, uns zu dem von uns bestimmten Hotel zu fahren - als wir dann in der Stadt angekommen und gemäss unserer Karte in die komplett falsche Richtung zu fahren scheint, erklärt uns der Fahrer, dass er ein wesentlich besseres (teureres, und dem Fahrer Kommission zahlendes) Hotel kennt. Es kostet uns viel Überredungskünste, dass uns der Fahrer zu unserem Hotel fährt und nicht das Doppelte verlangt oder uns auf der Strasse auslädt.

Endlich angekommen, scheinen wir gemäss lokalen Leuten das Richtige gemacht zu haben. Für 8 Fr. die Nacht bekommen wir sogar ein privates Badezimmer (Luxus!). Abends gehen wir zu einem kleinen Restaurant, welches von einem pensionierten Englischlehrer geführt wird. Dort verbringen wir den ganzen Abend mit den bisher offensten Gesprächen über China und seine Geschichte. Zudem gibt uns Mr. Yang wertvolle Tips über lokale Tansportmöglichkeiten (Fährfahrten für 20 Rp. etc.) für unseren Trip zum Buddah am nächsten Tag.

Am nächsten Morgen gehen wir drei zu den von Mr. Yang angegebenen Ort und tatsächlich - wir bekommen den chinesischen Preis (normale Touristen zahlen 30x (!!!) mehr). Das Boot bringt uns am Fusse des Budda vorbei, und wir bekommen einen ersten Eindruck seiner Grösse - 91 Meter hoch - wesentlich mehr, wenn er in diesem Massstab stehen würde. Auf dem Zehennagel könnte man problemlos ein Picknick veranstalten. Leider ist diese Erfahrung auch geprägt durch die "Blitzkrieg"-Attacke dieser Site durch chinesische Gruppen-Touris. (Wir haben immer noch das bemitleidenswerte Individuum in Erinnerung, welches, wie alle anderen auch, sein Schildchen mit Tour-Operator-Name, seinem eigenen Namen und der Angabe des Busses, zu dem er gehört trug: Bus no. 16 (!) der ein und der selben Gruppe).

Der Buddah selber ist ein Besuch wert, aber nicht während der Hauptferienzeit der Chinesen. Nach 5 Stunden nehmen wir die gleiche Fähre wieder zurück in die Stadt und nach der Organisation der Tickets für den Bus am nächsten Tag, stärken wir uns wieder bei Mr. Yang, der, weil er wusste, dass wir kommen, einige seiner Schüler für eine Englischlektion eingeladen hatte. (Englisch sprechen ist einfach - Englisch lehren ist sehr, sehr schwer; Ich bezweifle, dass die Schüler etwas davon gehabt haben).

Morgen fahren wir Richtung Emeishan - zum geheiligten Berg der 10'000 Buddahs - wollten wir eigentlich nicht hin, ist aber der einzige nächste Punkt, der für westliche Travelers offen ist und auf unserer Route liegt (China erlebt zur Zeit eine der grössten Überschwemmungen des Jahrzehnts und gemäss den News ist es zur Zeit keine gute Idee, irgendwo in den "Flatlands" um den Jangze-Fluss zu sein - darum fahren wir Richtung Hügel und Berge, um uns so in den Süden durchzukämpfen).


6 - 8.8.98
Tagebuch Seite 5
Abschnitt 2/2
Emeishan - Geheiligter Berg
Nachdem wir uns von Carina, die wieder nach Chengdu fährt, verabschiedet haben, quetschen auch wir uns in den für uns bestimmten Bus. 2 Stunden Busfahrt - und keine Panne, durch ein China, wie man es sich aus den Epen gewöhnt ist: Leichte Hügellandschaften mit terrassierten Reisfeldern, welche mit Wasserbüffeln beweirtschaftet werden. Sehr entspannend und schön.

Bei der Ankunft in Emei werden wir beim Verlassen des Busses direkt angesprochen. Mr. Yang aus Leshan hat doch tatsächlich hier hin telefoniert, um uns abholen zu lassen! In einem kleinen Mini-Van werden wir in das kleine, sehr touristische Dorf Emeishan am Fusse des heiligen Berges gefahren. Wir checken in einem sehr kleinen aber trotzdem viel Charm versprühendes Hotel ein. Um an das Hotel zu kommen, muss man zuerst durch eine Art Bambus-Wald gehen, in dem sehr apart überall auch Blumen und tropische Pflanzen verteilt sind. Ein kleiner Rundgang durch's Dorf bringt uns zum "Teddy Bear Café". Dort werden wir über die Möglichkeiten am Berg informiert: Von 400 m auf 3099 m, nur über Treppen und übernachten in Buddistenklöstern, welche am Morgen zwischen 3.30 und 6.30 alle Gäste wieder auf den Weg schicken und am Abend vor Dunkelheit schliessen, nur um auf 3099 m dann einen Sonnenaufgang zu sehen - wir können zumindest den Sonnenaufgang auch zuhause geniessen und wollen nicht schon wieder auf einen Berg - Songpan hat uns genügend schöne Berge sehen lassen. Zudem wollten wir eigentlich nicht hierher und bitten desshalb den Cafébesitzer, uns Zug-Tickets für Jingjang zu besorgen. Er erklärt uns, dass Zugtickets in diese Richtung sehr schwer zu bekommen sind, weil die Strecke durch einen Erdrutsch unterbrochen worden ist und zur Zeit die Notgleise verlegt werden. Er verspricht uns, die Tickets sobald wie möglich zu besorgen.

Am nächsten Tag herrscht eine unglaubliche Hitze, kombiniert mit einer noch unglaublicheren Feuchtigkeit. Wir sitzen im gleichen Café wie gestern und kühlen uns mit einem Cola nach dem anderen, bis der Besitzer, Mr. Hu uns vorschlägt, ins lokale Schwimmbad zu gehen. Schwimmbad? Klingt wie ein Geschenk Gottes in diesen Temperaturen. Eine halbe Stunde später stehen wir bereit, bewaffnet mit Handtüchern und Badekleidern. Mr. Hu hat seine Kinder bereitgemacht und es geht schon los. Nach 10 Minuten zu Fuss kommen wir im Schwimmbad an. Glaubt jemand noch, dass es in China eine einfache Sache ist, in ein Schwimmbad zu kommen? Blauäugig wie wir waren - ja. Aber es sollte anders kommen. Der Beamte am Ticketschalter wollte uns nicht hineinlassen - warum? "Wir können nicht für eure Sicherheit garantieren" - Punkt strich, aus! Auch nach längeren Diskussionen mit Hilfe von lokalen Leuten mit dem Beamten liess sich der nicht davon überzeugen, dass wir wahrscheinlich besser schwimmen können, als die meisten Anwesenden im Bad und auch nicht davon, dass wir gegen jede nur erdenkliche Situation versichert sind. - Kein Eintritt. Mr. Hu gab zu bedenken, dass die meisten Ausländer nicht ins Bad gelassen werden, weil sie nicht beweisen können, dass sie kein AIDS haben - so oder so, Ausländer sind nicht erwünscht. Zum ersten Mal sind auch wir Opfer einer Diskriminierung - komisches Gefühl.

Aber Mr. Hu rettet den Tag: Er kennt ein kleines Flüsschen in der Nähe und mit Hilfe eines befreundeten Mini-Bus Fahrers sind wir in null komma nix für so wenig Geld an einer idyllischen Flussbeuge eines Flüsschens, welches direkt vom geheiligten Berg herunterkommt. Viele grosse Steine formen mit dem Wasser kleine Pools mit Bläschen und Wirbeln, die unseren Muskeln die Massage geben, die sie benötigen. Auch das Wetter spielt mit - klarer blauer Himmel und kein Wölkchen zu sehen. Mr. Hu entpuppt sich als sehr guter Englisch-Sprecher und mit einigen angebotenen Zigaretten ist nach weniger Zeit auch die letzte Barriere gebrochen. Seine Kinder spielen mit uns allen und wir haben das Gefühl von Ferien in den Ferien.

Wieder zurück erwarten wir eigentlich, dass Mr. Hu für seine Dienste ein Entgelt verlangt, aber auch hier überrascht er uns: "Ich wollte mit den Kindern schwimmen gehen - da seid ihr halt auch mitgekommen". Unsere Tickets sind auch schon bereit, unser Zug fährt morgen um 21.40. Nach Sichuan-Art Reis mit Chicken (Scharf!) gehen wir ins Zimmer und können lange nicht einschlafen, weil wir vergessen hatten, uns mit Sonnenschutz einzustreichen...(grosser Fehler!) Am nächsten Tag, nach langem Schlaf und einiger Wartezeit machen wir uns auf den Weg zum Bahnhof Emei, um den Hard Sleeper Richtung JingJang zu nehmen.